HÄRMEN THIES
und zugleich als die das Raumbild prägenden
Hauptglieder der Architektur „selbst“ eingesetzt
sind, „verbannt“ Francke die Säule in den Aufbau
„hinzukommender“ Teilarchitekturen — der fein
organisierten Portal-Stücke in Helmstedt und
Wolfenbüttel etwa — um etwas entschieden Eige-
nes zu verwirklichen: eine in ihren Grundzügen
neuzeitliche Architektur, dementierend, rational
und komplex entworfen, aber — so mag Paul
Francke es gesehen haben — „freier“ noch und
demgemäß „verantwortlicher“ als die welsche Ar-
chitektur der „sich selbst bestimmenden“ Ordnun-
gen, indem fast alles dem wählend-wägenden Geist
des Architekten überantwortet blieb.
Anmerkungen
’’ Kurt Seelecke, Paul Francke, ein fürstlicher Baumeister zu
Wolfenbüttel, in: Braunschweigisches Jahrbuch, 3. Folge
Bd. 1 (1940), S. 29ff.; Hans Reuther, Paul Francke, in: Neue
Deutsche Bibliographie.
2> K. E. O. Fritsch, Der Kirchenbau des Protestantismus von
der Reformation bis zur Gegenwart, Berlin 1893, S. 41 ff.;
Alfred Stange, Deutsche Baukunst der Renaissance, Mün-
chen 1926, S. 171; Georg Dehio, Geschichte der Deutschen
Kunst, Bd. III, Berlin/Leipzig 1931, S. 254; Henry-Russell
Hitchcock, German Renaissance Architecture, Princeton
1981, S. 334 ff.
3' E. Kirschbaum, Deutsche Nachgotik, Augsburg 1930; Her-
mann Hipp, Studien zur „Nachgotik“ des 16. und 17. Jh. in
Deutschland, Böhmen, Österreich und der Schweiz, Tübin-
gen 1979; Hitchcock 1981, S. 274f. und S. 328ff.
4) Zur Baugeschichte ist grundlegend: Friedrich Thöne, Wol-
fenbüttel unter Herzog Julius (1568 — 1589), Topographie
und Baugeschichte, in: Braunschweigisches Jahrbuch,
Bd. 33 (1952), S. 1 —74; Friedrich Thöne, Wolfenbüttel in der
Spätrenaissance, Topographie und Baugeschichte unter den
Herzögen Heinrich Julius und Friedrich Ulrich (1589 bis
1634), in: Braunschweigisches Jahrbuch, Bd. 35 (1954),
S. 5—116; dazu: Paul Jonas Meier und Karl Steinacker, Die
Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Wolfenbüttel, Wolfen-
büttel 1904, S. 37—80; Gustav Spies, Geschichte der Haupt-
kirche BMV in Wolfenbüttel (Quellen und Forschungen zur
Braunschweigischen Geschichte, Bd. VII), Wolfenbüttel
1914.
Zur Marienkirche weiter: August Fink, Zur Baugeschichte
der Wolfenbütteler Marienkirche, in: Deutsche Kunst und
Denkmalpflege, Bd. 39 (1937), S. 34f.; Friedrich Thöne,
Wolfenbüttel, Geist und Glanz einer alten Residenz, Mün-
chen 1963, S. 61—68 und S. 207—210; August Fink, Die Ma-
rienkirche, Hauptkirche BMV in Wolfenbüttel, 4. Auflage,
erweitert von Horst Appuhn, Wolfenbüttel 1965; Horst
Appuhn, Die Marienkirche in Wolfenbüttel, Zu ihrem iko-
nographischen Programm, in: Niederdeutsche Beiträge zur
Kunstgeschichte, Bd. 9 (1970), S. 137—142. Eberhard
Grunsky, Die ev. Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in
Wolfenbüttel, Bemerkungen zum ikonographischen Pro-
gramm, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte,
Bd. 12 (1973), S. 204ff.; Hans Joachim Kunst, Die Marien-
kirche in Wolfenbüttel eine Siegeskirche?, in: Daphnis, Zeit-
schrift für Mittlere Deutsche Literatur, Bd. 10 (1981),
S. 643-662.
5' Auf das im Anhang abgedruckte Corpus Bonorum (C.B.)
wird durch die in Klammern gesetzten Kapitel- und Paragra-
phennumerierungen verwiesen.
