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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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Hans-Herbert Möller

Renaissance in Wolfenbüttel —
Zum künstlerischen Umfeld der Hauptkirche
Beatae Mariae Virginis
und zur Kontinuität ihrer Restaurierung

Wolfenbüttel ist um die Wende vom 16. zum 17.
Jahrhundert eine der bedeutendsten deutschen Re-
sidenzen gewesen. Dem verhältnismäßig kleinen
Land war unter drei Fürsten eine Blütezeit be-
schert, die in Deutschland damals ihresgleichen
suchte.
Nach den Verwüstungen, die die Ereignisse des
Schmalkaldischen Krieges Stadt und Land zuge-
fügt hatten, war es zunächst Herzog Heinrich d.J.
gewesen, der — noch im alten Glauben verwurzelt
— den Auf- und Ausbau von Schloß und Festung,
auch der Stadt Wolfenbüttel betrieb, den sein Sohn
Julius nach seinem Regierungsantritt (1568) in ge-
ordnete Bahnen zu lenken wußte. Hierzu war er
durch die Vergrößerung seines Herrschaftsgebietes
um Hoya, Calenberg und Göttingen sowie Teile
des Großen Stifts Hildesheim auch in der Lage;
denn nun ließen sich Baumeister aus benachbarten
Ländern, insbesondere Hessen und den Niederlan-
den zu Rate ziehen oder in Dienst nehmen. Mittels
eines großzügigen Stadtbauprogramms und einer
ergänzenden Feuerordnung konnte er die Grund-
lagen schaffen für die noch heute die Altstadt Wol-
fenbüttel bestimmende Grundstruktur.
Mit der Einführung der Reformation (1568)
hatte Herzog Julius sein Land und seinen Hof
neuen Zeitströmungen, aber auch neuen geistlichen
Bewegungen geöffnet und in der Konsequenz
schließlich sogar eine Hochschule ins Leben geru-
fen, die 1576 im Grauen Hof der Zisterzienser in
Helmstedt ihre Arbeit aufnahm. Unter seinem
Sohn und Nachfolger, Herzog Heinrich Julius,
entstand schließlich in Helmstedt das erste deut-
sche Universitätsgebäude der Neuzeit. Baumeister
war Paul Francke, der zuvor im fürstlichen Schloß
Hessen (am Großen Fallstein) in herzoglichen
Diensten tätig gewesen war und der nun offiziell
neben den bisherigen fürstlichen Bauverwalter
Philipp Müller trat.
Beide Namen machen die Breite der künstleri-

schen Beziehungen und Einflüsse deutlich, die nun
in Wolfenbüttel wirkten. Philipp Müller kam aus
Kassel, wo sein Vater Christoph als „Baumeister
und Hofschreiner“ im Dienst des Landgrafen Wil-
helm an Kanzlei, Marstall und Zeughaus tätig ge-
wesen war und von wo er auch den Wiederaufbau
des Residenzschlosses Darmstadt (nach 1567) be-
trieben hatte. Dann war er gemeinsam mit seinem
Sohn Hans Bauleiter eines der bedeutendsten
Schloßbauten der deutschen Renaissance gewor-
den, des vierflügeligen Sommerschlosses Wil-
helmsburg, das Landgraf Wilhelm IV. sich ober-
halb der hessischen Exklave Schmalkalden errich-
ten ließ. Stattliche mehrgeschossige Zwerchhäuser
mit reichem bildnerischem Zierat, die 1820 verlo-
rengingen, und prachtvolle Portale an den Tor-
durchfahrten, aber auch die hervorragende künst-
lerische Ausstattung der Säle und der Schloßka-
pelle brachten die entwerfenden Architekten mit
Kunsthandwerkern hohen Ranges in Verbindung,
insbesondere Malern und Stukkateuren, von denen
der auch als Architekt und als Leiter der Hofbild-
hauerwerkstatt tätige Wilhelm Vernuken über-
regionale Bedeutung besaß: Vernuken hatte den
niederländischen Florisstil in Kassel durchgesetzt,
was wenig später Hans Vredemann de Vries in
Braunschweig und Wolfenbüttel gelang.
Der verantwortliche Baumeister Christoph
Müller hatte nicht nur in Kassel bei Graf Rochus
von Lynar gelernt, der seinerseits zwischen 1578
und 1584 als beratender Festungsbaumeister in
Wolfenbüttel auftauchte und über den sich wie-
derum Verbindungslinien zum Kurfürsten von
Brandenburg, aber auch nach Kursachsen und An-
halt herstellen lassen. Christoph Müller hatte 1586,
wie schon vor ihm der Architekturtheoretiker Da-
niel Speckle, dem wißbegierigen Herzog ein eige-
nes Werk über die Säulenordnung übersandt.
Der Schloßbau der Wilhelmsburg hat am Ende
des 16. Jahrhunderts in Schmalkalden ein künst-

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