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Ein eifersüchtiger Ehemann.
seine Warum, versteckte unter einer lächelnden Miene seine
inner» Bewegungen und versprach sich im Stillen, alle Hilfs-
mittel seines Scharfsinnes anzuwenden, dicß unerklärliche Gc-
heimniß in ein Helles Licht zu bringen.
Aber der Zufall war ihm hiezu günstiger und belehrte ihn
mehr, als aller Scharfsinn eines eifersüchtigen Ehemannes. Eines
Morgens bemerkte er beim Ankleiden mit Schaudern, daß ein Knopf
fehle. Diese Abwesenheit des Knopfes — das Erstemal, daß ihm in
seinem 2 fi'z-jährigen Ehestande das passirtc— schien ihm grau-
sam bezeichnend zu sein. Er lief in das Gemach seiner Hor-
tense. — Sie war ausgegangen. Diese Gelegenheit benützte
er, alle geheimen Fächer und Schubladen in den Tischen und
Kästen seiner Frau mit ungeheurer Aufmerksamkeit auszuspüren.
Da fiel ihm plötzlich die Abschrift eines Briefes in die
Hand. Es war Hortensens Handschrift. Der Brief lautete:
„Mein Geliebter!
Wenn ich Dir schreibe, so glaube ich eine andere, reinere
Luft zu athmen; ich meine, Dein Hauch ruht auf dem Papier,
worauf ich meine Gedanken schreibe; das Summen der Fliege,
die mein Ohr umkreist, klingt mir im stillen Deingcdenken
wie ein harmonischer Ton. O hinimlisches Entzücken! Ich
darf an Dich denken und darf Dich lieb haben. Du Einziges,
was mich auf der Welt noch freuen mag. Ach, und aus
diesem Traum lvcckt mich der entsetzliche Gedanke: Ich habe
einen Mann!
Waldmann fiel bewußtlos in einen Fauteuil. Doch bald
erhob er sich zornentflammten Auges und rief: „Ich werde die
Treulose tobten!" Und er lief in den unordentlichsten Schritten
im Zimmer auf und ab. Nachdem einige Minuten dieser qual-
vollen Anstrengung verflossen waren, blieb er stehen und rief
mit einem fast inspirirten Tone: „Ich werde Beide tobten!"
Ich verschone dich, lieber Leser, mit der Aufzählung der
Qualen, die den armen Waldmann Tage und Nächte folterten.
Auf schnöde Weise getäuscht, verratheu, betrogen, blieb er doch
noch ein Mann im schönsten Sinne des Wortes. Er rief wieder:
„Ich werde Beide tödten und dann mich selbst!"
Und mit diesen finstern Mordgedanken in der Seele ging
er sofort in ein Cafo, um mit Znckerwasser sein echauffirtes Blut
zu beruhigen. Doch das Zuckerwasser that die gewünschte Wirkung
nicht. Er versuchte seine Gedanken mit Lektüre zu verscheuchen
und nahm ein Journal. Das enthielt einen Artikel: „Eine
unglückliche Liebe." Das paßte für Waldmann. In diesem
Artikel aber hieß es wörtlich:
„Mein süßes Kind!
O rede mir nicht von der Luft, die Du athmest, nicht
von dem Papier, auf dem Deine Hand ruht, nicht von dem
Summen der Fliege um Dein Ohr, nicht von himmlischem
Entzücken! Ich bin eifersüchtig auf Alles, was Dich umgibt,
auf jeden Sonnenstrahl, der auf Dein schönes Antlitz fällt,
auf jeden Windhauch, der durch Deine Locken weht, ich bi»
eifersüchtig sogar auf Deinen Gemahl! . . . ."
Das war zu viel für Waldmann. Er war wie von
Sinnen und spürte in diesem Augenblicke keinen Tropfen Blut
in sich. Es war kein Zweifel: Das war die Antwort seines
Rivalen auf den Brief, den er im Gemache seiner Frau ge-
funden. Die ganz gleiche Wahl der Ausdrücke, von der
Luft, dem Papier, dem Gedanken, der Fliege, und dann
immer zuletzt der Spott ans ihn — das Alles ließ keinen
Zweifel zu. Das war kein Zufall mehr, das mußte Wahrheit,
schreckliche Wahrheit sein.
Waldmann witterte ein schauderhaftes Geheimniß: Die
Frauen, die Liebe und der Satan, ihr ewiger Rathgeber, haben
einen unerschöpflichen Vorrath von Hinterlist, Bosheit und Heim-
lichkeit. Waldmann kam zu dem Schlüsse, daß sein Rivale ein
Feuilletonist sei, und daß derselbe im Einverständnisse mit Hor-
tense dieß originelle und neue Mittel gewühlt habe, auf alle
Briefe zu antworten, ohne Gefahr zu laufen, daß er entdeckt
würde.
