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Carnevals-Abenteuer.

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Auge fort, „daß ich mir das Gewühl und diese Zudringlich-
keiten nicht so arg vorgestellt habe. Wir waren kaum auf der
Straße, da wurde ich bald belehrt, daß es für uns gerathener
sei, wieder umzukchren. Wir wandten uns zurück, um dem Kut-
scher unseren Wunsch mitzutheilen, aber der >oar im Gewühl
schon von uns gerissen, und trotz aller Mühe, allein umzu-
kehren, wurden wir vorwärts gedrängt und waren eben ganz
rathlos, als Sie uns den Ritterdienst erwiesen. Das ist der
Grund unserer Streiferei, von der die ganze Schuld mich trifft,
während meine gute Anna hier meinetwegen gelitten hat. Aber
nicht wahr, liebe Anna" — mit diesen Worten wandte sie sich
an das still gegenüber sitzende Mädchen — „es wird Zeit sein,
daß wir uns nach Hause begeben, sonst wird man dort um uns
besorgt!"

„Dürfen wir wohl Ihre Freundlichkeit beanspruchen und
Sie bitten, uns zu führen, bis wir aus dem Gedränge hinaus-
gelangt sind?"

Der junge Mann beeilte sich, mit der größten Zuvorkommen-
heit seine Einwilligung zu geben und sagte, er schätze sich glücklich,
den Damen dienen zu können.

Er reichte seinen Schützlingen den Arm und führte, die-
selben nach der Angabe des blauäugigen Domino ihrer Wohn-
ung zu.

Unterwegs hatte er Gelegenheit, den Geist und die
muntere Laune der Damen, besonders der schwarzäugigen, die
Marie hieß, kennen zu lernen, und der nicht kleine Weg
wurde durch die belebte Unterhaltung fast unvermerkt zurück-
gelegt.

Winter erzählte den Mädchen, daß er sich auch zu Ehren
des Carnevals gegenwärtig in Köln aufhalte und ergötzte seine
Zuhörerinnen durch seine komische Schilderung von mit ange-
sehenen Scenen.

Auch die schwarzäugige Marie wußte Manches hierüber zum
Besten zu geben.

„Heute Morgen," erzählte sie unter Anderem, „als Papa
und ich hier ankamen, bot sich uns auf dem Bahnhofe ein
Lohndiener zum Führer an. Wir willigten arglos ein, da wir
nicht wußten, wo hier Anna's Papa wohnte.

Als wir eine Weile gegangen waren, kam ein Zweiter
hinzu, pflanzte sich vor uns in den Weg und behauptete, unser
Lohndiener würde uns irre führen, da er nicht Weg noch Steg
kenne. Das ging nun gegen die Ehre unseres Begleiters, und
die Beiden begannen sich in gutem Kölnisch gegenseitig die Mein-
ung zu sagen. Schließlich hörten wir aber daraus, daß es ver-
kappte Herren waren, die sich den harmlosen Spaß gemacht,
Lohndienerkleidung anzuziehen, um die ankommenden Fremden
ein wenig zu hänseln. Wir beeilten uns natürlich sofort, daß
wir aus ihrem Bereiche kamen und sahen noch, wie sie sich
lachend Arm in Arm entfernten."

„In der That," bemerkte Winter, „es ist hier ausgelas-
senes Volk, aber man kann ihm doch bei alledem nicht böse wer-
den. So lange eben der Kölnische Carneval das bleibt, was
sein Zweck sein soll, d. h. daß er den Leuten Gelegenheit gibt,
sich in freier, munterer Weise, aber in bestimmten Schranken

zu amüsiren, und wenn er nicht von rohen Burschen mißbraucht
wird, so läßt sich nichts gegen ihn cinwenden, und Mancher
hat vergnügte Augenblicke erlebt, an die er noch gerne in späte-
ren Jahren zurückoenkt. Die zwei angenehmen Stunden, die
ich in Ihrer Gesellschaft, meine Damen, zugebracht, werden stets
wie leuchtende Punkte in meinem Gedächtnisse bleiben, und das
wird," fuhr der junge Mann seufzend fort, „leider wohl das
Einzige sein, was mir von unserm Zusammensein übrig bleibt.
Nachdem wir uns heute trennen werden, wird es wohl nur
eine besondere Begünstigung Fvrtuna's sein, wenn ich Sie
später einmal wiedersehe. Oder ließe es sich vielleicht doch
einrichten," er sah bei diesen Worten Marie bittend an, „Sie
später noch einmal zu sehen? Sie werden doch sicher einen
Maskenball besuchen? Und wenn ich da vielleicht erfahren
könnte, wohin Sie gingen, so würde ich auch hinkommen; bitte,
sagen Sie es mir!"

„Ich weiß wirklich nicht", erwiderte sie leise, „wir werden
wohl auf einen Ball gehen, aber es ist noch nicht bestimmt,
auf welchen."

„Vielleicht dürfte ich mir einen Rath erlauben, meine
Damen, und den Gürzenich in Vorschlag bringen.

„Ich glaube kaum," bemerkte Anna, „daß Papa für
dieses Lokal sein wird, er liebt das zu Geräuschvolle nicht und
wird deßhalb wahrscheinlich einen Ball vorziehen, wo es ruhiger
zugeht."

„So, mein Fräulein! Ach, das thut mir leid; und es bliebe
mir nichts anderes übrig, als das Glück, Sie wieder zu sehen
nur dem Zufall zu überlassen?"

„In der That," lächelte Marie schalkhaft, „ich wüßte kein
anderes Auskunftsmittel, Sie müssen sich schon gedulden; vielleicht
ist Ihnen Fortuna doch noch hold, wenn es wirklich ein Glück
für Sie ist, uns später noch einmal zu treffen."

„Zweifeln Sie nicht daran, mein Fräulein," sagte Winter,
und hierbei drückte er ganz leicht die schöne, in seinem Arm
hängende Hand der jungen Dame, „ich werde noch oft dieser
Zeit des Carnevals gedenken."

„Auch ich," sagte das junge Mädchen, „doch hier sind wir,
wenn ich nicht irre, in der Nähe unserer Wohnung; nicht wahr,
Anna, jetzt sind wir sicher? Geehrter Ritter, empfangen Sie
unseren besten Dank und leben Sie wohl!"

Sie reichte mit diesen Worten dem jungen Mann ihr
feines Händchen, ebenso die Freundin, und die Mädchen eilten
in eine naheliegende Seitenstraße hinein, wo sie bald dem
Ange des noch auf derselben Stelle stehenden jungen Mannes
entschwanden.

Ein reizendes Mädchen, diese Marie, rief er fast un-
willkührlich laut, und nachdenkend legte er den Weg zu seinem
Hotel zurück, während ihn das Toben und Lärmen um ihn her
fast unangenehm berührte.

Steinberg nahm sich kaum Zeit, in seiner Wohnung
den Domino abzulegen, dann eilte er schnellen Gangs wieder
fort. Er passirte verschiedene Hauptstraßen, gelangte in eine
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