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Der Gimpel.

fever kleinen Geschichte zweifeln. Dennoch aber war es so
und die ganze Sache ging auch mit natürlichen Dingen zu,
wie man sehr bald bemerken wird.

Fand sich nämlich ein Vogclfreund bei Tobias ein und
verrieth dort die Absicht, den Gimpel zu lausen, so nahm
der Vogelhändler seinen Kundmann mit zum Käfig des ge-
lehrigen Thierchens und zählte erst alle Tugenden des kleinen
Künstlers auf. Darnach erst begann die Produktion. Tobias

verneigte sich drei Mal tief vor dem Gimpel und sagte bei
jeder Verneigung im schmeichelnden Tone: „Nu so singe doch,
mei Mätzchen; singe doch, mei Mätzchen!" Der Gimpel seiner-
seits im Käfig erwiderte auf das höflichste die Verbeugungen,
nach der dritten aber saß er still, blies sich gravitätisch auf
und ließ in fehlerfreier Weise seine drei Stücklein ertönen.

Nach einer so gelungenen Produktion war auch immer
der Handel rasch geschlossen. Tobias ging von dem geforder-
ten Preise nicht ab und gewöhnlich machten die Käufer auch
keine langen Umstände. Für zehn Thaler war ja ein solcher
i Gimpel fast gefunden und im Triumphe wurde der Vogel
in die Behausung seines neuen Herrn übergeführt.

Am vergnügtesten nach einem solchen Handel war
jedoch stets Tobias, der es faustdick hinter den Ohren hatte,
wie alle Vogelhändler. Der Nagel, an welchem der Käfig
mit dem famosen Gimpel gehangen hatte, blieb einstweilen
leer, denn Tobias war ja überzeugt, daß in zwei, höchstens
drei Wochen der Vogel als ganz untauglich zurückgebracht
würde. Und so war es in der That auch immer gewesen.
Der Gimpel wurde durch eine solche Wohnungsveräuderuug
keineswegs körperlich oder im Gemüth angegriffen, nein, er
ließ sich das gute Futter, welches man ihm stets brachte,

trefflich schmecken, er war auch munter und lustig, aber seine
hohe Kunstfertigkeit war wie verschwunden; keine Strophe,
nicht einmal einen einzigen Ton ließ er mehr hören. Der
neue Eigenthümer strengte vergeblich alle Mittel au, um dein
Gimpel einen Laut zu entlocken. Da hals aber kein noch so
tiefes Verbeugen vor dem Käsig und auch das Zauberwort:
„Singe doch, mein Mätzchen, singe doch! — " hatte seine
Kraft völlig verloren. Der Vogel blieb stumm und nahm
von seinem neuen Besitzer gar keine Notiz. Diesem letzteren
aber — und mochte er auch noch so langmüthig sein —
ging endlich doch die Geduld aus und gewöhnlich wurde eines
schönen Tages der Gimpel zu Tobias gebracht und das dafür
erlegte Kausgeld zurückverlangt. Dann aber wurde der Vogel-
händler schon mehr unangenehm, sprach von schlechter Be-
handlung u. bergt., was dem Vogel etwa widerfahren sein
möge. Zuletzt aber nahm Tobias den Gimpel, verbeugte sich
ein paar Mal vor ihm und sogleich war das Schweigen des
Vogels gebrochen; alle drei Lieder ertönten nach einander in
tadellosester Weise. Der Eigenthümer mußte wieder mit dem !
theuern Vogel abziehen, um daheim keine besseren Erfahrungen
zu machen, als vorher. Der Gimpel konnte da nur fressen,
aber nicht pfeifen und nach weiteren vierzehn Tagen wurde
dem Tobias der Vorschlag gemacht, den Vogel mit „etwas !
Verlust an der Kaufsumme" wieder zurückzunehmen. Dieses !
Rückkaufsgeschäft wußte der pfiffige Vogelhändler dann so zu
drehen, daß er selten mehr als ein paar Thaler für den
zurückgebrachten Vogel herauszahlte.

Hing aber der Gimpel wieder an seinem gewohnten
Plätzchen und war der geprellte Käufer abgezogen, so pfiff j
der gefiederte Künstler auf Coinmaudo alle seine Weisen so
schön wie vorher.

Worin lag nun aber das ganze Geheimniß? Nichts
anderes, als — der kahle Schädel des Tobias war der Talis-
man, der dem Gimpel den Schnabel öffnen konnte! Die
angeführten Käufer mit ihren blonden, schwarzen oder grauen
Locken mochten sich vor dem Gimpel verbeugen so tief sie
immer wollten, diesem war nun einmal nur das kahle Haupt
seines Lehrmeisters tonangebend und so kam es, daß die
verschiedenen Käufer sich immer geprellt sahen. Nur Tobias
machte dabei sein schönes Geschäft.

Der Krug geht aber nur so lange zum Wasser, bis er
bricht — das sollte Tobias auch an sich und an seinem
Gimpel erfahren. Eines Tages kam nämlich die alte Frau
Steueramtsregistrator Geyer zu dem Vogelhändler, um für
ihren lieben Mann als Weihnachtsgeschenk einen Vogel zu
kaufen; aber nur einen recht braven, denn der Herr Steuer-
amtsregistrator war ein Kenner. Natürlicher Weise fiel die
Wahl bald wieder auf den vortrefflichen Gimpel und obgleich j
die Frau Steueramtsregistrator bei dem geforderten Preis i
von zehn Thalern fast in Ohnmacht gefallen wäre, so wurde
sie nach einer guten Stunde Hin- und Herhandelns dennoch
einig und zwar wurde der Gimpel um acht Thaler losgc-
schlagen, denn die Frau Geyer verstand sich auf's Feilschen
wie sonst Niemand auf fünf Meilen in der Runde.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Gimpel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Tierhandel
Händler <Motiv>
Arglistige Täuschung
Gesang <Zoologie>
Vögel <Motiv>
Vogelkäfig <Motiv>
Dressur
Karikatur
Verkauf
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Verbeugung <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 50.1869, Nr. 1246, S. 170
 
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