Auch gelegentliche Verweise auf westfälische Hallen (Dom
in Minden etwa) oder Bauten der Region (Braunschweiger
Stadtpfarrkirchen, St. Stephan in Helmstedt, St. Vincenz in
Schöningen) sind wenig geeignet, Anlage und Aufbau der
Marienkirche tatsächlich zu „erklären“. Thöne 1954, S. 84f.;
Kunst 1981, S. 655 ff.
7) Thöne 1954, S. 69 f.
8) Thöne 1954, S. 70 f.
9) Thöne 1954, S. 72.
10) Thöne 1954, S. 72f.; Spies 1914, S. 77.
"> Thöne 1954, S. 73.
12) Thöne 1954, S. 74 f.
13) Thöne 1954, S. 76.
14) Thöne 1954, S. 76 f.
15) Thöne 1954, S. 78; Spies 1914, S. 81.
161 Auffallend ist z. B., daß die Achse der Kirche nach Osten bis
zu einem Punkt auf dem Holzmarkt verlängert werden
kann, der auch die Achsen der Langen Straße, der Breiten
Herzogstraße und des Kaisertores (heute Trinitatiskirche) in
sich versammelt. Die Marienkirche ist diesem Achsknoten
offenbar „zugeordnet“ — oder umgekehrt.
I7) Dies wird am deutlichsten, wenn man die Westgiebel der
Langseiten mit der Position der Lanzett-Rahmen-Fenster in
den zugehörigen Wandjochen vergleicht.
,8) Auf analoge Weise wird der hofseitige Mittelgiebel des Ju-
leums in Helmstedt vom achtseitigen Treppenturm so weit
verdeckt, daß nur noch Fragmente seines Aufbaus rechts
und links von diesem Turm sichtbar sind.
19’ Hier ist daran zu erinnern, daß Chor und Querriegel vor der
Halle und sicher unter Franckes Leitung entstanden sind; im
Herbst 1513 waren diese Teile gewölbt.
20) Meier/Steinacker 1904, S. 37f.; Fink 1937.
21) Thöne 1954, S. 80ff.
22i Thöne 1954, S. 81, datiert auch den Umbau des Turmerdge-
schosses auf „wohl nach Oktober 1615“.
23) Aus der sehr umfangreichen Literatur zu Begriff und Ge-
schichte des Manierismus seien lediglich genannt: W. Pinder,
Zur Physiognomik des Manierismus, in: Festschrift für
Ludwig Klages, Leipzig 1932; E. Battisti, L’antirinasci-
mento, Mailand 1962.
24; J. Zimmer, Hofkirche und Rathaus in Neuburg/Donau,
ebenda 1971; J. Habich, Die künstlerische Gestaltung der
Residenz Bückeburg durch Fürst Ernst 1601 — 1622
(Schaumburger Studien, Heft 26), Bückeburg 1969.
25) Hitchcock 1981, S.328ff.
26' T. Breuer, Die Stadt Augsburg, München 1958; I. Büchner-
Suchland, Hans Hieber, München 1962; Hitchcock 1981, S.
20 ff.
27) Augsburg und Nürnberg sind hier zu nennen: Hitchcock
1981, S. 309 ff., stellt die Bauten von Heintz, Holl und Wolf
sogar unter den Titel „The academic turn against manne-
rism“.
2S' I. Büchner-Suchland 1962.
29) Hitchcock 1981, S. 309 ff.
