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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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Hermann Kuhr

Die Entwicklung der Marienkapelle
zur Hauptkirche Beatae Mariae Virginis

Die Geschichte der Hauptkirche Beatae Mariae
Virginis in Wolfenbüttel zu schreiben, wäre im
Rahmen dieses Buches ein allzu großes Unterfan-
gen gewesen. Doch auch der Plan, wenigstens eine
kurzgefaßte Chronik zu bieten, stieß auf die
Schwierigkeit, aus der Fülle der Daten gerade die
auszuwählen, die einigermaßen vollständig die
wichtigsten Ereignisse in der Geschichte dieser
Kirche und ihrer Gemeinde markieren. Es hätte
vieler Erklärungen bedurft, wollte man nicht bloß
den Ablauf der Jahrhunderte nach Zahlen gliedern.
Zudem konnten die reichlich vorhandenen Quel-
len nur zum Bruchteil ausgewertet werden. Allein
das im Jahr 1724 von Christoph Woltereck begon-
nene Werk, mit dem Corpus Bonorum eine um-
fassende Chronik der Marienkirche zu schreiben,
ist auf viele tausend Seiten angewachsen und selbst
von den drei Bänden der Reinschrift seines Manu-
skripts sind bisher nur Teile im Druck erschienen.
Gerade dieser Umstand macht es jedem anderen
fast zu schwer, die Fülle der Dokumente durchzu-
arbeiten und den Fragen nachzugehen, die Wol-
tereck schon allein deswegen offen ließ, weil ihm
viele Archivalien noch nicht zugänglich waren. Als
die Kirche im Jahr 1889 nach gründlichen Renovie-
rungsarbeiten wiederhergestellt war, plante man
eine Festschrift, für die es Gustav Spies übernahm,
die Geschichte der Kirche zu bearbeiten. Seine
nahezu abgeschlossene Arbeit gelangte aber erst im
Jahr 1914, vier Jahre nach seinem Tode, zur Veröf-
fentlichung.2) Eine Neubearbeitung nach der in-
zwischen erschienenen Literatur3) und den noch
immer zahlreichen, unveröffentlichten oder wieder
in Vergessenheit geratenen Quellen wäre sehr zu
wünschen. Um zu weiteren Forschungen anzure-
gen und zugleich einen nicht ganz unwesentlichen
Aspekt dieser Geschichte aufzuhellen, soll hier
skizziert werden, wie sich die ursprüngliche Ma-
rienkapelle zur Hauptkirche entwickelt hat.

Die Gründung des ersten Gotteshauses an der
Stelle der heutigen Kirche ist uns nicht überliefert.
In einer Urkunde aus dem Jahr 1301 wird die Ma-
rienkapelle in Wolfenbüttel zum ersten Mal er-
wähnt. Bei der Bedeutung, die die Marienkirche
gewonnen hat, wäre von Interesse, aus welchem
Anlaß, von wem und mit welcher Absicht diese
Kapelle errichtet worden ist. Wie für so viele mit-
telalterlichen Kirchengründungen lassen sich aber
nur die Rahmenbedingungen aufzeigen, unter
denen die Gründung erfolgt sein könnte. Immer-
hin ist es für weitere Nachforschungen nicht ohne
Interesse, diese Umstände genauer zu kennzeich-
nen.
Für die Entstehungszeit Wolfenbüttels gibt der
Ortsname nur unsichere Hinweise. Die Ortsna-
men mit der Endung -büttel sind in der Zeit zwi-
schen dem Ende des Thüringerreichs im 6. Jahr-
hundert und dem 10. Jahrhundert entstanden.4)
Viel spricht dafür, daß sie frühestens dem 9. Jahr-
hundert angehören, vereinzelt aber auch noch nach
dem 10. Jahrhundert entstanden sein können. Sie
bezeichnen Siedlungen, die noch viel später nur als
Einzelhöfe und kleinste Dörfer von nur vier bis
fünf Höfen bestanden, von denen kaum zu erwar-
ten war, daß sie bald ein eigenes Kirchengebäude
erhalten würden. So mag es sich auch mit Wolfen-
büttel verhalten haben, dessen Lage an einem
Okerübergang lange Zeit bedeutungslos geblieben
ist, weil es im Süden die ältere Furt bei Ohrum und
seit dem 9. Jahrhundert im Norden den Flußüber-
gang von Braunschweig gab.
Im Jahr 1118 ist Wedekind von Wolfenbüttel,
ein Ministeriale der Brunonen, bezeugt. Das weist
darauf hin, daß der Wohnplatz wirtschaftlich er-
tragreich oder von einer gewissen strategischen Be-
deutung war, vielleicht auch beides zugleich. An
eine größere Ansiedlung ist zu dieser Zeit kaum zu
denken. Wenn man berücksichtigt, daß in nächster

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