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154

Die neuen Hosen.

Europäer, und befohlen. Dir eine Hose anzufcrtigcn. Soeben
naht der Hofschncider, dieselbe zu übcrb ringen."

Das Antlitz des Prinzen erhellte sich sichtlich; er betrachtete
die dargebotene Hose aufmerksam und legte sic an. Erfreut
über die ungewohnte Tracht und die schönep, vollen Waden,
trat er schmunzelnd vor den Spiegel.

„Yan, wie gefalle ich Dir?" — „O mein Herr und
Gebieter, Du strahlst wie das Licht der großen Sonne!" —
„Yan, meine Beine sind schöu?" — „O Herr, wer anders
kann sich solcher Beine rühmen, so schlank, so schmuck!" —
„Und meine Füße?" — „So klein, Herr, als ob sic der
zartesten Frau angchörten." Ein wohlgefälliger Blick lohnte ihn.

„Yan, hole meine Minister!"

Der Prinz konnte sich nicht satt sehen im Spiegel, drehte
und wandte sich, immer sein Ebenbild dort im Glase verliebt
betrachtend. Endlich kamen die Minister und warteten in ge-
bückter Stellung auf den Wink des Herrn.

„Minister, blicket ans, wie gefalle ich Euch?"

Da gab cs denn ein „Ah!" und „Oh!", ein Verneigen
und Schmunzeln, Kopf- und Zopfschüttcln, das; der Prinz
genügend von ihrem Staunen überzeugt war. Befriedigt befahl
er: „Und nun meine Frauen!"

Die Minister entfernten sich, und seine Hoheit hatte Zeit,
die Bequemlichkeit der neuen Kleidung zu prüfen, indem er vor
dem Spiegel wilde Sprünge anstclltc, die Beine hob und
senkte — auch diese Probe siel zur vollen Befriedigung ans.

Da werden die kleinen geschminkten Dämchen auf Sesseln
herbeigetragcn und in ihrer Rangordnung ausgestellt. Sofort
erhob sich ein Schnattern und Schwatzen und alle waren entzückt
von der neuen, kleidsamen Tracht. Nur Eine saß nachdenklich
da — das ivnr die erste Frau seiner Hoheit.

„Schatz, was fehlt Dir? Was hast Du an der Hose
ausznsetzen?" — „Mein Gebieter, ich weiß nicht, was cs ist,
aber Etwas ist an der Hose nicht recht."

Leise Falten kräuselten sich auf der Stirne des Prinzen.

„Ich muß mich nur besinnen — so, Herr, drehe Dich
rechts, links, und min stelle Dich vor mich — halt! jetzt Hab'
ich's!" — „Nun?" — „Die Hose ist krumm!"

Betroffen sah der Prinz auf die Sprecherin, dann in den
Spiegel. Richtig — da wnr's deutlich zu sehen, die Hose
war krumm. Wie von einer Schlange gebissen, fuhr er ans
den zitternden Haushofmeister. „Vermaledeiter Lügner! Du
sollst meine Rache fühlen. Du und vor allem der Schneider!"

Der Arme schwamm in Thränen und bat um Gnade.
Endlich ließ sich der Prinz besänftigen und befahl, das; der
Schneider bei Todesstrafe sofort eine neue, gerade Hose un-
fertigen solle.

Am folgenden Tage wurde die neue Hose vor den Prinzen
gebracht; doch mit furchtbarer Wnth bemerkte er, das; auch
diese Hose krumm sei und befahl in seinem Zorne die Hin-
richtung des Frevlers. Jetzt wurde bei einem anderen Kleider-
macher eine Hose bestellt, und als auch diese sich als krumm
herausstellte, raste der Prinz und gebot allen Schneidern der Haupt-
stadt, ihm bei Verlust des Lebens eine gerade Hose zu liefern.

Der gestellte Termin nahte heran. Und siche da! Jede
der gelieferten Hosen hatte das alte Nebel. Jetzt sollte ein
Exempel statuirt werden und die Hinrichtung sämmtlicher
schuldiger Schneider wurde anbefohlen.

Grollend und Wnth schnaubend sandte der Prinz zum
Hofastronom und lies; um Aufklärung dieses seltsamen Be-
gebnisses fragen.

Am anderen Morgen nahte sich ihm ehrfurchtsvoll der
Greis. „Prinz", Hub er an, „ich habe in den Sternen gc-
lesen und der Götter Geheimnisse entziffert. Und da stand cs
geschrieben: nicht die Hosen, mein Prinz, sondern Deine Beine
sind krumm."

Entsetzt fuhr der Prinz zusammen. Was? Seine schönen
Beine krumm? „Die Götter lügen!" schrie er und ries den
Leibarzt. Mit trauriger Miene mußte dieser die Aussage des
Wahrsagers bestätigen.

Da warf der Prinz alle Hosen, die ihm ciugelicfcrt ivarcn,
auf einen Scheiterhaufen zusammen. Dann zog er Ivicder seine
Röcke an und schmauchte ans dem Teppich seine Pfeife.

Kindes-Klage.

„Maxerl, lvarum weinst Du denn?" — „„Ach, der Vater
hat mich gehaut!"" — „Ja, warum denn schon wieder?"-"
„„Er behauptet, ich hätte lviedcr so viel Fehler im Rechtschreibcn
gemacht."" —„Nicht möglich!" — „„Das mein' ich auch.. . Ach,
wenn nur der Vater nicht immer der Gescheidtcre sein wollt'!""
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Kindes-Klage"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bechstein, Ludwig
Entstehungsdatum
um 1882
Entstehungsdatum (normiert)
1877 - 1887
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 76.1882, Nr. 1920, S. 154
 
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