Fliegende Blätter (52.1870 (Nr. 1277-1302))

28 Der Onkel.

„Ah, meine Gnädige, Sie haben doch schon von der
Liaison des Grafen v. M. gehört? Sehr piquant, auf Taille!"
— „O bitte, erzählen Sie!" — „Wenn ich nicht fürchten
müßte, zarte Ohren zn beleidigen — " — „Pah — »'ein
Mann wird, während Sie erzählen, aus dem Zimmer gehen."

„Was ist er?" fragt, da noch acht Jahr' vergehe»,
Das Mädchen, wenn ein Freier kommt zum Blick,
Und nicht verschämt, wenn gut die Renten stehen,
Die einen Hausstand sichern und der Ehe Glück.

„Der Baron N. ist wohl Ihr Oheim?" — „Ja, aber — "
— „Kein „aber", wenn er 'mal Ihr Onkel ist!' —„Wissen
S', er ist halt nur so lange Onkel, als ich von ihm nichts
brauch'."

Zartfühlend.

Wie? Was? Wo?

„Wie ist er?" fragt erröthend jede Schöne
Von siebzehn Jahren, wenn ein Jüngling naht,
Ob Herz und Geist ein liebes Antlitz kröne,

Ob er wohl waget eine kühne That!

„Wo ist er?" fragt nach weiteren acht Jahren
Die holde Maid, wenn bricht der Morgen an,
Sie scheut nicht Ungewitter, nicht Gefahren,

Sie fragt nur: Wo ist endlich denn der Mann?

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