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In der Luft.

Eine Herzens- und Schmerzensgeschichte.

(Schluß.)

Selbstverständlich wcir Josua nicht wenig frappirt von der
Zumnthung, er solle die nächste Luftfahrt mitmachen! Im
Anfänge hielt er die Sache siir einen lustigen Einsall, und er
entschloß sich, darüber zu scherzen. Als aber nicht mehr zu
verkennen war, daß cs Lorc's vollkommener Ernst war, da
sträubte sich Alles in ihm dagegen; ja wenn er daran dachte,
fühlte er sogar seine Haare sich emporsträuben. Mehrmals war
er bereits so weit, daß er seine Sachen in die Koffer packen
wollte, um kurz und gut die Stadt zu verlassen und seine
Beziehungen zu der kleinen Wctterhcxe abzubrechen. Aber immer
iviedcr erfaßte ihn seine unglückselige Neigung zu Lore mit
erneuter Gewalt, und so kam cs endlich, daß Herr Josua sich
mit einer wahren Verzweiflungs-Energie zu dem Wagstück ent-
schloß. An einem der nächsten Tage erschien denn der arme
Verliebte in dem Raume, der zur Auffahrt bestimmt war. Er
war bleich, und seine Wangen hingen schlaff herab. Scharfe
Beobachter wollten ein leises Frösteln an ihm bemerkt haben.
Er hatte, obwohl es wärmstes Wetter war, seinen Reiscpclz von
echtem Zobel mitgenommen, weil ihm wirklich kalt war, und
er in den höheren Luftschichten auf großen Frost rechnen zu
müssen glaubte. Außerdem war er mit einem riesigen Doppel-
pcrspektiv versehen, aber wohl nur zum Scheine, denn er wußte
nur zu gut, daß er keinen Blick aus der Gondel hinanszuthun
sich vorgeuommcu hatte, und zwar ans Furcht vor Schwindel.
An einer Schnur hing ihm eine kolossale Cigarrentasche. Ihr
Inhalt war bestimmt, ihn in eine beständige Rauchwolke zu
hüllen, um so wenig als möglich von dem ungeheueren Äther-
meere zu sehen. Sein Hut war um's Kinn mit einem Riemen
scstgcschnallt, außerdem war er noch mit anderen Riemen in
der Hand versehen, über deren Zweck sich Niemand klar werden
konnte. Aber als er ans ein gegebenes Zeichen mit einem
tiefen, tiefen Seufzer und einem schmerzlich-vorwurfsvollen Jammer-

Bon Di-, pürjrotl).

blick auf die anwesende „böse Lore" in die Gondel stieg, flüsterte
er dem Luftschiffer etwas zu, worauf dieser lächelte und seinen
Mitreisenden, offenbar aus dessen Wunsch, mit dem Lederriemen
mehrfach an die Gondel schnallte. Diese Prozedur rief im
Publikum allgemeines Gelächter hervor. Josua hätte weit lieber
in die Erde sinken, als in die — Luft fahren mögen.

Endlich erhob sich der Ballon, die Stricke, die ihn noch
hielten, wurden losgelassen, und stolz hob sich das Luftfahrzeug.
Beifall begleitete die Reisenden, während Josua leise murmelte:
„Der Teufel soll Euch Alle da unten holen!" — Bisher war
der Lustschisfer sehr freundlich gewesen, aber je höher sic kamen,
je stnsterer ward sein Gesicht! Immer mehr zog er seine Stirne
in drohende Falten und seine Augen rollten unheimlich in ihren
Höhlen. Natürlich war Josua nicht lvenig bestürzt über diese
unverkennbare Veränderung, die mit dem Lustschisfer vorgegangen
war. Seine Beängstigung ward immer mehr gesteigert, als
sein Luftsührer gar keine Notiz von ihm nahm. Ans einmal'
wandte sich der Aeronaut mit den sonderbaren Worten an ihn:
„Mein Herr, hängen Sie sehr am Leben?" Josua war über
diese Frage total perplex. Die hämische, dämonische Art, mit
der sic vorgebracht worden war, hatte den armen Josua über-
zeugt, daß der Luftschiffer plötzlich verrückt worden sei. Josua
vermochte vor Entsetzen kein Wort hervorzubringen. — „Sehen
Sie die schwarze Wolke über uns?" srug ihn nach einer schreck-
lichen Pause der Lustschisfer. Josua vermochte nur mit dem
Kopfe zu nicken. „Das ist eine stark geladene Gewitterwolke!"
fuhr der Aeronaut mit fürchterlicher Ruhe fort; „in die Wolke
fahren wir direkt hinein!" Josua sah ihn starr an, als wäre
er soeben vom Blitze getroffen worden. „Aber da ... können
wir ja . . . elend zu Grunde gehen!" stammelte er endlich.—
„Und was liegt daran?" cntgegnctc ihm der Andere mit frostigem
Höhn. — „Erlauben Sic", fuhr Josua aus, „mir liegt sehr

viel daran!." — „Bedauere! Jetzt ist cs zu spät!"

brummte der Lustschisfer, — worauf er Josua's Pelz aus der
Gondel warf. „Er ist unnöthig und zu schwer", erklärte er.
— „Mein kostbarer Zobclpelz!" jammerte Josua leise. Nun
warf der Lustschiffcr mehrere Sandsäcke aus, woraus der Ballon
sogleich rapid höher stieg. „Um Gotteswillcn!" schrie Josua,
„wir steuern ja direkt in die Wolke!" — „Das will ich ja!"
antwortete ruhig der Andere und machte Miene, die Gondel
noch weiter zu erleichtern. Das war dem armen Mitreisenden
zu viel. Er wollte ausspringen und mit seiner überlegenen Kraft
den Verrückten bändigen, aber er konnte nicht, — denn er war
unglücklicher Weise scstgcschnallt! — „Aber", begann hier mit
aufgeregter, bebender Stimme der Aeronaut, „aber ich halte
mich doch verpflichtet. Ihnen zu sagen, warum ich den Tod
suche. Ich liebe ein Mädchen; sic kann aber nicht die Meine
werden, weil mir nach der Bedingung des Tyrannen von einem
Vater ein Vermögen von 10,000 Thlrn. fehlt. Ohne ihr
sterbe ich lieber!" — „Ich mische mich nicht in Ihre werthen
Angelegenheiten", wagte Josua zu erwidern, „aber wie komme
I ch dazu, mit Ihnen zu sterben, der ich gestern noch gar nicht
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"In der Luft"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1882
Entstehungsdatum (normiert)
1877 - 1887
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 76.1882, Nr. 1909, S. 66
 
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