195
Die beiden Wölfe von Eberstcin.
nernd rollte das Echo der Bergwände dieselben weiter über das
herrliche Thal.
Leopold sprang auf und stand im Nu auf dem Kranze
der Schloßmaner und spähte hinüber nach dem Berge, woher
man das Schießen vernahm.
Bum! erscholl cs eben wieder — Bum, — bum! und
hochauf wirbelte der Dampf der Geschütze und verrieth sowohl
Position als Zahl derselben.
Bum! ertönte cs jetzt auch ans dem diesseitigen Murgufer
und zugleich vernahm man in dem Städtchen die wirbelnden
Trommeln des Generalmarsches, der die zerstreuten Freiheits-
männcr an ihre Sammelplätze rief.
Hastig schwang sich Leopold wieder von der Mauer herab
und rief dem unterm Thor erscheinenden Diener zu, die Pferde
vorzuführen; dann trat er mit blitzendem Auge zu Louise:
„der Augenblick ist da, der Kampf beginnt — lebe wohl, Ge-
liebte, mich ruft die Pflicht!
„O Leopold — wenn Du mich liebst, so bleibe,
— betheilige Dich nicht an diesem Kampfe!" bat
Louise bleich und zitternd, „noch ist cs Zeit, viel-
leicht heute Abend schon ist's zu spät. Dich von
Deinen Genossen loszumachen!"
„Was verlangst Du, Louise?" erwiderte Leo-
pold ernst, „soll ich das Leben mit meiner Ehre
erkaufen?"
„Herr Hauptmann Wolf!" rief jetzt eine
Stimme im Hofe.
„Zu Befehl, Herr Oberst!" antwortete Leopold,
umschlang hastig noch einmal die Geliebte und eilte
zu seinem Vorgesetzten in den Schloßhof.
Eiligst schwangen sich beide auf die Pferde
und im Galopp sprengten sie hinab in's Thal, wo
der beginnende Kampf immer allgemeiner wurde.
Noch wandte Leopold sich in dem Sattel und
winkte der leise weinenden Louise einen Abschieds-
gruß zu, dann verschwand er in dem Walde.
Louise aber erhob die thrünenschweren Augen
gen Himmel und im heißen Gebete flehte sic, daß
Gott den Geliebten beschützen möge.
Am 28. Juni war das Peucker'sche Armee-
corps über Ettlingen und das Albthnl marschirt,
um von württembergischem Gebiete aus die Badener
in der rechten Flanke zu umgehen und so die Murg-
linie zu gewinnen. Dasselbe machte deßhalb einen
äußerst anstrengenden Marsch über die Höhen des
Dobel und brach am Morgen des 29. auf, um gegen Geresbach
einen überraschenden Angriff zu unternehmen.
Nach einigen gewechselten Schüssen nahm die Vorhut der
Reichstruppen ein Verhau zwischen Geresbach und Loffenau und
unaufhaltsam drang nun das Gros vor und begann um die
Mittagszeit den Kampf um das Städtchen.
Die Insurgenten besetzten in Eile die auf dem rechten
Murgufer gelegenen Häuser und beschossen kräftig den anrückenden
Gegner. Da warf dieser Granaten in die Häusergruppe, die
eine furchtbare Verwüstung anrichteten; in wenigen Minuten
standen achtzehn Häuser in Flammen und die Vertheidiger, hier-
durch zum Verlassen dieser Position gezwungen, zogen sich über
die einzige Brücke zurück auf das linke Murgufer, um hier dem
weitern Vordringen des Gegners Einhalt zu thun.
So stand der Kampf etwa um 3 Uhr Mittags. Blenker
hatte sich bisher, ohne persönlichen Anthcil am Gefechte zu nehmen,
in der Nähe der Murgbrücke aufgehalten. Jetzt gab er Befehl,
eine Barrikade an derselben zu errichten und übergab das Com-
mando daselbst seinem Adjutanten Hauptmann Wolf, der ihn
stürmisch darum ersucht hatte. Er selbst begab sich hierauf an
den linken Flügel, da er dort — wie man ihm böslich nach-
sagte — den am wenigsten gefährlichen Weg zur Flucht in's
Oosthal frei hatte.
Leopold, der schon auf dem rechten Murgufer tapfer mit-
gefochten und durch einen Granatsplitter unbedeutend verwundet
war, übernahm die Vertheidigung der Barrikade mit einer
Energie, wie sie bisher noch nirgends gezeigt worden war.
Von Kugeln umsaust stand er zu Füßen der auf der Barrikade
aufgcpflanztcn schwarz-roth-goldencn Fahne und ließ durch seine
Tirailleure ein kräftiges Feuer nach dem jenseitigen vom Feinde
besetzten Ufer unterhalten.
Da zudem der unmittelbar vor der Barrikade liegende
Thcil der Brücke ungangbar gemacht und das Wasser durch
die zur Flößerei uothwendigen Schleußen bis zu einer Höhe ge-
staut worden, daß ein Durchwaten der Murg nicht zu befürchten
I
i
i
25 *
Die beiden Wölfe von Eberstcin.
nernd rollte das Echo der Bergwände dieselben weiter über das
herrliche Thal.