Aber, wie ihn finden, diesen Rivalen? Sein Name stand
nicht im Journal; er hatte sein Werk ganz kurz unterzeichnet
mit * * *. Waldmann verfügte sich eilends in das Redaktions-
bureau dieses Journals. Nach wenigen Minuten stand er dem
Redakteur des belletristischen Theils des Blattes gegenüber.
„Mein Herr, ich heiße Waldmann!" Der Redakteur erhob
sein Haupt, betrachtete einen Augenblick die wnthentbrannte
Physiognomie seines neuen Bekannten und fing an zu lächeln.
„Ihr Blatt von diesem Morgen," fuhr Waldmann i»
gereiztem Tone fort, „enthält eine Infamie gegen mich."
Der Redakteur lächelte noch immer.
„Mein Herr, ich bitte Sie, und wenn es sein muß, ver-
lange ich es von Ihnen durch das Gericht, daß Sic mir den
Verfasser und den Schreiber der Zeilen nennen, der sich unter
den drei mysteriösen Sternen hier verbirgt." Waldmann hielt
das Blatt hin, der Redakteur lächelte nochmals. „Sie spotten
meiner noch?" rief Waldmann außer sich vor Zorn.
„Nein, mein Herr!" rief endlich der Redakteur, „ich will
Ihnen nur einen guten Rath geben, wenn Sie ihn befolgen
wollen!"
„Wohlan!"
„Der Schreiber dieser Zeilen war gerade hier. Ich bewog
ihn, Ihnen frei und offen zu gestehen, um was cs sich hier
handle. Ich bin gewiß, daß er soeben in Ihrem Hause weilt.
Eilen Sie ihm nach, umarmen Sie ihn..."
„Um ihn zu erwürgen!"
„Nein, um ihm zu danken für die Ehre, die er Ihrem
Namen gemacht hat."
Waldmann stand sprachlos vor Entrüstung. „Sind Sic
vcrheirathet, Herr Redakteur?"
„Ja, Herr Waldmann."
„Der Rath, den Sie mir geben, ist schändlich von einem
verheiratheten Manne!" Mit diesen Worten drehte ihm Wald-
mann den Rücken und ging. Doch wenn er auch den Namen
des Schuldigen nicht erfahren konnte, er wußte doch, daß er
mit Aufwand einiger Geschwindigkeit ihn noch in seiner eigenen
Wohnung, vielleicht — fürchterlicher Gedanke! — bei seiner
Ein eifersüchtiger Ehemann.
seine Warum, versteckte unter einer lächelnden Miene seine
inner» Bewegungen und versprach sich im Stillen, alle Hilfs-
mittel seines Scharfsinnes anzuwenden, dicß unerklärliche Gc-
heimniß in ein Helles Licht zu bringen.
Aber der Zufall war ihm hiezu günstiger und belehrte ihn
mehr, als aller Scharfsinn eines eifersüchtigen Ehemannes. Eines
Morgens bemerkte er beim Ankleiden mit Schaudern, daß ein Knopf
fehle. Diese Abwesenheit des Knopfes — das Erstemal, daß ihm in
seinem 2 fi'z-jährigen Ehestande das passirtc— schien ihm grau-
sam bezeichnend zu sein. Er lief in das Gemach seiner Hor-
tense. — Sie war ausgegangen. Diese Gelegenheit benützte
er, alle geheimen Fächer und Schubladen in den Tischen und
Kästen seiner Frau mit ungeheurer Aufmerksamkeit auszuspüren.
Da fiel ihm plötzlich die Abschrift eines Briefes in die
Hand. Es war Hortensens Handschrift. Der Brief lautete:
„Mein Geliebter!
Wenn ich Dir schreibe, so glaube ich eine andere, reinere
Luft zu athmen; ich meine, Dein Hauch ruht auf dem Papier,
worauf ich meine Gedanken schreibe; das Summen der Fliege,
die mein Ohr umkreist, klingt mir im stillen Deingcdenken
wie ein harmonischer Ton. O hinimlisches Entzücken! Ich
darf an Dich denken und darf Dich lieb haben. Du Einziges,
was mich auf der Welt noch freuen mag. Ach, und aus
diesem Traum lvcckt mich der entsetzliche Gedanke: Ich habe
einen Mann!
Waldmann fiel bewußtlos in einen Fauteuil. Doch bald
erhob er sich zornentflammten Auges und rief: „Ich werde die
Treulose tobten!" Und er lief in den unordentlichsten Schritten
im Zimmer auf und ab. Nachdem einige Minuten dieser qual-
vollen Anstrengung verflossen waren, blieb er stehen und rief
mit einem fast inspirirten Tone: „Ich werde Beide tobten!"
Ich verschone dich, lieber Leser, mit der Aufzählung der
Qualen, die den armen Waldmann Tage und Nächte folterten.
