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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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Peter Königfeld, Rolf-Jürgen Grote
Altar, Raum und Ausstattung
der Hauptkirche Beatae Mariae Virginis
Restaurierung und Geschichte

Einleitung
Der seit 1969 laufenden aufwendigen Steinsanie-
rung am Außenbau und einer statischen Sicherung
von Turm und Strebepfeilern folgte seit 1981 die
Restaurierung des Innenraumes und seiner hoch-
wertigen Ausstattung. Die umfangreichen Wieder-
herstellungsmaßnahmen wurden durch sorgfältige
Untersuchungen vorbereitet.
107 Die Restaurierung des Altares, dem als wesent-
lichen Bestandteil des Interieurs die besondere
Aufmerksamkeit der Denkmalpflege galt, und die
Wiederherstellung der polychromen Raumschale
sind inzwischen abgeschlossen worden; Orgel,
135 Kanzel und Emporen befinden sich (Stand: 30. 06.
1986) noch in Bearbeitung. Nachfolgende Ausfüh-
rungen können daher vorerst lediglich die Pro-
bleme der Raumfarbigkeit und der Altarrestaurie-
rung behandeln, und zwar vornehmlich aus der
Sicht des Denkmalpflegers. Die gründliche Auf-
arbeitung des umfangreichen Archivmaterials ist
noch nicht abgeschlossen und einer ausführliche-
ren Darstellung der Verfasser vorbehalten. An die-
ser Stelle kann zunächst nur ein vorläufiger skiz-
zenhafter Überblick gegeben werden, der einer
Fortschreibung bedarf.
Der Altar
Anmerkungen zur Entstehungsgeschichte
des Altars
Der Altar bis 1618
Als „evangelischer Altartypus von monumenta-
ler Haltung und zugleich reichstem plastischen Le-
ben“1-’ ist der Wolfenbütteier Altar bereits mehr-
fach Gegenstand kunst- und kulturhistorischer
Erörterungen gewesen.2) Über die komplizierte,
archivalisch nicht mehr in allen Stadien exakt nach-
vollziehbare Genese des Kunstwerks bestand
große Unsicherheit, die — vor allem auch für den

ursprünglichen Prager Aufstellungsort — zu Fehl-
interpretationen führte.3-1 Erst die verdienstvolle
Untersuchung Hilda Lietzmanns4\ die sich auf bis
dahin nicht bekanntes oder ausgewertetes Archiv-
material stützte, sowie die anläßlich der Restaurie-
rung vom Institut für Denkmalpflege durchgeführ- 108
ten Literatur- und Archivstudien, vor allem aber 111
dessen Befundermittlungen am Objekt, lassen we-
sentliche Punkte der Entstehungsgeschichte in
einem neuen Licht erscheinen — stellen aber auch
neue Fragen.
Insgesamt stellt sich die Genese des Wolfenbüt-
tel er Altars folgendermaßen dar:
Im Jahre 1607 begab sich Herzog Heinrich Julius
(1564—1613), „einer der tätigsten Herrscher aus
dem Hause Braunschweig und unstreitig der ge-
lehrteste Fürst seiner Zeit“,5) der wesentlichen An-
teil am Bau der Hauptkirche genommen hatte, an
den kaiserlichen Hof nach Prag, um die Reichsacht
über die Stadt Braunschweig zu erwirken. Aus dem
kurzfristig geplanten Aufenthalt wurde schließlich
eine dauernde Übersiedlung, als Rudolph II. den
Protestanten zum Obersten Direktor des Gehei-
men Rates ernannte. „Zahlreich sind die Quellen,
die des Herzogs politische Handlungen und Ent-
schlüsse belegen. Als Fürst des Heiligen Römi-
schen Reiches Deutscher Nation handelte er aus
Treue gegenüber dem Kaiser und aus Verantwor-
tung gegenüber dem Reich selber.“6) Dabei war er
davon überzeugt, daß nur der Ausgleich zwischen
den Konfessionen der Erhaltung des Friedens
diene, weshalb er auch „ein entschiedener Gegner
der konfessionellen Parteiung war, was zur Folge
hatte, daß das Herzogtum Braunschweig — wie
auch Kursachsen — der 1608 gegründeten Union,
dem Zusammenschluß der protestantischen
Stände, nicht beigetreten war.“7’ Heinrich Julius
förderte, nach Erlaß des Majestätsbriefes durch
Rudolph II. im Jahre 1609, mit dem den Protestan-
ten Freiheit der Religionsausübung zugesichert

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