Leopold sprang auf und stand im Nu auf dem Kranze
der Schloßmaner und spähte hinüber nach dem Berge, woher
man das Schießen vernahm.
Bum! erscholl cs eben wieder — Bum, — bum! und
hochauf wirbelte der Dampf der Geschütze und verrieth sowohl
Position als Zahl derselben.
Bum! ertönte cs jetzt auch ans dem diesseitigen Murgufer
und zugleich vernahm man in dem Städtchen die wirbelnden
Trommeln des Generalmarsches, der die zerstreuten Freiheits-
männcr an ihre Sammelplätze rief.
Hastig schwang sich Leopold wieder von der Mauer herab
und rief dem unterm Thor erscheinenden Diener zu, die Pferde
vorzuführen; dann trat er mit blitzendem Auge zu Louise:
„der Augenblick ist da, der Kampf beginnt — lebe wohl, Ge-
liebte, mich ruft die Pflicht!
„O Leopold — wenn Du mich liebst, so bleibe,
— betheilige Dich nicht an diesem Kampfe!" bat
Louise bleich und zitternd, „noch ist cs Zeit, viel-
leicht heute Abend schon ist's zu spät. Dich von
Deinen Genossen loszumachen!"
„Was verlangst Du, Louise?" erwiderte Leo-
pold ernst, „soll ich das Leben mit meiner Ehre
erkaufen?"
„Herr Hauptmann Wolf!" rief jetzt eine
Stimme im Hofe.
„Zu Befehl, Herr Oberst!" antwortete Leopold,
umschlang hastig noch einmal die Geliebte und eilte
zu seinem Vorgesetzten in den Schloßhof.
Eiligst schwangen sich beide auf die Pferde
und im Galopp sprengten sie hinab in's Thal, wo
der beginnende Kampf immer allgemeiner wurde.
Noch wandte Leopold sich in dem Sattel und
winkte der leise weinenden Louise einen Abschieds-
gruß zu, dann verschwand er in dem Walde.
Louise aber erhob die thrünenschweren Augen
gen Himmel und im heißen Gebete flehte sic, daß
Gott den Geliebten beschützen möge.
Am 28. Juni war das Peucker'sche Armee-
corps über Ettlingen und das Albthnl marschirt,
um von württembergischem Gebiete aus die Badener
in der rechten Flanke zu umgehen und so die Murg-
linie zu gewinnen. Dasselbe machte deßhalb einen
äußerst anstrengenden Marsch über die Höhen des
Dobel und brach am Morgen des 29. auf, um gegen Geresbach
einen überraschenden Angriff zu unternehmen.
Nach einigen gewechselten Schüssen nahm die Vorhut der
Reichstruppen ein Verhau zwischen Geresbach und Loffenau und
unaufhaltsam drang nun das Gros vor und begann um die
Mittagszeit den Kampf um das Städtchen.
Die Insurgenten besetzten in Eile die auf dem rechten
Murgufer gelegenen Häuser und beschossen kräftig den anrückenden
Gegner. Da warf dieser Granaten in die Häusergruppe, die
eine furchtbare Verwüstung anrichteten; in wenigen Minuten
standen achtzehn Häuser in Flammen und die Vertheidiger, hier-
durch zum Verlassen dieser Position gezwungen, zogen sich über
die einzige Brücke zurück auf das linke Murgufer, um hier dem
weitern Vordringen des Gegners Einhalt zu thun.
So stand der Kampf etwa um 3 Uhr Mittags. Blenker
hatte sich bisher, ohne persönlichen Anthcil am Gefechte zu nehmen,
in der Nähe der Murgbrücke aufgehalten. Jetzt gab er Befehl,
eine Barrikade an derselben zu errichten und übergab das Com-
mando daselbst seinem Adjutanten Hauptmann Wolf, der ihn
stürmisch darum ersucht hatte. Er selbst begab sich hierauf an
den linken Flügel, da er dort — wie man ihm böslich nach-
sagte — den am wenigsten gefährlichen Weg zur Flucht in's
Oosthal frei hatte.
Leopold, der schon auf dem rechten Murgufer tapfer mit-
gefochten und durch einen Granatsplitter unbedeutend verwundet
war, übernahm die Vertheidigung der Barrikade mit einer
Energie, wie sie bisher noch nirgends gezeigt worden war.
Von Kugeln umsaust stand er zu Füßen der auf der Barrikade
aufgcpflanztcn schwarz-roth-goldencn Fahne und ließ durch seine
Tirailleure ein kräftiges Feuer nach dem jenseitigen vom Feinde
besetzten Ufer unterhalten.
Da zudem der unmittelbar vor der Barrikade liegende
Thcil der Brücke ungangbar gemacht und das Wasser durch
die zur Flößerei uothwendigen Schleußen bis zu einer Höhe ge-
staut worden, daß ein Durchwaten der Murg nicht zu befürchten
I
i
i
25 *
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die beiden Wölfe von Eberstein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1870
Entstehungsdatum (normiert)
1860 - 1880
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 52.1870, Nr. 1301, S. 195
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg