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Die fainosc Fclddicnstübung.

welcher das Westkorps kommandirt. — „Major Kreuzschnabel!"
ruft er schon von Weitem, „der Herr General läßt fragen, ob
Sic vom Teufel besessen seien! Machen Sie, das; Sie zurück-
kommen, oder markiren Sie wenigstens die Auslösung. Von
Ihrem ganzen Bataillon könnte ja kaum noch ein Glied zucken!"

„Könnte? Jawohl. Wcnn's nach dem „könnte" ginge,
dann zuckte auch an dem alten Kreuzschnabel schon längst kein
Glied mehr. Vorwärts, Kinder! Zeigen wir denen da drüben,
daß wir noch ganz barbarisch zucken können!"

In eine lange Feuerlinie aufgelöst, stürmten meine braven
Jungens vorwärts, und Allen voran — ich mußte cs rühmend
bekennen — der Pclikanschnabcl des Schusters Wichshuber.

„Aber, bester Kreuzschnabel", nahm der Hauptmann von
Bargstedt, welcher jetzt unmittelbar vor mir hielt, das Wort,
„so nehmen Sic doch Vernunft an, Sic müssen doch die
Hypothesen des Ernstgefechtes in Erwägung —"

„Ich pfeife was auf Ihre Hypothesen des Ernstgefechts,
Hauptmann von Burgstedt! Verstehen Sic mir? Die Hypothesen
des Ernstgefechts sind, daß von Ihren vertrackten blauen Bohnen
nicht eine einzige getroffen hätte, und daß, wenn sie getroffen
hätten, mir immer noch eine Hand voll Leute geblieben wäre,
um Sie mit sammt Ihrem Wcstkorps geradewegs in die Hölle
zu jagen. „Vorwärts, Leute! Tambour battant! Zur Attake!
Gewehr rechts!"

Der Hanptmann hatte genug. Er jagte zurück, und wie
ein ungeheuerer Wetterwolkcnschwarm brausten die feindlichen
Cohorden heran. — „Zurück, Major, zurück! zurück!" riefen
mehrere Offiziere.

„Der Teufel soll mich zum Hufschmied für seine Pfcrde-
lcndc degradircn, wenn ich's thue. Fällt das Gewehr! Marsch!

— Marsch! Hurrah!"

„ Hurra — a—ah! hurra—a—a—ah!" klang cs wie
Donnergeheul aus den Kehlen meiner Grenadiere, und jetzt —
standen die Parteien auf Gewehrlänge einander gegenüber und
schossen in blinder Wuth sich gegenseitig die Platzpatronen in
die aufgesperrtcn Rachen. Und dann erklangen mörderische
Aufschreie, untermischt mit Flüchen und Verwünschungen. Gleich-
zeitig ertönte auf der ganzen Linie das Signal „Gewehr in
Ruh'!" und unmittelbar darauf „das Ganze — sammeln!"
Sämmtlichc Hornisten auf dem Manöverterrain nahmen cs auf
und pflanzten cs weiter. Ich aber sah mit Entsetzen, welchen
tragischen Ansgang die famose Felddicnstübung genommen hatte,

— eine unabsehbare Reihe von bluttriefenden Nasen und
Mäulern. So harmlos die Platzpatronen des Zündnadclgcwchrs
an und für sich sind, hatten sie doch in dieser unmittelbaren
Nähe ein Unglück angerichtet. Viele von den Papphülsen waren
cingeschlagen und hatten Verwundungen zur Folge gehabt, die
man allerdings wohl als leichte bezeichnen konnte, die aber doch
eine mehrtägige Schonung der Betroffenen bedingten.

Was nun kommen mußte, das wußte ich, und es kam
denn auch. Der Erste, welcher mit wüthenden Blicken auf mich
losstürmte, war der General von Zwickmühl, welcher das West-
korps kommandirte, und dem ich den ganzen wohldnrchdachtcn
Operationsplan über den Hausen geschossen hatte. „Schöne

Geschichten, Major!" rief er schon von Weitem, „schöne Ge-
schichten ! Da. . . sehen Sie, was Sic angerichtet haben? Sie
müssen doch geradezu vom Teufel besessen sein, daß Sic mit
einer Hand voll Leute, die bereits krumm und lahm geschossen
sein mußten, sich einer zehnfach stärkeren Ucbcrmacht cntgegcn-
wcrfcn? Werden gut thun, sich ans dem Staube zu machen.
Hoheit haben zwei Mal gefragt, wer der Satanskerl sei, der
das Detachement bei Knifflingshauscn kommandirt. Unerhört!
Major, wirklich unerhört!"

Und dann kam auch unser Rcgimentskomniandcur und
fuhr in seiner schnellen bestimmten Redeweise folgendermaßen
ans mich ein: „Nun, Major Kreuzschnabel! Was geschehen ist,
ist geschehen, und kein Teufel kann's ändern! Haben meinen
Befehl, auf das Gros zurückzugehen, sobald Sic angegriffen
würden, nicht befolgt, und müssen daher die Consequenzen Ihres
eigenmächtigen Verfahrens tragen. Warten Sic die Kritik Seiner
Hoheit ab und melden Sic sich dann bei Seiner Hoheit als
im Arrest. Die Entscheidung über den Fall wird sich jedenfalls
das Generalkommando Vorbehalten. Thnt mir Leid, Major
Kreuzschnabel!"

Daß mir nicht wohl bei der Geschichte war, kann man
sich denken. Nichtsdestoweniger beschloß ich im Stillen, keine
Angst zu zeigen, sondern trotzig und mannhaft meinen Wider-
sachern entgegen zu treten. „Bitte um Entschuldigung, Herr
Oberst", sagte ich also, indem ich die Rechte an den Helm
legte, „das ganze Stratcgiren, Opcriren und Manövcrircn ist
für die Katze. Es gibt nur einen Grundsatz, den man zu be-
folgen hat, und mit dem man unter allen Umständen zurecht
kommt. Dieser Grundsatz lautet: Sobald man den Feind sieht,
geht man auf ihn los und —"

„Schießt einem ganzen Bataillon die Freßorgane zusammen!
Jawohl, Major Kreuzschnabel, das ist ein vortrefflicher Grund-
satz, und ich wünsche Ihnen, daß Sic damit zurecht gekommen
sein mögen!" — Er wandte sich ab, und nun suchte bald
dieser, bald jener Offizier unter irgend einem Vorwand in
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die famose Felddienstübung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nagel, Ludwig von
Entstehungsdatum
um 1882
Entstehungsdatum (normiert)
1877 - 1887
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 76.1882, Nr. 1918, S. 138

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