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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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Martin Seebass

Die Geschichte der Orgel
in der Hauptkirche Beatae Mariae Virginis

Der bedeutende Orgelbauer Gottfried Fritzsche
erstellte die Orgel der Hauptkirche Beatae Mariae
Virginis, deren prachtvoller Prospekt und sechs
vollständige Register alle Umbauten überdauert
haben. Dieser Großmeister des frühbarocken Or-
gelbaus wurde 1578 in Meißen geboren und erzielte
schon in jungen Jahren große Erfolge, die ihm 1611
den Auftrag zum Bau der Schloßkirchenorgel in
Dresden einbrachten. In dieser Zeit lernte er auch
Heinrich Schütz und Michael Praetorius kennen.
Die nach Verhandlungen zwischen Praetorius
und Fritzsche entstandene „Disposition der gro-
ßen Orgell mit drey und vier Clavieren in der
Heinrichstadt zu Wolfenbüttel“ befindet sich im
Niedersächsischen Staatsarchiv in Wolfenbüttel.
Sie besteht aus einem „Mittel Clavier“ (Haupt-
werk) mit elf Stimmen, einem „Ober Clavier“
(Brustwerk) mit sieben Stimmen, einem „Unter
Clavier“ (Rückpositiv) mit zehn Stimmen und dem
Pedalwerk mit sieben Stimmen, insgesamt also aus
35 Registern. Auch der „Stern zum Zimbelrade“
wird erwähnt. Dieses Werk entstand in den Jahren
1620—24; Wohnung und Werkstatt des Meisters
192 befanden sich in dem stattlichen Haus Michael-
Praetorius-Platz 1.
Nach dem Tode von Michael Praetorius 1621
kam es zu einer längeren Verzögerung der Fertig-
stellung und zu einem aufreibenden Prozeß mit der
verarmten Witwe des Michael Praetorius, da Fritz-
sche geliehene Geldbeträge nicht zurückzahlte.
Das Gehäuse der Orgel fertigte der Tischler
Georg Hübsch für 414 Taler, die Bildschnitzereien
stammen von Friedrich Greiss und kosteten 1049
Taler. Der Maler Heinrich Dedecken erhielt 428
Taler und weitere 1065 für die Vergoldung. Fritz-
sches Arbeit wurde mit 1374 Talern honoriert.
Aus den folgenden Jahrzehnten sind Belege über
verschiedene Reparaturarbeiten vorhanden, die
u.a. von den Orgelbauern Jonas Weigel, Friedrich

Besser und Otto Eilhard Bothienter ausgeführt 193
wurden.
Umfangreiche Ausbesserungsarbeiten sollte der
Braunschweiger Orgelbauer Friedrich Besser im
Jahre 1693 vornehmen, er starb aber vor dem Ab-
schluß der Arbeiten. Erst 1695 setzte Johann Josua
Mosengel zusammen mit seinem Bruder Johann
Elias die begonnenen Reparaturen Bessers fort. Die
Disposition erfuhr eine Erweiterung auf 38 Regi-
ster, die durch zehn erneuerte Bälge zum Klingen
gebracht wurden (Hauptwerk 11, Rückpositiv 11,
Brustwerk 7, Pedal 9 Register).
In Gutachten und Kostenangeboten der folgen-
den Jahrzehnte taucht immer wieder der Name des
Wolfenbütteier Hoforgelbauers Johann Andreas
Graff auf. Wenn auch die Kontaktaufnahme zu
dem bedeutenden Magdeburger Christoph Treut-
mann überliefert ist, erhielt jedoch Graff den Auf-
trag zu einer grundlegenden Reparatur. „Alles
Pfeiff werck muß herunter genommen, durchge-
hends von Staube renoviret aufs neue intonirt und
gestimmet werden.“ Auch eine geringfügige Dis-

192 Michael-Praetorius-Platz 1, das Haus Gottfried Fritz-
sches 1620-1624.


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