30’ Hitchcock 1981, S. 94ff. (Landshut) und S. 111 ff. (Jülich);
H. Neumann, Die Zitadelle Jülich, Jülich 1971.
3I; Beispiele: Hans Hiebers Regensburger Bauten, die Alte
Hofhaltung in Bamberg, Schloß und Kirche Ahrensburg,
Heinrich Schickhardts Stadtkirche in Freudenstadt, Elias
Holls Wertachbruckertor in Augsburg; Abbildungen in:
Hitchcock 1981.
32' Erik Forssman, Säule und Ornament, Studien zum Problem
des Manierismus in den nordischen Säulenbüchern und Vor-
lageblättern des 16. und 17. Jh., Stockholm 1956.
33; P. J. Meier, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises
Helmstedt, Wolfenbüttel 1896, S. 83ff.; Hans Herbert Möl-
ler, Das Juleum in Helmstedt, in: Niedersächsische Denk-
malpflege, Bd. 6 (1970), S. 208ff.
34-' Hitchcock 1981, S. 202; Joakim A. Skovgaard, A King’s
Architecture, Christian IV and his Buildings, London 1973,
S. 51.
78
und zugleich als die das Raumbild prägenden
Hauptglieder der Architektur „selbst“ eingesetzt
sind, „verbannt“ Francke die Säule in den Aufbau
„hinzukommender“ Teilarchitekturen — der fein
organisierten Portal-Stücke in Helmstedt und
Wolfenbüttel etwa — um etwas entschieden Eige-
nes zu verwirklichen: eine in ihren Grundzügen
neuzeitliche Architektur, dementierend, rational
und komplex entworfen, aber — so mag Paul
Francke es gesehen haben — „freier“ noch und
demgemäß „verantwortlicher“ als die welsche Ar-
chitektur der „sich selbst bestimmenden“ Ordnun-
gen, indem fast alles dem wählend-wägenden Geist
des Architekten überantwortet blieb.
Anmerkungen
’’ Kurt Seelecke, Paul Francke, ein fürstlicher Baumeister zu
Wolfenbüttel, in: Braunschweigisches Jahrbuch, 3. Folge
Bd. 1 (1940), S. 29ff.; Hans Reuther, Paul Francke, in: Neue
Deutsche Bibliographie.
2> K. E. O. Fritsch, Der Kirchenbau des Protestantismus von
der Reformation bis zur Gegenwart, Berlin 1893, S. 41 ff.;
Alfred Stange, Deutsche Baukunst der Renaissance, Mün-
chen 1926, S. 171; Georg Dehio, Geschichte der Deutschen
Kunst, Bd. III, Berlin/Leipzig 1931, S. 254; Henry-Russell
Hitchcock, German Renaissance Architecture, Princeton
1981, S. 334 ff.
3' E. Kirschbaum, Deutsche Nachgotik, Augsburg 1930; Her-
mann Hipp, Studien zur „Nachgotik“ des 16. und 17. Jh. in
Deutschland, Böhmen, Österreich und der Schweiz, Tübin-
gen 1979; Hitchcock 1981, S. 274f. und S. 328ff.
4) Zur Baugeschichte ist grundlegend: Friedrich Thöne, Wol-
fenbüttel unter Herzog Julius (1568 — 1589), Topographie
und Baugeschichte, in: Braunschweigisches Jahrbuch,
Bd. 33 (1952), S. 1 —74; Friedrich Thöne, Wolfenbüttel in der
Spätrenaissance, Topographie und Baugeschichte unter den
Herzögen Heinrich Julius und Friedrich Ulrich (1589 bis
1634), in: Braunschweigisches Jahrbuch, Bd. 35 (1954),
S. 5—116; dazu: Paul Jonas Meier und Karl Steinacker, Die
Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Wolfenbüttel, Wolfen-
büttel 1904, S. 37—80; Gustav Spies, Geschichte der Haupt-
kirche BMV in Wolfenbüttel (Quellen und Forschungen zur
Braunschweigischen Geschichte, Bd. VII), Wolfenbüttel
1914.
