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Unter der Lawine.

Bedienung bestand in dem alten Gregory, dem steifen bockbeinigen
Kammerdiener des Lords, der während seiner dreißig Dienst-
jahre mit seinem Herrn verwachsen war, wie die Auster mit
der Klippe, und sich in dessen rvliims hineingelebt hatte, als
wären es seine eigenen. Miß Amely hatte gelernt, sich ohne
den Beistand ihrer Kammerjnngfer anzuziehen und sogar zn
kämmen, was eine Pfefferkrämerstochter wahrscheinlich nicht im
Stande gewesen wäre.

Einige Tage nach Neujahr passirten die englischen Herr-
schaften und ihr alter Diener den Brüuig, langten glücklich in
Meiringen an und kehrten, da das Hütet Reichenbach im Winter
geschlossen ist, im „Wilden Mann" ein. Eine englische Familie,
! die mitten im Winter hergeschneit kommt, ist für die Wirthe des
I Berner Oberlandes ein seltenes und erwünschtes Fressen. Bald
waren die besten Räume des Hauses für die unerwartete»
Gäste wohnlich eingerichtet.

Unsere Reisenden hatten es gut getroffen. Während sich
über das breite Thal zwischen Jura und Alpen ein bleigrauer,
naßkalter Nebel gelagert hatte, wie ihn London kaum dichter
aufzuweisen im Stande gewesen wäre, herrschte im Alpengebiet
das schönste Wetter. Schneeweiß gleich Zuckerhüten ragten die
Gipfel der Berge in den tiefblauen Himmel. Auch die Abhänge
und Thäler hatten die Winterdecke über die Ohren gezogen und
jede der dunkelgrünen Tannen, die an den steilen Halden Wache
hielten, hatte ihren mit Hermelin verbrämten Mantel nmge-
than. Der Reichenbach, der in gewaltigen Sätzen sich schnaubend
von der schwindelnden Höhe herunterschlang, übersäte seine gähen
Ufer mit lauter glitzernden Eisdiamanten vom schönsten Feuer,
so daß Büsche und Sträucher aussahen, als wären es lauter
angezündete Christbänmchen. —

Nachdem Lord Waterstone seine Forellen und sein Rostbeef sich
zu Gemüthe geführt hatte, ließ er den Wirth vor sich erscheinen.

„Ich uill nach Grindeluald."

Der Wirth nahm den Wunsch seines Gastes in devotester
Weise entgegen, wenngleich er ihn lieber noch einige Tage ver-
pflegt hätte. „Sehr wohl, mein Herr! Ich werde Ihnen
einen Wagen besorgen. Vielleicht ziehen es jedoch die Herr-
schaften vor, im Rennschlitten zu fahren. Die Schneebahn ist
ausgezeichnet."

„Ich nill nicht einen Wagen und nicht einen Rennthier-
schlitten. Ich uill nach Grindeluald über das Berg."

Die Wirthe des Berner Oberlandes sind es zwar gewohnt,
sich über gar nichts zu verwundern. Dennoch erlaubte sich der
Wildemaun-Wirth eine Bemerkung:

„Doch nicht mit dieser jungen Dame?"

„Ich uill über das Berg mit this young lady — yes!"

Und dabei blieb's.

Eine Winterpartie von Meiringen über Rosenlaui und die
i große Scheideck nach Grindelwald ist selbst für die Eingebornen
j keine Lustpartie. Als der Wirth zum „Wilden Mann" die Sache
I mit einigen der älteren und bewährtesten Bergführern besprochen,
schüttelten dieselben bedenklich die verwitterten Häupter. Einer
meinte, an dem alten, närrischen Kauz wäre am Ende nicht
so viel gelegen; aber die bildhübsche Jungfer, welche ausschaue

wie der liebe Tag, in augenscheinliche Todesgefahr zu führen,
das könne er nicht über sein Gewissen bringen. Der Andere
sagte kurz und gut, er habe keine Lust, seine eigene Haut zu
Markt zu tragen, die sei ihm keineswegs feil, selbst um so
und so viele Pfund nicht.

Als der Wirth das Resultat dieser Besprechung dem Lord
mittheilte, erwiderte dieser lakonisch: „Ich nill über das

Berg, — yes."

Vielleicht war der alte, bockbeinige Kammerdiener zugäng-
licher; aber auch seine Antwort lautete: „Wir uolleu über das
Berg, — yes."

„Da werde ich den wilden Hans in Anspruch nehmen
müssen," brummte der Wirth zwischen den Zähnen.

Noch am nämlichen Abend wurde» die Vorbereitungen zur
winterlichen Alpenreise getroffen. — Drei Pferde wurden zum
Hufschmied geführt, der ihre Eisen zum Gang über das Eis
schärfen mußte. Eine große brannlederne Waidtasche füllte der
Wirth mit angemessenem Proviant. Nebst dem wilden Hans
sollten noch drei Pferdeführer und ein Proviantträger an der
Expedition theilnehmen.

ll.

Der wilde Hans war erst seit kurzer Zeit i» die Genossen-
schaft der Bergführer anfgenomme» worden. Aber er hatte sein
Examen außerordentlich gut bestanden. Auch gehörte er zu den
verwegensten Steigern und kecksten Gemsjägern. Wenngleich
weder groß von Statur, noch von starken Glieder», zählte man !
ihn doch zu den besten Schwingern und Ringern. Er hatte ,
Muskeln wie Stahl, Augen scharf wie die des Adlers,
einen braunen Krauskopf und meist ein schalkhaftes Lächeln um
den Mund.

x
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Titel/Objekt
"Unter der Lawine"
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Fliegende Blätter
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G 5442-2 Folio RES

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München

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Wanderführer <Person>
Karikatur
Wandern
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Fliegende Blätter, 63.1875, Nr. 1586, S. 186
 
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