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Die beiden Wölfe von Eberstein.

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seiner glücklichen Rettung, wie er sie wohl schon tausend und
aber tausendmal den Fremden vorgetragen hatte, die alljährlich
das Schloß besuchten.

„Herr Lieutenant, der Saal ist durchsucht, ohne daß sich
etwas Verdächtiges vorgefundcn hat," rapportirte der Unter-
offizier seinem Vorgesetzten.

„®ut — schauen wir im nächsten Zimmer," — ant-
wortete der Offizier, indem er der entgegengesetzten Thüre zn-
schritt, die Holzer alsbald öffnete.

In dem Augenblicke, als die Mannschaft den Saal ver-
ließ, erschien Louise unter der Thüre bleich und entsetzt, denn
sic glaubte nicht anders, als ihr geliebter Flüchtling sei entdeckt
und verhaftet worden.

Kaum ihrer Sinne mächtig, wankte sic durch den Saal
und — „Louise, — Louise!" hörte sie leise rufen.

Lauschend blieb sie stehen; es war seine Stimme, die ihr
rief, also war er ja nicht verhaftet.

Blitzschnell schweiften ihre Blicke durch den weiten Saal
— aber nirgends konnte sie den Geliebten entdecken.

Da plötzlich schrack sie zusammen; hatte sich nicht Graf
Wolf bewegt? Ja wahrhaftig, jetzt legte er militärisch grüßend
die Hand an den Helm. Jetzt ward ihr Alles klar; eben noch
in Verzweiflung mußte sic nun an sich halten, um nicht laut
aufzulachen. Doch die Stimmen im Nebenzimmer mahnten sie
zur Vorsicht. Leise schlich sie an die Thür und lauschte. Die
Soldaten verließen eben das Zimmer, um ohne Zweifel auf
der dort befindlichen kleinen Treppe wieder in den Hofraum
hinabzusteigen. Tic Gefahr war vorüber.

„Graf Wolf," rief sie jetzt laut lachend, „kühner Springer,
spring' herab — Du bist gerettet!"

Behende schwang sich der Pseudo-Graf vom Piedestal
herab und sprang in die geöffneten Arme Louisens — welcher
Sprung viel angenehmer gewesen sein soll, als derjenige, wel-
chen 500 Jahre früher der wirkliche Herr Graf in das Bette
der Murg gemacht hatte.

Inbrünstig schloß er Louisen an den kalten Harnisch; doch
der Kuß, den Leopold seiner reizenden Geliebten auf die blühen-
den Lippen drückte, war heiß — so heiß, daß den Liebenden
Hören und Sehen vergangen sein mußte, denn sie hörten nicht,'
daß sich die Thüre wieder geöffnet hatte und sahen nicht, daß
der alte Holzer, starr vor Schrecken, unter der Thüre stand, als
er seine Tochter in den Armen des Herrn Grafen liegen sah.

„Alle guten Geister," murmelte der alte Herr und ließ
den Schlüsselbund fallen.

Bei dem Geräusche fuhren die Liebenden auseinander.

„'Alle Teufel, was ist das?" rief jetzt Holzer.

„Vater," stotterte die erröthende Louise, „cs ist ein Ver-
wundeter, ein Verfolgter."

„Doch nicht — — ?"

„Der Sohiz, Deiner Schwester, Oheim, wirst Du ihn
seinen Feinden ausliefern?"

„Gewiß werde ich das, denn er ist mir nicht mehr ver-
wandt, seit er Rebell geworden ist," sagte Holzer, indem er
sich gegen die Thüre wandte, um die Patrouille zurückzurufen.

„Um Gotteswillen, Vater, Du vernichtest die ganze Hoff-
nung meines Lebens, ich liebe ihn und er liebt mich!"

„Was? da soll ja —!"

„Oheim, verzeihe dem Reuigen! der gestrige Tag
hat mir die Augen geöffnet und mich belehrt, daß ich für
eine schlechte Sache mein Blut vergoß."

„Vater vcrgicb ihm — uni meinetwillen," flehte
Louise, indem sie mit thränenschweren Augen den ehrlichen
Alten ansah.

Holzer wurde weich; die Thränen des einzigen gelieb-
ten Kindes trieben auch ihm das Wasser in die alten Augen.
„So liebst Du ihn? Hätt' mir's denken können — na
wohlan. Dir zu Liebe will ich ihm vergeben; doch er muß
fort, heute noch. Wenn erst Gras über die Geschichte
gewachsen ist, mag er wieder kommen und dann wollen
ivir sehen, was mit Euch Beiden anzufangen ist!"

Stürmisch faßten die Liebenden die Hände des biedern
Alten und wallten ihm danken für seine Güte, doch Holzer
wehrte sie von sich ab:

„Stille — Kinder, dankt mir nicht; Dank verdient
nur der — Herr Graf Wolf von Eberstein, denn er hat
Leopold gerettet!"

Es bleibt wenig mehr beizufügen. Glücklich brachte
der alte Holzer, welcher ohne Beanstandung von dem Ober-
commando der Reichstruppen einen Paffirschein für sich
und seine Begleitung erhalten hatte, Leopold auf dem uns
bekannten kleinen Wägelein durch die feindlichen Vorposten
»ach Baden.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die beiden Wölfe von Eberstein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Diez, Wilhelm von
Entstehungsdatum
um 1870
Entstehungsdatum (normiert)
1860 - 1880
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Badischer Aufstand
Versteck
Freude <Motiv>
Täuschung
Flucht
Karikatur
Saal
Liebhaber
Junge Frau <Motiv>
Schloss Eberstein <Gernsbach>
Satirische Zeitschrift
Rüstung <Schutzkleidung>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 52.1870, Nr. 1302, S. 203
 
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