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Julgardis.

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Schlüssel giebst, wirst Du von Stund' an mein trauter Buhle
sein. Der Herzog sagte mir, er woll' in dreien Tagen nach
Neuburg zum Vetter Ott reiten. So wird Haduwigis allein
sein, und ich vollführe, wessen mich gelüstet!" Und sie legte ihr
Haupt an meine Schulter, umfing mich, und wie ihr süßer
Odem meine Wange rührte, und ihrer brennenden Lippen Kuß
meinen Mund — da lieferte ich ihr sinnenverwirrt die Schlüssel
aus zu Haduwigis' Gaden, und sie ergriff sie schnell und sprang
auf und warf die Schlüssel in ihre Truhe und sperrte sie ab.
Und wie sie meine Willfährdc zur That erkannt zu haben glaubte,
nahm sic aus ihrer Hängetasche am Gürtel ein großes, güldenes
Ei, das war wie ein Sieb mit Löchern durchbrochen und mit
einem Schieber versehen; den lüpfte sie und es züngelte ein
Schlänglein heraus. Sic aber machte schnell den Schieber zu
und sprach: „Diese kleine Viper wird Alles vollbringen! Ich
will sie meiner Schwester, wenn sie schläft, in's Ohr setzen —
ein cinz'ger Stich — und Haduwigis stirbt noch in selbiger
Stunde. Und es bleibt kein Maal zurück, das uns je verriethe!
Dir aber, wenn Alles vorbei, wird Minne zu Theil, wie noch
kein Mann sic genossen! Und nun schwöre mir, daß Du schweigest
und mir helfest, Alles wohl zu vollbringen!" — Und in ihrer
Schönheit Bann verfangen, schwur ich ihr Alles zu. O Gott,
ich war tief gefallen. —

Als ich aber von ihr ging, nachdem wir Alles abgeredct,
befiel mich ob des gräulichen Vorhabens eine große Augst!
Was hatte Haduwigis mir zugefügt, daß ich so treulos an ihr
thun sollte? Und zwecn Tage und Nächte rang ich mit meinem
Gewissen. Bald Ivollt' das Verlangen nach dem Besitze der
schönen Zauberin — bald meine gute Stimme in mir obsiegen.
In der Frühe des dritten Tags aber — und am selben sollt'
Herzog Görg wcgreitcn — da irrte ich, entsetzt über mich selber,
in der Trausnitz umher. Und kam ich so in den Gang zur
Burgkapellc. Da hört' ich schon von ferne die Orgel klingen.
Und ich schlich vor und sah durch die halboffcnc Thüre, wie
Jodokus, der mich aber nicht sehen könnt', spielte. Und die
Sonne war aufgegangen und vielfarbig glühten die Fenster der
Kapelle und der Priester wandelte die Hostie und in ihrer Bct-
zellc neigte sich die fromme Haduwigis und schlug an ihre Brust.
Und Jodokus sang beim Agnus Dei:

Ob uns Allen ansgegoßen,

Die vom Lamm wir unvcrstoßen,

Ist dle ew'ge Gnade doch,

Bricht der bösen Stunde Joch.

Wenn Versuchung Dich umkommet,

Gnad' ist's, die Dir einzig frommet,

In des Lebens Drang und Pein
Wahre Dir die Seele rein.

Da plötzlich kam mir's, daß ich Julgardis' Bann über mich
zerbrechen müsse mit aller Heiligen Hilfe! Und harrte ich außer-
halb der Kapelle, bis Jodokus herauskam. Als nun der Harfner
meiner ansichtig ward, frag er mich, was ich von ihm wolle?
Ich sprach, daß ich ihm viel zu bekennen hätte; und er führte
mich auf seine Stube und hier hielt ich nicht länger an mich,
sondern Hub an zu weinen, sank zu seinen Füßen und bekannte das
ganze freventliche Vorhaben. Da beruhigte Jodokus meine Seele
mit also freundlicher Rede: „Wohl Dir, daß Du endlich Dich

losgerungen! — Wisse aber, daß Herzog Görg nicht so blind
war wie Du! Wir Beide strebten längst, Julgardis zu ent-
larven. Seit Monden verbringe ich meine Nächte als getreuer
Eckart, nimmer kennend den süßen Schlaf, damit kein Leid der
Herzogin schlummersweile widerfahre. Und treue Mannen sind
bereit, und nur fälschlich sagte der Herzog, daß er nach Neuburg
verreise, denn wir wollten einmal prüfen, ob Julgardis keinen
Anschlag wolle verüben. Hättest Du nun das Bündniß mit
dem argen Weibe, wessen wir Dich längst zeihen mochte», nicht
jetzo noch gelöset — so wäre Dir nicht wohl geschehen, nimmer
hätt' der Herzog Dein geschont! — So aber wird Dir ver-
ziehen werden! Auch Julgardis wird nicht sterbe», hat sic auch
den Tod verdient. Um König Casimirs tvillen wird sie be-
gnadet, aber mit sicherem Geleit zusammt dem Fürsten von
Podolsk aus Landesgrenzen gebracht."

Und ich ward getröstet durch diese Rede und fügte mich
in jeglich Gebot des guten Jodokus. Freute mich schon jetzt
der Tage, da mir wieder wohl sein würde, wenn diese Circe
uns verlassen hätte. Denn ihre Gegenwart wurde und blieb
mein Verderben.

Und zuletzt sprach Jodokus: „Folge mir nun zum Herzoge,
Alles reuevoll ihm zu sagen." Und mit gesenktem Haupte folgt' ich
dem guten Greise, der nicht abließ, mir Muth cinzusprechen.

VI.

Und jene böse Nacht kam. Ich ging um die elfte Stunde
zu Julgardis und sagte, nun sei ich bereit, sic hinabzugcleiten.
Und war auch der Fürst von Podolsk bei ihr; der freute sich,

daß die That geschehe» sollte. Sie aber erhob sich leise»
Schrittes und halt' schon das güldene Mord-Ei i» der Hand
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Julgardis"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Gift <Motiv>
Schlaf <Motiv>
Magie <Motiv>
Bett <Motiv>
Halbschwester
Attentat <Motiv>
Giftmord <Motiv>
Giftschlangen
Karikatur
Vorhang <Motiv>
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Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 63.1875, Nr. 1570, S. 58
 
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