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Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst-
19. Handlungen, sowie von allen Postämtern und
ZeitnngSexpeditionen angenommen.

Erscheinen wöchentlich ein Mal. Preis des Bandes

(20 Nummern) 6 Mark 70 Pf., cxcl. Porto bei IiXIII. Dd.

directem Bezüge. Einzelne Nummern 30 Pfennige.

Blauc Augen.

(Fortsetzung.)

Der Frühlingstag, so schön er auch war, schien dennoch
für den Professor Delius ein wahrer Unglückstag zu sein.
Brennekc hatte sich entfernt, der Professor hatte seine Pfeife,
die er in seinem Unwillen hatte ausgchen lassen, wieder ange-
zündet und sich wieder in die assyrische Inschrift vertieft. Da führte
die Laune des Schicksals einen Italiener mit einem Dudelsack
und einem Affen vor das Fenster des Gelehrten, und der Dudcl-
sack und der Affe und die jubelnden und schreienden Kinder,
die den Urmenschen Karl Vogt's umtanzten, machten einen Lärm,
der der Entzifferung einer Inschrift aus den Ruinen Ninive's
noch weit weniger günstig war, als das schöne Klavicrspiel
Anna's. Der Profeffor ergab sich in das Unvermeidliche, zog
ein Geldstück aus der Tasche, öffnete das Fenster und beugte
sich über die Brüstung deffelben, um dem lästigen Besitzer des
Dudelsackes, das Geld mit der Weisung, sich augenblicklich zu
entfernen, znkommen zu laffen. Bei der werfenden Bewegung,
die er dabei machte, löste sich der porzellanene Kopf vom Rohre
der Pfeife ab, und der entsetzte Profeffor sah, wie sein thcuerstcs
Kleinod erst auf einen hübschen Mädchenarm fiel, der sich ans
dem Fenster unter ihm streckte, um ebenfalls den Italiener mit
einer Gabe zu erfreuen, wie der Pfcifenkopf dann von dem
hübschen Arm abpralltc, ein Töpfchen mit Matrosen arg
beschädigte und endlich auf dem Steinpffaster der Straße in
Stücke zerbrach. Delius schloß schnell das Fenster und blickte
rathlos bald dm Fußboden des Zimmers, bald das des werth-
vollen Kopfes beraubte Pfeifenrohr und bald die noch immer
nicht enträthseltc affyrischc Inschrift an. Es kümmerte ihn

wenig, daß er die arme Anna erschreckt, daß der heiße Porzellan -
köpf den Arm des Mädchens verbrannt und die schönen Mai-
röschen zerstört hatte; nur sein Pfcifenkopf mit dem Bilde seines
Vaters, das jetzt in Trümmern auf der Straße lag und für
immer verloren war, wollte ihm nicht aus dem Sinne.

Schließlich nahm er seine Zuflucht wieder zum Glockcnzugc.
— Alsbald erschien Brennekc, der dicßmal seine Pelzmütze als
Behältniß für einen kleinen, tragbaren Imbiß benützte, denn er
kaute mit Behagen Brod und Käse, beides abwechselnd aus der
Mütze hcrvorlangend.

„Brennekc," begann der Professor, „ich mag Niemandem
etlpaS schuldig sein, am wenigste» einem Frauenzimmer. Mein
Pfcifenkopf ist mir vorhin aus dem Fenster auf die Straße ge-
fallen und hat dabei einen Roscnstock der Person, die hier unter
mir wohnt, zerstört. Da habt Ihr Geld, geht und kauft einen
anderen und bringt ihn dem Frauenzimmer, damit cs nicht
sagen kann, ich sei etwas schuldig geblieben. Ucbrigens," so
fuhr Delius nach diesen lieblosen Worten fort, „könnt Ihr
unter dem Fenster auf der Straße Nachsehen, ob vielleicht die
Stücke des zerbrochenen Kopfes sich dort vorfinden. Bringt mir
dieselben in diesem Falle sofort herauf. Verstanden?"

„Sehr wohl," cntgcgnctc Brennekc; „mandatis tuis statim
obteniperabo!"

Hier muß bemerkt werden, daß Brennekc das Gymnasium
besucht hatte, dann aber in schlechte Gesellschaft gerathcn und
ein Trunkenbold geworden war. Er war dann immer tiefer
gesunken und fristete schließlich sein Leben dadurch, daß er bei
verschiedenen Leuten kleine Dienstleistungen verrichtete. Seine
beiden besten Dienstgebcr waren Professor Delius und Anna
Stein, bei denen cs nicht viel zu ihn» gab, und die mit der
Bezahlung nicht geizten. Der Erstcrc hatte zu Brcnnekes größter
Freude diesem streng verboten, auch nur eins seiner Bücher zu
berühren, so daß, da das Zimmer des Professors mit Büchern
buchstäblich vollgepfropft war, Brennekcs Dienst lediglich darin
bestand, dem Professor das Bett in Ordnung zu bringen und
täglich eine Flasche frischen Wassers zu holen. Und Anna nahm
seine Dienste nur in Anspruch, wenn cs Holz ziz hacken oder


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