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203

Eine Künstlerfahrt.

; gebracht — die Wiener Stutzer konnte er dadurch doch nicht
, aus dem Felde schlagen. Die waren erschienen in blauen
Fracks mit blanken Knöpfen, mit Kragen, die halb über den
Kopf ragten und schier gefährlich spitzen Schößen, wie damals
die Mode Ivollte und noch spitzeren Vatermördern und dar-
unter gefältelte Busenstreifen, wie sic der Kakadu aus dem
Kopfe trägt. Unter dem blauen Frack sah aber einen Finger
breit die Weste hervor, aus der die Uhrkette herabhing, mit
einer rothen Kugel als Uhrschlüssel und einem Diamanten im
Werth von einer Million, wenn's ein Diamant gewesen wäre.
Auch ein Petschaft hing dabei, bereit, in jedem Augenblick
etivas zu untersiegeln. Dann sah man die Nankingpantalons,
eng anliegend, über welche die Stulpenstiefeln gezogen waren,
die wiederum nur von Hüten übertroffeu wurden, welche man
jetzt „Sturmfässer" schimpfirt und die nur noch selten zu fin-
den sind.

So standen die Wiener Stutzer sicgesgewiß da und sahen
etwas höhnisch auf den jungen Mann, der von München
herunterkam und sich unter sie wagte, um mit ihnen zu
kämpfen.

Auch die Richter blickten ihn an und dachten vielleicht:
„Laßt ihn zuerst spielen, er wird die Andern nicht lange anf-
halten."

Und er spielte den Choral mit beziffertem Baß, daß sie
aufmerksam schaueten, mit den Köpfen nickten und dann las
er die Partitur, daß sie die Ohren spitzten, die Richter so-
wohl als die Stutzer. Wie er aber in der freien Phantasie
zeigte, was ihm der liebe Gott geschenkt und in der Fuge,
was er dazu gelernt hatte, da spitzten sie nicht mehr die Ohren,
sondern sperrten sie weit auf, indem sie mit Verwunderung
nach dem Spieler blickten. Die Stutzer sahen halb entsetzt,
wie doch Einer ohne Frack so spielen könne, ließen die Ohren
hängen und schlichen ihrer n eunze hn hinterrücks davon, denn
es war ihnen alle Lust vergangen, die Tasten zu berühren.

Es versuchten zwar noch Einige zu spielen, das war aber
Alles nichts gegen den Münchener, dem Streicher lächelnd auf
die Achsel klopfte und fragte: „Wie heißt unser neuer Or-
ganist, den ich hiemit begrüße?"

„Franz Lach ne r," sprach der junge Mann freude-
strahlend.

Franz Lachner war es, der jetzt Gencralmnsikdirektor
in München und aller Welt bekannt ist, der als neunzehn-
jähriger Jüngling mit leerem Beutel, aber voller Lebenslust
und Jugendmuth, mit seinem Schatz von Talent nach Wien
hinunterfnhr und sich dort im Flug wie ein junger Adler die
Organistenstelle eroberte. Fünfundvierzig Jahre sind während
dieser Zeit in das Meer der Ewigkeit geflossen. Der junge
Mann tvard der intime Freund von Streicher, bei dem er
Beethoven kennen lernte, der sich so für ihn interessirte, daß
er seine Compositionen durchsah und corrigirte. Er ward der
Freund von Franz Schubert und vielen Anderen, die jetzt
alle schon geschieden sind. Er ward der Componist: der vier
Menschenalter, des Moses, der Opern Catharina Cornaro,.
der Bürgschaft, Cellini und Alidia, und vieler herrlicher
Lieder. Er ward Generalmusikdirektor und ein geliebter
verehrter Meister unter den Meistern, der ehrenvolle und
glückliche Tage hinter sich sieht. Aber von allen glücklichen
Tagen seines Lebens leuchten doch jene in Hellem Sonnen-
schein ans seiner Erinnerung hervor, in denen er mit dem
Floß stromab trieb, in denen er das unvergeßliche historische
„Schnitzel" aß, um darauf zur ernsten Probe und zuin Sieg
zu gehen, der dann nicht mehr von seiner Seite wich.

Diese Künstlerfahrt ist ein so schönes Stück frisches,
glückliches Menschenleben, wie man es selten in der Geschichte
der Künstler findet. Ich habe dieselbe Fahrt gemacht, habe
in meinen gesunden Tagen überhaupt alle deutschen Flüsse
befahren, aber keinen mit solchem glänzenden Endziel. ES
ist aus mit dem Dahinstreichen über Land und Wasser. Der
alte tolle Kopf sitzt wohl noch mit dem frischen Geist auf
meinen Schultern, aber die Arme und Beine sind gelähmt
und können keinen Schritt machen, kein Ruder mehr führen;
doch das Bild von Lachners Stromfahrt, welches ich hier
niederschrieb, Ivarf einen Hellen Sonnenblick in nicin armes
Dasein. — Wahrlich — ich bin nicht neidisch — und doch
beneide ich den Meister um dieses Stück Leben.

C. Neinhardl.

Der gesetzkuudige Fuchs.

„Was mir neulich mit einem Fuchs passirte, das über-
steigt alles bis jetzt Dagewesene. Bei einem Treibjagen hatte
ich lange ans meinem Posten gestanden und Nichts ivollte
mir anlaufen, als auf einmal a tempo eine Rehgeis von rechts
und ein Eapitalfuchs von links vor mir herausbrachen. Schon
glücklich, für die Geis, die ich ja nicht schießen durfte, einen
Ersatz zu Haben, lege ich eben auf den Fuchs an, als, mit
einem furchtbaren Satz, der Kerl auf den Rücken der Geis
springt, sie mit der Ruthe zum schnelleren Lauf peitscht und
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine Künstlerfahrt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Frack
Begabung
Hochmut <Motiv>
Konkurrent
Staunen
Vorspiel <Musik>
Orgel <Motiv>
Wien
Junger Mann <Motiv>
Bewerbung
Erfolg
Karikatur
Wettbewerb
Menschenmenge <Motiv>
Preisgericht
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 50.1869, Nr. 1250, S. 203
 
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