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Unter der Lawine.

ihren großen Kinderaugen zn betrachten. Ein stilles entzücktes
Lächeln der Bewunderung übergoß ihr zartes Gesichtchen. Um
so finsterer waren die wettergebrüunten Züge des wilden Hans
plötzlich geworden. Fortwährend spähte er bald rechts, bald
links, bald nach dem Himmel, bald nach den dräuenden Zacken
des Wellhorns und der Wetterhörner. Fortwährend mahnte er
| die Pferdetreiber zur Eile.

Jetzt ging es plötzlich wieder steil aufwärts. An der gegen
Norden sich senkenden Halde, die erklommen werden mußte, war
der Schnee noch hart. Bald war man auf dem Rücken der
großen Scheideck angelangt.

III.

„Es gibt Unwetter," sagte der Knecht, der während des
Winters das verlassene Gasthaus auf dem hohen Gebirgskamm
| zu bewachen hatte.

„Es gibt Unwetter," sagten die Pferdetreiber und be-
j trachtete» den Pfad, der in südwestlicher Richtung nach Grindel-
wald hinunter führt. In den Schluchten der Wetterhörner
I knallte es dumpf, Schlag auf Schlag.

„Uas sind das für Kanonenschuß?" fragte der Lord.

„Das sind keine Kanonenschüsse, es ist das Krachen der
Gletscher," entgegnete der wilde Hans. „Der Föhn ist oben
los und wird sich bald in's Thal hinnnterstürzen. Entweder
müssen wir uns hier im verlassenen Gasthof einquartieren und
abwarten, bis das Unwetter vorbei, oder wir müssen mit größter
Eile uns auf den Weg machen, um vor dem Föhn unten an-
! zulangen!"

„Uie ueit ist bis Griudeluald?"

„Ein geübter Berggänger braucht bei gutem Weg und
I Wetter keine zwei Stunden. Aber der Schnee ist weich ge-
worden. Wir werden uns der Reitthiere kaum mehr bedienen
können und weder Sie, noch die junge Dame dürften es ge-
wohnt sein, bei weichem Schnee Fnßpartieen im Gebirge zu
machen. Unter zwei Stunden wird's dießmal nicht gehen."

Lord Waterstone betrachtete mit bedenklichem Blick das un-
gemüthliche Haus mit den geschlossenen Fensterladen und dem
steinbelasteten Schindeldach. „Das hier ist sehr viel nicht

j komfortabel, — uir uollen gehen nach das Griudeluald — yes!"

„Nun aber so schnell als möglich," mahnte Hans. Die
Pferde und ihre Treiber wurden abgedankt und ausbezahlt.
Dem Proviantträger »ahm Hans die braunlederne Waidtasche
j ab und schickte ihn, nachdem er ihm eine geheime Instruktion
i in's Ohr geflüstert, voraus. Dann wurden der Lord, Miß

! Amely uud Gregory mit tüchtigen Bergstöcken bewaffnet, und
j vorwärts gings dem Thale zu. Fort und fort erdröhnte der
| Geschützdonner der berstenden Gletscher. Von oben, von den
höchsten Gipfeln der Wetter- und Schreckhörner her, ließ sich
ein unheimliches Brausen, der Brandung eines stürmischen
Meeres ähnlich, hören. Den erst noch tiefblauen Himmel be-
deckte nun ein graugelber Dunst. Strahlenlos, einer rothen
Scheibe vergleichbar, stand die Mittagsonne über dem Metten-
! berg. Noch regte sich kein Lüftchen.

Nur langsam ging es durch den weichen Schnee, in

s welchen die Reisegesellschaft bei jedem Schritt bis zu de» Knieen

versank. Lauter und lauter, näher und näher ertönte zu
Häupten der winterlichen Touristen das dumpfe Getöse.

„Uarnm thut das Berg so roar?" frag der Lord.

„Das ist der Föhn," war die Antwort.

Der Hinimel war indessen ganz bleigrau geworden. Schier
weinend schleppte sich Miß Amely an der Hand des wilden
Hans auf dem unwegsamen Pfad.

„Math, Muth, mein Fräulein! Noch ein Viertelstündchen
und das Gefährlichste ist überstanden."

Aber ein Viertelstündchen dauert unter Umstünden eine
halbe Ewigkeit. Es war erst ein ganz kleiner Theil desselben
verstrichen. Man befand sich eben an einer steilen, zur Sommers-
zeit mit Gras bewachsenen, jetzt mit Schnee bedeckten Halde.
Da ließ sich plötzlich vom Schreckhorn her ein dem Grollen des
Donners ähnliches, alles andere Getöse weit übertönendes Ge-
räusch hören.

„Uas thut so brumm?" frug der Lord.

„Mir nach, wem das Leben lieb ist," war die Antwort
des wilden Hans, welcher, rasch entschlossen, die junge Miß auf
den Arm nahm und mit derselben einem Heustadel zueilte,
welcher sich an einem aus dem Abhang herausgewachsenen ge-
waltigen Felsblock anlehnte. Jnstinktmäßig folgten der dicke
Lord und sein treuer Diener.'

Es war nicht anders, als ob die Welt unterginge. Ein
Krachen und Donnern, als ob das Alpengebirge zusammenstürze.
Dazu urplötzliche ägyptische Finsterniß. Nach wenigen Augen-
blicken Stille des Todes. Eine Lawine hatte die Reisenden
! begraben.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Unter der Lawine"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Fremdbild
Gebirge <Motiv>
Tochter <Motiv>
Diener
Wanderstock
Sturm <Motiv>
Wandern <Motiv>
Gewitter <Motiv>
Alpen
Wanderführer <Person>
Engländer
Lord
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 63.1875, Nr. 1587, S. 194
 
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