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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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Heinrich Magirius

Die Werke der Freiberger Bildhauerfamilie Ditterich
und die lutherische Altarkunst in Obersachsen
zwischen 1550 und 1650

Die Kunst der geschnitzten und gemalten Flü-
gelaltäre der Spätgotik hat in Obersachsen die lu-
therische Reformation nicht überdauert. Zu deut-
lich waren insbesondere die plastischen „Bilder“
vom Heiligenkult des späten Mittelalters geprägt
gewesen. Im gemalten Flügelaltar, der mehrere
Wandlungen aufweisen kann, lebte die Kunstform
zwar noch längere Zeit fort. Die Autorität Lucas
Cranachs und seiner Schule, die im gemalten Flü-
gelaltar die lutherische Erlösungslehre wirkungs-
voll vor Augen führte, konnte aber auf die Dauer
diese Altarkunst nicht erneuern. Vielerorts wurden
die spätgotischen Flügelaltäre zu „Denkmalen“,
deren Wert man durchaus zu schätzen wußte, was
zum Teil aufwendige Restaurierungen am Ende des
16. und am Anfang des 17. Jahrhunderts belegen.1'
Zumeist wurde aber dabei das spätmittelalterliche
Bildprogramm geändert oder doch wenigstens im
lutherischen Sinne ergänzt. Maßgebend für die Al-
tarkunst der zweiten Jahrhunderthälfte wurde je-
doch das steinerne Retabel, gerahmt von antikisie-
render Architektur, wie es von Italien her an Porta-
len und an Epitaphen bereits seit den zwanziger
Jahren auch in Obersachsen nach und nach Ein-
gang gefunden hatte. Insbesondere der Altar der
138 Dresdner Schloßkapelle muß die Zeitgenossen be-
eindruckt haben.2' Er wurde wohl nach Zeichnun-
gen italienischer Künstler am Dresdner Hof — viel-
leicht der Brüder Thola — in den Niederlanden
1554 in Alabaster gefertigt. Paare von korinthi-
schen Säulen mit klassischem Gebälk flankieren
Reliefszenen biblischen Inhalts. Ein Aufsatz mit
Karyatiden erinnert an den Stil des Cornelis Floris.
In Dresden ergänzte Hans Walther das Werk um
einen Sockel und Seitenteile in Form von antikisie-
renden Ädikulen.
Die Dresdner Bildhauerfamilie Walther hat den
Typus des streng antikisch gerahmten Altarreta-
bels in den fünfziger bis achtziger Jahren in Sachsen
heimisch gemacht. Vorbild dieser itahamsierenden

Dresdner Stilrichtung wurde insbesondere das soge-
nannte „Goldene Tor“ der Dresdner Schloßkapelle
von 1555/1556. An seinem figürlichen Schmuck 139
wirkte Hans Walther mit. Wichtige Beispiele sind
der Altar von Maxen/Krs. Pirna, 1558, der Altar 140
der Stadtkirche zu Penig, von Christoph Walther 142
II., 1564, der Altar der Dresdner Kreuzkirche von 141
Hans Walther, 1572, und der Altar von Zabeltitz/
Krs. Großenhain, von Christoph Walther II., 1580,
ehemals ein Epitaph für Nickel Pflugk und seine
Familie. Um diese Zeit wird die Kunst der Altäre
und die Kunst der Epitaphe fast austauschbar,
nachdem in den Jahrzehnten vorher, etwa im Falle


138 Altar aus der Schloßkapelle Dresden. Mittelteil von einem
niederländischen Meister, Anfügungen von Hans Wal-
ther 1554; bei der Aufstellung auf dem Tischaltar in der
Schloßkirche Torgau 1662 Zufügung von flankierenden
Säulen und der Bekrönung.

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