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Die beiden Wölfe von Eber st ein.

202

Kopf mit dem blutigen Tuche aus dem Reblaub auftaucheu sah.
Noch einmal blickte sic sich vorsichtig nach allen Seiten um,
dann warf sic das eine Ende des Seils hinab, während sic
das andere fest um einen Pfeiler der Brüstung schlang.

Einen Augenblick später schwang sich Leopold ans den
Balkon und schloß seine schöne Geliebte in die Arme.

„Um Gotteswillen, Leopold — schnell da herein," flüsterte
Louise, indem sie sich zitternd vor Angst aus seinen Armen
wand, mit sieberischer Hast das große Schloßthor öffnete und
den Verfolgten hincinzog. „Hier erst bist Du in Sicherheit!"

Rasch zündete sic dann den Lichtstumpf in der Laterne an,
da cs mittlerweile völlig dunkel geworden war und führte ihn
die große Treppe hinan durch die „allerhöchsten Zimmer" in den
Rittersaal. Jehl erst hielt sic an und sagte tief aufathmend:
„Hier soll man Dich nicht finden — Du bist in Sicherheit!"

Verwundert blickte Leopold seine schöne Retterin an; cs
wurde ihm jetzt erst klar, daß Louise beabsichtige, ihn hier j
längere Zeit zu verbergen.

„Was denkst Du, Louise?" sagte er jetzt, „ich kann un-
möglich hier bleiben in Mitte meiner Feinde; ich kam nur, um
Dich noch einmal zu sehen und Dir Lebewohl zu sagen! Im
Dunkel der Nacht muß ich wieder fort."

„Und wohin? Ringsum — wohin Du Dich wenden mögest,
stehen die Vorposten Deiner Feinde; ihre Patrouillen durch-
streifen zahlreich in allen Richtungen die Berge, cs wäre ge-
radezu unmöglich, durch ihre Linien zu schleichen. Deßhalb
j mußt Du hier bleiben, wenn auch nur für einige Tage."

„Aber Dein Vater? Wird er mir wohl diese Zufluchts-
stätte gewähren wollen?"

„Niemand darf um Deine Anwesenheit wissen, außer mir!"

„Aber wenn das Schloß Einqnartirnng erhalten sollte?"

„Die herrschaftlichen Schlösser sind frei von Einqnartirnng."

Leopold sann einen Augenblick nach. Sich durch die auf-
gestellten Vorposten schleichen zu wollen, schien ihm selbst toll-
1 kühn und unmöglich; zu bleiben — in Mitte seiner Feinde, war
nicht minder gefährlich. Doch dünkte cs ihm möglich, sogar
wahrscheinlich, daß man in einem großherzoglichen Schlosse
nicht nach Rebellen suchen würde. Zudem waren ihm einige
Tage der Ruhe dringend nöthig, denn die Wunde am Kopse
verursachte ihm wieder größere Schmerzen. Es blieb ihm keine
Wahl — er mußte sich entschließen zu bleiben.

„Wohlan," sagte er endlich, indem er Louise die Hand
reichte, „ich bleibe; ich vertraue Deiner Klugheit Ehre, Frei-
heit und Leben an!"

„Gott sei Dank, daß Du wenigstens diesmal meinen
Bitten nachgibst — o hättest Du's heute morgen schon gethan!"

Leopold erwiderte Nichts; stumm ließ er sich ans das
weiche alterthümliche Sopha nieder und stützte das schmerzende
Haupt in die Hand.

Louise erinnerte sich jetzt erst, daß Leopold verwundet sei.

„Warte einen Augenblick, gleich bin ich wieder bei Dir,"
sagte sie und schritt ans dem Saale.

Nach einer Weile kehrte sie wieder, mit einem Körbchen
am Arme, aus welchem sie außer einigen Speisen, frisches

Wasser, Chürpie und Leinwand hervorbrachte, um Leopold's
Wunde zu verbinden. Dieselbe erwies sich als ungefährlich, da der
Hieb, durch die Fahnenstange in seiner Kraft gebrochen, das Haupt
nur unbedeutend verletzt hatte. Bald war Louise mit dem unge-
wohnten Geschäfte zu Ende; dann holte sie aus einem benach-
barten Zimmer noch ein weiches Kissen herbei, schob es unter
das Haupt des Verwundeten und wünschte ihm eine gute Nacht
mit dem Versprechen, morgen bei Zeit nach ihm zu sehen.

Erschöpft von den Anstrengungen des Tages versank
Leopold bald in tiefen Schlaf.

Am andern Morgen — es mochte etwa 4 Uhr sein —
die Sonne kam gerade hinter dem Dobel hervor und beleuchtete
mit ihren ersten rosigen Strahlen die Zinnen Ebersteins, da
fuhr Leopold aus dem Schlafe cnrpor. Ein Schuß dicht unter
den Mauern des Schlosses weckte ihn aus wilden Träumen.

Mit einem Sprung war er am Fenster und sah gerade
noch, wie eine Gestalt in blauer Blouse sich an dem Seile,
das Louise gestern zu seiner Rettung benützt hatte, gleichfalls auf
den Balkon schwang. Noch zwei rasch aufeinander folgende Schüsse
bewiesen ihm, daß der Flüchtling gleichfalls verfolgt werde.

Wie ein Blitz fuhr ihm da der Gedanke durch den Kopf,
daß man nach dem Verfolgten im Schlosse suchen und bei dieser
Veranlassung ihn selber finden könne. Bald ward ihm Ge-
wißheit darüber, daß diese Befürchtung nur zu sehr begründet
war. Eine Patrouille unter Führung eines Offiziers erschien
auf dem Balkon, der — ivie Leopold deutlich durch das Fenster
sah und hörte — einige Mann beorderte, die Hofranme zu
durchsuchen, während er einem anderen den Befehl erthcilte, den
Castcllan mit den Schlüsseln herbeizuschaffen.

Was war zu thun? In dem weiten alterthümlichen Saale
bot sich nirgends ein Schlupfwinkel dar, der ihn den Augen
der Suchenden hätte verbergen können. Ta siel sein Blick
plötzlich auf die geharnischte Gestalt des Grafen Wolf von Eber-
stcin. — Der mußte ihn retten!

Schnell, wie der Gedanke, der ihm gekommen, holte er
die ganze zur Gestalt znsammengcfügte Rüstung herab, hüllte
sich selbst in Panzerhemd, Beinschienen und Harnisch, stülpte
sich den prächtigen Turnierhelm mit der Grafenkrone auf's
Haupt, schwang sich auf's Piedestal und erwartete nun mit
festgeschlossenem Visir die Ankunft der Suchenden.

Einige Minuten mochte er an seinem Platze gewesen sein,
da hörte er Schlüssel rasseln, die Thüre öffnete sich und ge-
folgt von dem Offizier und der Patronillen-Mannschaft schritt
der alte Holzer in den Saal, um die Durchsuchung, wie in
allen übrigen Räumlichkeiten, so auch hier vorzunehmeu.

Regungslos ivie aus Erz gegossen, stand Leopold ans seinem
Platze, während die Soldaten den Saal durchsuchten. Keine
Fiber zuckte; nur das Herz schlug ihm laut unter der stählernen
Umhüllung, als der Lieutenant, den die alterthümlichen Rüst-
ungen interessirten, vor dem Piedestal stehen blieb und den
Castellan befragte, wer die geharnischte Gestalt sei.

„Das ist Graf Wolf von Eberstein," erwiderte dienst-
fertig der Castellan und erzählte dem Lieutenant zugleich dic-
ganze Geschichte von dem gewaltigen Sprunge des Grafen und
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