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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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HELMUT MAYER


7 SIGIL. (LUM) D. (IVINAE) MARIAE • HENRICOP
(OLIS) WOLFFENBVTEL ■ 1627.
Siegel der göttlichen Maria, Heinrichstadt Wolfenbüttel.

Hectia bis auf’s Gebein verzehret sein. Man
durchwandere dieses arme Wolfenbüttel: Die
Häuser waren ehemals voll des Guten, nun aber
voller Armut; ehemals voll Freude, nun aber
voller Wehmut; ehemals voll Saitenspiel, jetzo
voll Tränen und Weinen. Ehemals war es eine
Lust, dich anzusehen, du liebes Wolfenbüttel!
Aber wo ist nun deine Herrlichkeit? — Oh
Krieg, Krieg, wer dich nennt, der nennet alles
Unglück. Wer dich in ein Land bringt, der brin-
get alles Unglück mit hinein!“
Auch die Antwort des Herzogs August, des
„Senex Divinus“ ist uns überliefert:
„...nicht sind wir heute eingetreten in einen
Lust- oder Rosengarten, eher in einen mit lauter
spitzigen Dornen bepflanzten Irregarten...
Wohlan, laßt uns ans Werk gehen, dem armen
Lande und allen Ständen, allen getreuen Unter-
tanen zum gehofften Wachstum, zu Ruhe, Ge-
deihen und Wohlstand zu helfen. — In Gottes
Gewalt hab ich’s gestallt, ER hat’s gefüget, das
mir genüget.“
Seit jenem Ereignis im Jahre 1643, als die Hoff-
nung auf Frieden und Wohlstand die Hoffnungs-
losigkeit des Krieges und der Not besiegte, feiert
die Hauptkirchengemeinde den 14. September als
ihren Kirchweihtag.
In diesem Zusammenhang sei an die Glocken-
taler erinnert, die August d. J. als Friedensgruß und
Friedensbotschaft prägen ließ. Dazu lesen wir in
dem „Großen vollständigen Universal-Lexikon
aller Wissenschafften und Künste, welche bishero
durch menschlichen Verstand und Witz erfunden
und verbessert worden“1’
„Wolfenbüttelische Glocken-Thaler, mit sol-
chen hat es folgende Bewandniß: Als 1643 den
17. September die Kayserliche Besatzung aus
Wolffenbüttel gezogen, sind zu dessen An-

dencken die bekannten Glocken-Thaler da-
selbst geschlagen worden. Es sind aber deren
verschiedene Arten, davon wir einige anführen
wollen. Auf einer Gattung ist eine Glocke ohne
Klöppel mit der Beyschrift: UTI, NISI, SIC,
welche dunckle Worte in diesem Verstände wa-
ren beygefügt worden: Gleichwie eine Glocke
ohne Klöppel nicht klinget, und keinen Nutzen
hat, also sind meine Anschläge und Briefe,
nebst aller Beredsamkeit vergeblich und um-
sonst, wo nicht die Abtretung meiner Residentz
und meines Landes erfolget. Auf einer andern
Gattung stunde der Spruch aus der Offenbahr.
Joh. XIII, 10: Hier ist Gedult und Glaube der
Heiligen. Auf der dritten Gattung stunde eine
Glocke mit einem Klöppel, und dabey das Wort
TANDEM! das ist: Endlich habe ich doch
meine ererbte Festung Wolffenbüttel einge-
räumt bekommen. Auf der vierten Art stunden
nebst einer vollständigen Glocke, wie auch dem
Tage und dem Jahre der Restitution dieser Fe-
stung folgende Buchstaben: T.W.A.I.D.I.R.
17 Septembris 1643, welche also erkläret wer-
den: TANDEM WOLFFENBVTUM AB IN-
JUSTIS DETENDORIBUS INVITE RESTI-
TUITUR. (freie Übersetzung: Endlich wurde
Wolfenbüttel von den unrechtmäßigen Ein-
dringlingen widerwillig zurückgegeben)“
Bei dem zuweilen erwähnten Datum des 17. Sep-
tembers, wie in der zitierten Buchstaben- und Zah-
lenfolge vorkommend, dürfte es sich um einen hi-
storischen Irrtum handeln. Tatsächlich fand der
Dankgottesdienst — in der Folgezeit als Kirch-
weihtag begangen — am 14. September statt. Wei-
ter heißt es in dem erwähnten „Universal-Lexi-
kon“ von 1748:
„Es sind noch mehrere Arten von diesen soge-
nannten Glocken-Thalern geschlagen worden.
Für ihren Erfinder hält man insgemein den be-
rühmten Würtembergischen Gottesgelehrten
und Abten zu Adelberg, D. Johann Valentin
Andreä; andere aber wollen dem gelehrten
Hertzog August selbst sothane Erfindung bey-
legen, als dessen neun Bücher unter dem Nah-
men Gustavi Seleni von vieler sinnreicher Er-
findung hinlänglich zeugen.“
An dieser Stelle sei eine Abschweifung in unsere
Zeit, in die Jahre der seit 1969 dauernden Renovie-
rung der Hauptkirche erlaubt: Als Finanzierungs-
hilfe ließ der „Verein zur Erhaltung der Hauptkir-
che BMV zu Wolfenbüttel eV“ eine Gedenkme-
daille aus reinem Silber prägen, die symbolisch an
die Glockentaler des 17. Jahrhunderts anschließen
will. Dieser „Glockentaler 1977“ zeigt auf der Vor- 9
derseite das Abbild der Hauptkirche nach dem
Stahlstich von Poppel, auf der Rückseite eine der
ältesten und formschönsten Glocken der Kirche
und die Umschrift: VERBUM DOMINI MANET
IN AETERNUM. Es handelt sich um die Abbil-
dung der bronzenen Stundenschlagglocke von
1619, die von 1828 bis 1943 als Uhrglocke im ba-
rocken Turmhelm der Hauptkirche hing.

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