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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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PETER KÖNIGFELD/ROLF-JÜRGEN GROTE

wurde, den Bau neuer evangelischer Kirchen in
Prag, so der Salvator-Kirche mit 500 Talern.
Auch der ursprünglich für eine Prager evange-
lische Kirche auf der Kleinen Seite zum ewigen Ge-
dächtnis des Herzogs konzipierte — später in Wol-
fenbüttel errichtete — Altar ist durch eine solche
Stiftung entstanden, wie aus einem an seinen Nef-
fen, Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen, am
10. Februar 1612 adressierten Brief hervorgeht.
Darin ersucht er um die Beurlaubung des in kur-
sächsischen Diensten stehenden „Dieners“ Johan-
nes Maria — des Architekten Giovanni Maria Nos-
seni (1545 — 1620) — für eine Reise nach Prag, um
sich wegen einer Altarstiftung mit ihm zu beraten:
„... E. Libden muegen wir hiemit freundthch nit
verhaltenn, weichergestalt wir zuvorderst unndt
fuer allenn dingenn, Gott dem Allmechtigenn zu
Lob unndt Ehrn, unndt unns zur ewigenn gedecht-
nuß, inn der Evangelischen kirchen uf der Kleinenn
Seitenn, alhier zu Praag einn altar verehret habenn.
Wann wir nun gemeint sein, daßelbe dermaßen an-
richten zulaßen, das es ein ansehent haben muege,
dahero wir dann E. Libden diener Johannis Mariae
Rhats unndt gutachten, inmaßenn wir ihn durch
Hansenn vonn Achen andeuten habenn laßen, hie-
rinnen zu gebrauchen hettenn, alß ersuchen E. Lib-
den wir hiemit freundtlich, Sie wollenn unns zu be-
sondern freundtlichenn gefallen, obgedachtenn
dero diener, dero behuff zu unns anhero uf wenig
tagenn zu kommen, unbeschwert erlaubenn. Ver-
sehen solchs bei) E. Libden freundtlich zuerhe-
benn, unndt verschuldens umbdieselbe hinwiede-
rumb jedesmalls willig unndt gernn.. .“8)
Einem Schreiben, das Nosseni am 30. November
1615 wegen einer ausstehenden Geldforderung an
den Sohn des inzwischen verstorbenen Auftrag-
gebers richtete, ist zu entnehmen, daß sich der
Künstler offenbar unverzüglich nach Prag begab:
„... demnach F. G. Herr vatter hochselliger ge-
dechtnuß, mich durch schreiben, an Churfürsten
zu Sachßen meinen gnedigsten Herrn etc. nach
Prag zu raisen begeret. Wan mier dan solches von
meinem gnedigsten Herrn gnedig dahin zu raisen
bewilliget, und ich eigner person mich nach Prag zu
Ihrer F. G. christmiltister gedechtnus begeben.
Aida an mich begeret etzliche abriß auch ein muster
von allerlei färben marmmorstein, wegen erba-
wung des alttar in der Neuen kirchen zu Prag auf
der Kleinen Seiten, wie ich dan dasselbe nach seiner
F. G. verfertiget, daran sie ein gnediges gefallen ge-
tragen und mich mit schreiben an mehr höchstge-
dachter seiner F. G. selligen gedechtnuß Frawen
gemachl nach Wulffenbüttl abgefertiget und mier
gnedig anbefohlen einen abriß wegen der Newen
kirchen zu Wulffenbüttl zu machen. Wan ich dan
gnediger Herr, mich alßbaldt von Dreßden sambt
Sebastian Waltter, bilthawer alhie samt fünffer per-
son zu gutschen nach Wulfenbüttl begeben, und

aldort obbemelte abriß und muster, Ihrer F. G. fra-
wen mutter untterthenig vorgebracht und gewisen,
darauf mier gnedig anbefohlen, solche abriß widter
nach Prag zu mehr höchstgedachter Ihrer F. G. sel-
ligen gedechtnus zu sendten. Alßdan ich mich wid-
terumb von Wulffenbüttl nach Dreßden begeben,
und solche abriß durch eignen potten nach Praag
geschickht, darauf mier kein anderer bescheidt er-
folget, allein durch Hannßen von Ach, selligen
mier zugeschriben worden, daß weihen Ihrer F. G.
willens nach Nürnberg an damahln gehaltenen für-
sten tag zu raisen gedenckhen, alßdan werden sie
sich wiederumb von Nürnberg ihn Ihr landt bege-
ben, und von der aller anbefohlenen Sachen mier
gnedig bescheidt geben, welches geschehen unge-
fehr verschinen monats July des 1612 ihares und
also verbliben, dan baldt hernach der Allmechtige
Gott seiner F. G. selligen gedechtnuß durch zeit-
lichen tott abgefordert, wan ich dan gnediger Herr,
auf solche obstehende abriß und marmor steinern
muster meinen unkosten (auch vielfeltige verseü-
mungen) angewendt, und gar kein vleiß gesparet
worden...“9-1 — Wegen der Altarstiftung und dem
im Brief angedeuteten Anschlußauftrag, mög-
licherweise die Errichtung einer fürstlichen Grab-
lege im Chor der Wolfenbütteier Hauptkirche,10)
hat Nosseni den vielbeschäftigten Herzog aller-
dings wohl nur ein einziges Mal in Prag sprechen
können.11;
Die Gründe, die den Herzog bewogen, Nosseni
zur Gestaltung des Altars heranzuziehen, sind ar-
chivalisch nicht überliefert. Vermutlich wird des-
sen Gestaltungskraft und stark ausgeprägte Kunst-
fertigkeit in der Verarbeitung farbigen Marmors
dafür ausschlaggebend gewesen sein; eine langjäh-
rige persönliche Bekanntschaft mit dem kursächsi-
schen Architekten, der seit 1582 bereits mehrfach
„zu Zurichtung allerhandt Inventionen zur ritter
spielen und anderen fürstlichen wolstehenden
kurzweilen“12) von Dresden in die herzogliche Re-
sidenz Gröningen geladen worden war, mag die
Entscheidung erleichtert haben. Überraschen muß
allerdings, daß der Altar trotz der Vorliebe des
Herzogs für Marmorl3) nicht — wie offenbar ge-
plant war — in diesem Werkstoff, sondern in Holz
gestaltet wurde, und zwar durch den Freiberger
Bildschnitzer Bernhard Ditterich (1585 —1640).I4)
Die Identität des Wolfenbütteier Altars mit die-
sem für Prag bestimmten sieht Lietzmann durch
die von Woltereck überlieferte Altarinschrift
(„Honori Sacro-Sanctae Trinit. Sanctissimae“) ge-
sichert, womit ihrer Meinung nach nur die 1611 be-
gonnene evangelische Hl.-Dreifaltigkeits-Kirche
auf der Prager Kleinseite, der ehemaligen Gemein-
dekirche des Stifters vor dessen Übersiedlung auf
den Hradschin, gemeint sein kann.l5) Trotz dieses
Beleges bleiben Unklarheiten, die nicht unerwähnt
bleiben dürfen: So etwa weshalb zwischen dem

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