Auf schnöde Weise getäuscht, verratheu, betrogen, blieb er doch
noch ein Mann im schönsten Sinne des Wortes. Er rief wieder:
„Ich werde Beide tödten und dann mich selbst!"
Und mit diesen finstern Mordgedanken in der Seele ging
er sofort in ein Cafo, um mit Znckerwasser sein echauffirtes Blut
zu beruhigen. Doch das Zuckerwasser that die gewünschte Wirkung
nicht. Er versuchte seine Gedanken mit Lektüre zu verscheuchen
und nahm ein Journal. Das enthielt einen Artikel: „Eine
unglückliche Liebe." Das paßte für Waldmann. In diesem
Artikel aber hieß es wörtlich:
„Mein süßes Kind!
O rede mir nicht von der Luft, die Du athmest, nicht
von dem Papier, auf dem Deine Hand ruht, nicht von dem
Summen der Fliege um Dein Ohr, nicht von himmlischem
Entzücken! Ich bin eifersüchtig auf Alles, was Dich umgibt,
auf jeden Sonnenstrahl, der auf Dein schönes Antlitz fällt,
auf jeden Windhauch, der durch Deine Locken weht, ich bi»
eifersüchtig sogar auf Deinen Gemahl! . . . ."
Das war zu viel für Waldmann. Er war wie von
Sinnen und spürte in diesem Augenblicke keinen Tropfen Blut
in sich. Es war kein Zweifel: Das war die Antwort seines
Rivalen auf den Brief, den er im Gemache seiner Frau ge-
funden. Die ganz gleiche Wahl der Ausdrücke, von der
Luft, dem Papier, dem Gedanken, der Fliege, und dann
immer zuletzt der Spott ans ihn — das Alles ließ keinen
Zweifel zu. Das war kein Zufall mehr, das mußte Wahrheit,
schreckliche Wahrheit sein.
Waldmann witterte ein schauderhaftes Geheimniß: Die
Frauen, die Liebe und der Satan, ihr ewiger Rathgeber, haben
einen unerschöpflichen Vorrath von Hinterlist, Bosheit und Heim-
lichkeit. Waldmann kam zu dem Schlüsse, daß sein Rivale ein
Feuilletonist sei, und daß derselbe im Einverständnisse mit Hor-
tense dieß originelle und neue Mittel gewühlt habe, auf alle
Briefe zu antworten, ohne Gefahr zu laufen, daß er entdeckt
würde.
Aber, wie ihn finden, diesen Rivalen? Sein Name stand
nicht im Journal; er hatte sein Werk ganz kurz unterzeichnet
mit * * *. Waldmann verfügte sich eilends in das Redaktions-
bureau dieses Journals. Nach wenigen Minuten stand er dem
Redakteur des belletristischen Theils des Blattes gegenüber.
„Mein Herr, ich heiße Waldmann!" Der Redakteur erhob
sein Haupt, betrachtete einen Augenblick die wnthentbrannte
Physiognomie seines neuen Bekannten und fing an zu lächeln.
„Ihr Blatt von diesem Morgen," fuhr Waldmann i»
gereiztem Tone fort, „enthält eine Infamie gegen mich."
Der Redakteur lächelte noch immer.
„Mein Herr, ich bitte Sie, und wenn es sein muß, ver-
lange ich es von Ihnen durch das Gericht, daß Sic mir den
Verfasser und den Schreiber der Zeilen nennen, der sich unter
den drei mysteriösen Sternen hier verbirgt." Waldmann hielt
das Blatt hin, der Redakteur lächelte nochmals. „Sie spotten
meiner noch?" rief Waldmann außer sich vor Zorn.
„Nein, mein Herr!" rief endlich der Redakteur, „ich will
Ihnen nur einen guten Rath geben, wenn Sie ihn befolgen
wollen!"
„Wohlan!"
„Der Schreiber dieser Zeilen war gerade hier. Ich bewog
ihn, Ihnen frei und offen zu gestehen, um was cs sich hier
handle. Ich bin gewiß, daß er soeben in Ihrem Hause weilt.
Eilen Sie ihm nach, umarmen Sie ihn..."
„Um ihn zu erwürgen!"
„Nein, um ihm zu danken für die Ehre, die er Ihrem
Namen gemacht hat."
Waldmann stand sprachlos vor Entrüstung. „Sind Sic
vcrheirathet, Herr Redakteur?"
„Ja, Herr Waldmann."
„Der Rath, den Sie mir geben, ist schändlich von einem
verheiratheten Manne!" Mit diesen Worten drehte ihm Wald-
mann den Rücken und ging. Doch wenn er auch den Namen
des Schuldigen nicht erfahren konnte, er wußte doch, daß er
mit Aufwand einiger Geschwindigkeit ihn noch in seiner eigenen
Wohnung, vielleicht — fürchterlicher Gedanke! — bei seiner