66 W ie die Stockfische gefangen werden und
Tiefe, in welcher sich gewöhnlich die Kabeljau's aufhalten.
Kabeljau heißt nämlich der Stockfisch, so lange er sich im
Salzwasser seines Lebens erfreut. Den Namen Stockfisch
erhält er erst nach seinem Tode und zwar deßhalb, weil jeder
einzelne dieser Fische an einen zugespitzten Stock gespießt und
so an der Luft getrocknet wird. Wie aber kommt man diesen
Fischen bei?
Nun, Sie wissen doch Alle, meine Herren, welche Wirk-
i ung die Musik auf manche Thiere ausübt. Das Kameel der
Wüste bekommt neue Kräfte beim Ton der Flöte, die schon
müden Cavalleriepferde heben wieder munter ihre Köpfe und
Füße, wenn ein lustiger Marsch geblasen wird; selbst von
Spinnen weiß man, daß sie durch die Klänge der Violine
angelockt wurden und sich an ihren Fäden bis in die Nähe
des Instrumentes herabließen und dort lauschend hängen blieben,
bis der letzte Ton verklungen war. Daß auch die Fische der
Einwirkung der Musik zugänglich sind, davon haben wir ein
Beispiel schon aus der grauesten Vorzeit, indem ein berühmter
griechischer Sänger und Zitherschläger, Arion hieß er, seine
Reisen zu Meer von einer Insel zur andern oder von einem
Hafen zum andern immer auf einem Delphin reitend zurück-
legte. Er brauchte sich nur an's Ufer zu stellen und einen
Gesang mit Begleitung der Zither anzustimmen, gleich kamen
j eine Menge Delphine daher und stellten sich zur Verfügung.
Aus einen, gewöhnlich den größten, setzte er sich, gerade wie
man sich aus ein Pferd setzt, legte ihm die Zither auf den
breiten Rücken und lenkte ihn mit den Schenkeln, gerade wie
man ein Reitpferd lenkt, und bei den Klängen der Zither
schoß nun der Fisch pfeilschnell durch die Fluth, während
wohl hundert andere Delphine zu beiden Seiten oder rückwärts
schwammen, eine glänzende Suite bildend. Das können Sie
I in der Geschichte lesen. Auch jeder Seefahrer und jeder Be-
wohnerder Meeresküste, namentlich jener am adriatischen Meere,
wird Ihnen den besonderen Sinn der Delphine für Musik
bestätigen. Wenn am Ufer oder auf einem Schiffe Musik
^ ertönt, gleich sammeln sie sich haufenweise und tummeln sich
I im Kreise herum, als ob sie einen Tanz aufführen wollten.
Sehen Sie, und wie die Delphine-, so sind auch die
Kabeljau's ganz besondere Freunde der Musik. Nun kann
man aber nicht auf's hohe Meer hinausfahren und jedem
einzelnen Zukunftsstockfisch ein Stückchen auf, dem Dudelsack
oder auf einer Flöte Vorspielen und zwar um so weniger als
man nicht weiß, in welcher Gegend des Meeres sich diese
Fische das ganze Jahr über herumtrciben. Man muß also
warten, bis sie von selbst so freundlich sind, dem Ufer näher
zu kommen. Dieses geschieht nur einmal im Jahre und zwar
zur Laichzeit; — der edelste der Triebe, der Trieb der Liebe,
der edelste der Sinne, der Kunstsinn — sie gereichen dem
Kabeljau zum Verderben. Die Laichzeit desselben fällt in den
Spätherbst. Millionen Fische nahen der Küste. Da gilt
es also Eile, man kann nicht jeden Fisch einzeln herausfangen
und die Metamorphose zum Stockfisch vornehmen. Das muß
im Großen, wie man sagt: on masse geschehen. Und das
geschieht also. Die Laichzeit fällt, wie gesagt, in den Spät-
warum dieselben ohne Kopf zu uns kommen.
herbst und je kälter derselbe ist, desto reicher die Ausbeute.
Wenn man eine kalte Nacht mit Frost erwartet, werden an
der Meeresküste in entsprechenden Entfernungen Musikbanden,
hauptsächlich mit Blechinstrumenten, aufgestellt. Sobald die
Dämmerung eintritt, beginnen die Banden zu spielen. Die
Wirkung läßt nicht auf sich warten. Schon nach den ersten
Tönen tauchen hie und da und so immer mehr und mehr
Köpfe von Fischen über die Wasserfläche empor. Und nun
beginnt ein Drängen und Treiben; jeder will dem Ufer und
der Musik am nächsten sein. Endlich stehen sie dichtgedrängt,
Leib an Leib, wie oft im Theater Mann an Mann steht, so
daß keine Stecknadel zu Boden fallen könnte und alle strecken
lauschend die Köpfe empor. Soweit das Auge auf- und ab-
wärts, soweit es in die See hinaus reicht, gewahrt es nichts
als Fischköpfe. Das muß man nur selbst mit angesehen
haben, um es zu glauben. Es nimmt sich aus, wie eine
unabsehbar große Wiese, auf welcher Halm an Halm steht,
nur daß die Fische jeweilig nach Luft schnappen. Nicht ein-
Die Musik spielt fort, bis die Eisdecke so dicht ist, daß die
Fische sie nicht mehr durchbrechen und die Köpfe nicht mehr
Tiefe, in welcher sich gewöhnlich die Kabeljau's aufhalten.
