Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
194

Eine Künstlerfahrt.

einigen warmen Semmeln und einer großen Flasche Bier zärt-
lich unter den Arm und trug es auf den Floß hinab, welcher
bald darauf in den Strom steuerte und Stadt wie Festung
hinter sich ließ.

Fort ging cs, in die Berge hinein, über die Grenze des
gelobten Landes. Da lag es, aber auch an seiner Schwelle
ein großes Gebäude, die Mauth, wo das Zollamt auf die
Ankömmlinge lauerte und seine Hände nach ihnen ausstreckte.
Der Floß legte an. Die Reisenden mußten herauf und ihre
Sachen anspacken, unter denen die zollamtlichen Augen begehr-
lich nach Contrebande suchte», nach Tabak und Büchern oder
dergleichen, wovon sich aber nichts fand.

Auch über die irdische Habe unseres Wanderers war ein
Argus gekommen. Dieser sah das Provianttönnchen beute-
lustig an, zog die Gans heraus, fand sie aber leider ange-
schnitten und konnte deßhalb seine Hand nicht darauf legen.
Er betrachtete sie dennoch wie ein Kunstwerk mit Kennermiene
und schob sie zögernd in das Tönnchen zurück. Nun mußte der
Künstler seinen schmächtigen Tornister aufschnallen, für dessen
Inhalt der Zollbeamte weniger Liebhaberei an den Tag legte.

> Er wühlte mit kundigen Fingern durch die Falten der Wäsche
nach Tabak und wollte die Hand eben gleichgiltig heraus-
ziehen, als er anhielt und mit Falkenaugen in den Tornister
spähte. Der Künstler sah verwundert zu. Er wußte, daß
er nichts Mauthbares bei sich führte und war neugierig, was
. das Interesse des Zollmannes wohl erregt haben mochte.

Da zog dieser einen Brief heraus! Einen gesiegelten
Brief, das einzige Empfehlungsschreiben, welches den jungen
Mann nach Wien begleitete und welches er wie ein Heilig-
thum im Nänzel verwahrte. Er wußte nicht, daß er ein Ver-
brecher gegen das Postamt war. Man führte ihn hinein,
den Verbrecher. Die Mauthbeamten triumphirten und legten
ihm die ganze Schwärze seiner That vor Augen, die eigent-
lich die Zurückweisung von der Grenze verdiente, die man aber

in Hinsicht der Jugend des Missethäters diesmal nur gnädig
mit Confiscation des Briefes und einer Strafe von zwei
Gulden Münz' ahndete.

Der Arme zahlte seufzend und betrachtete dann das Grenz-
amt sinnend. Er dachte an die Geschichte, wo der Jäger dem
Fuchs das Fell abzieht und ihn damit tröstet, daß dies nur
ein „Uebergangszustand" sei. Es wollte ihm Vorkommen, als
sei dies hier eine „Uebergangsstation", die ihn um zwei Gul-
den Münz, d. h. zwei Gulden vier und zwanzig Kreuzer
bayerisch, ärmer gemacht und um seine Empfehlung gebracht
hatte.

Er ließ seinen Grimm an der Gans aus und sah dabei
streitlustig nach dem Zollamt hinüber. Zwei Gulden Münz!
Das waren sechs Zwanziger, resp. sechs gebratene Passauer
Gänse. — Es war zum in die Donau stürzen, wie ein
Reisegefährte sagte, der eine schwere Geldkatze um den Leib
trug und drei Gänse bei sich führte und dabei den ganzen
Tag über das elende Leben jammerte, welches er führen müsse.

Es war ein kurioser Patron, der mit tausend Gulden
um den Leib nach Wien reiste, um dort ein Geschäft an-
zufangen. Er hatte von München aus schon eine Unzahl
von Geflügel und anderem Proviant aufgezehrt und unzählige
Maßkrüge geleert. Nach jeder Mahlzeit, deren es täglich
acht bis nenn gab, brach er in einen herzzerreißenden Jammer
über das elende Leben aus, was die natürliche Heiterkeit
des armen Künstlers bis zum Ueberschäumen erhöhte.

Dazu machte dem Jammermann die Geldkatze das
Dasein vollends so sauer als möglich. Der Künstler sprach
die Vermuthung aus, daß man mit einer solchen Geldkatze
um den Leib sofort wie ein Mühlstein auf den Grund
gehen müsse, wenn der Floß auseinander ginge; dies war
genügend, um dem Seufzenden einen Höllenschreck in die
Glieder zu jagen und einen Jammergrund mehr zu geben.
Er richtete sein Augenmerk nun auf einen großen Balken,
der ihm geeignet schien, ihn im Falle eines Schiffbruches
sammt seinem Schah zu tragen. Die Geldkatze ward jetzt dem
Balken umgeschnallt, von dem sich der Besitzer keine drei Schritt
entfernte. Mußte er des Nachts auf dem Floß bleiben, so
vergrub er das Geld unter das Stroh und lag die ganze
Nacht mit offenen Augen wie ein Hase darauf, wonach er
in der Früh wie gerädert war und bis gegen Mittag schlief.

Jemehr der Floß abwärts kam und man sich dem
Strudel und Wirbel näherte, je größer ward seine Angst,
was die Gefährten nicht wenig belustigte und sie veranlaßte,
den Floß bedenklich zu betrachten und nach dein „Gebrüll"
des Wirbels hinaus zu horchen, der noch dreißig Meilen
entfernt war.

„Ich hätte mich in die Donau gestürzt," sprach er mit
einer Art von Gewimmer, als er sah, wie der junge Mann
die zwei Gulden von seiner schmalen Baarschaft zahlen mußte.

„Mit oder ohne Geldkatze?" fragte der Künstler.

Ein langer Seufzer war die Antwort. Das war eine
Frage, die den Jammermann von Neuem plagte. — Mit
oder ohne? Welcher Fall war da zu wähle»?
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine Künstlerfahrt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Gepäck
Durchsuchung
Zollbeamter
Bosheit
Brief <Motiv>
Habsucht
Alleinreisender
Gewehr
Soldat
Landesgrenze
Junger Mann <Motiv>
Karikatur
Strafe
Uniform <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 50.1869, Nr. 1249, S. 194
 
Annotationen