Kabeljau heißt nämlich der Stockfisch, so lange er sich im
Salzwasser seines Lebens erfreut. Den Namen Stockfisch
erhält er erst nach seinem Tode und zwar deßhalb, weil jeder
einzelne dieser Fische an einen zugespitzten Stock gespießt und
so an der Luft getrocknet wird. Wie aber kommt man diesen
Fischen bei?
Nun, Sie wissen doch Alle, meine Herren, welche Wirk-
i ung die Musik auf manche Thiere ausübt. Das Kameel der
Wüste bekommt neue Kräfte beim Ton der Flöte, die schon
müden Cavalleriepferde heben wieder munter ihre Köpfe und
Füße, wenn ein lustiger Marsch geblasen wird; selbst von
Spinnen weiß man, daß sie durch die Klänge der Violine
angelockt wurden und sich an ihren Fäden bis in die Nähe
des Instrumentes herabließen und dort lauschend hängen blieben,
bis der letzte Ton verklungen war. Daß auch die Fische der
Einwirkung der Musik zugänglich sind, davon haben wir ein
Beispiel schon aus der grauesten Vorzeit, indem ein berühmter
griechischer Sänger und Zitherschläger, Arion hieß er, seine
Reisen zu Meer von einer Insel zur andern oder von einem
Hafen zum andern immer auf einem Delphin reitend zurück-
legte. Er brauchte sich nur an's Ufer zu stellen und einen
Gesang mit Begleitung der Zither anzustimmen, gleich kamen
j eine Menge Delphine daher und stellten sich zur Verfügung.
Aus einen, gewöhnlich den größten, setzte er sich, gerade wie
man sich aus ein Pferd setzt, legte ihm die Zither auf den
breiten Rücken und lenkte ihn mit den Schenkeln, gerade wie
man ein Reitpferd lenkt, und bei den Klängen der Zither
schoß nun der Fisch pfeilschnell durch die Fluth, während
wohl hundert andere Delphine zu beiden Seiten oder rückwärts
schwammen, eine glänzende Suite bildend. Das können Sie
I in der Geschichte lesen. Auch jeder Seefahrer und jeder Be-
wohnerder Meeresküste, namentlich jener am adriatischen Meere,
wird Ihnen den besonderen Sinn der Delphine für Musik
bestätigen. Wenn am Ufer oder auf einem Schiffe Musik
^ ertönt, gleich sammeln sie sich haufenweise und tummeln sich
I im Kreise herum, als ob sie einen Tanz aufführen wollten.
Sehen Sie, und wie die Delphine-, so sind auch die
Kabeljau's ganz besondere Freunde der Musik. Nun kann
man aber nicht auf's hohe Meer hinausfahren und jedem
einzelnen Zukunftsstockfisch ein Stückchen auf, dem Dudelsack
oder auf einer Flöte Vorspielen und zwar um so weniger als
man nicht weiß, in welcher Gegend des Meeres sich diese
Fische das ganze Jahr über herumtrciben. Man muß also
warten, bis sie von selbst so freundlich sind, dem Ufer näher
zu kommen. Dieses geschieht nur einmal im Jahre und zwar
zur Laichzeit; — der edelste der Triebe, der Trieb der Liebe,
der edelste der Sinne, der Kunstsinn — sie gereichen dem
Kabeljau zum Verderben. Die Laichzeit desselben fällt in den
Spätherbst. Millionen Fische nahen der Küste. Da gilt
es also Eile, man kann nicht jeden Fisch einzeln herausfangen
und die Metamorphose zum Stockfisch vornehmen. Das muß
im Großen, wie man sagt: on masse geschehen. Und das
geschieht also. Die Laichzeit fällt, wie gesagt, in den Spät-
warum dieselben ohne Kopf zu uns kommen.
herbst und je kälter derselbe ist, desto reicher die Ausbeute.
Wenn man eine kalte Nacht mit Frost erwartet, werden an
der Meeresküste in entsprechenden Entfernungen Musikbanden,
hauptsächlich mit Blechinstrumenten, aufgestellt. Sobald die
Dämmerung eintritt, beginnen die Banden zu spielen. Die
Wirkung läßt nicht auf sich warten. Schon nach den ersten
Tönen tauchen hie und da und so immer mehr und mehr
Köpfe von Fischen über die Wasserfläche empor. Und nun
beginnt ein Drängen und Treiben; jeder will dem Ufer und
der Musik am nächsten sein. Endlich stehen sie dichtgedrängt,
Leib an Leib, wie oft im Theater Mann an Mann steht, so
daß keine Stecknadel zu Boden fallen könnte und alle strecken
lauschend die Köpfe empor. Soweit das Auge auf- und ab-
wärts, soweit es in die See hinaus reicht, gewahrt es nichts
als Fischköpfe. Das muß man nur selbst mit angesehen
haben, um es zu glauben. Es nimmt sich aus, wie eine
unabsehbar große Wiese, auf welcher Halm an Halm steht,
nur daß die Fische jeweilig nach Luft schnappen. Nicht ein-
Die Musik spielt fort, bis die Eisdecke so dicht ist, daß die
Fische sie nicht mehr durchbrechen und die Köpfe nicht mehr
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wie die Stockfische gefangen werden und warum dieselben ohne Kopf zu uns kommen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)