Zur Marienkirche weiter: August Fink, Zur Baugeschichte
der Wolfenbütteler Marienkirche, in: Deutsche Kunst und
Denkmalpflege, Bd. 39 (1937), S. 34f.; Friedrich Thöne,
Wolfenbüttel, Geist und Glanz einer alten Residenz, Mün-
chen 1963, S. 61—68 und S. 207—210; August Fink, Die Ma-
rienkirche, Hauptkirche BMV in Wolfenbüttel, 4. Auflage,
erweitert von Horst Appuhn, Wolfenbüttel 1965; Horst
Appuhn, Die Marienkirche in Wolfenbüttel, Zu ihrem iko-
nographischen Programm, in: Niederdeutsche Beiträge zur
Kunstgeschichte, Bd. 9 (1970), S. 137—142. Eberhard
Grunsky, Die ev. Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in
Wolfenbüttel, Bemerkungen zum ikonographischen Pro-
gramm, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte,
Bd. 12 (1973), S. 204ff.; Hans Joachim Kunst, Die Marien-
kirche in Wolfenbüttel eine Siegeskirche?, in: Daphnis, Zeit-
schrift für Mittlere Deutsche Literatur, Bd. 10 (1981),
S. 643-662.
5' Auf das im Anhang abgedruckte Corpus Bonorum (C.B.)
wird durch die in Klammern gesetzten Kapitel- und Paragra-
phennumerierungen verwiesen.
Auch gelegentliche Verweise auf westfälische Hallen (Dom
in Minden etwa) oder Bauten der Region (Braunschweiger
Stadtpfarrkirchen, St. Stephan in Helmstedt, St. Vincenz in
Schöningen) sind wenig geeignet, Anlage und Aufbau der
Marienkirche tatsächlich zu „erklären“. Thöne 1954, S. 84f.;
Kunst 1981, S. 655 ff.
7) Thöne 1954, S. 69 f.
8) Thöne 1954, S. 70 f.
9) Thöne 1954, S. 72.
10) Thöne 1954, S. 72f.; Spies 1914, S. 77.
"> Thöne 1954, S. 73.
12) Thöne 1954, S. 74 f.
13) Thöne 1954, S. 76.
14) Thöne 1954, S. 76 f.
15) Thöne 1954, S. 78; Spies 1914, S. 81.
161 Auffallend ist z. B., daß die Achse der Kirche nach Osten bis
zu einem Punkt auf dem Holzmarkt verlängert werden
kann, der auch die Achsen der Langen Straße, der Breiten
Herzogstraße und des Kaisertores (heute Trinitatiskirche) in
sich versammelt. Die Marienkirche ist diesem Achsknoten
offenbar „zugeordnet“ — oder umgekehrt.
I7) Dies wird am deutlichsten, wenn man die Westgiebel der
Langseiten mit der Position der Lanzett-Rahmen-Fenster in
den zugehörigen Wandjochen vergleicht.
,8) Auf analoge Weise wird der hofseitige Mittelgiebel des Ju-
leums in Helmstedt vom achtseitigen Treppenturm so weit
verdeckt, daß nur noch Fragmente seines Aufbaus rechts
und links von diesem Turm sichtbar sind.
19’ Hier ist daran zu erinnern, daß Chor und Querriegel vor der
Halle und sicher unter Franckes Leitung entstanden sind; im
Herbst 1513 waren diese Teile gewölbt.
20) Meier/Steinacker 1904, S. 37f.; Fink 1937.
21) Thöne 1954, S. 80ff.
22i Thöne 1954, S. 81, datiert auch den Umbau des Turmerdge-
schosses auf „wohl nach Oktober 1615“.
23) Aus der sehr umfangreichen Literatur zu Begriff und Ge-
schichte des Manierismus seien lediglich genannt: W. Pinder,
Zur Physiognomik des Manierismus, in: Festschrift für
Ludwig Klages, Leipzig 1932; E. Battisti, L’antirinasci-
mento, Mailand 1962.
24; J. Zimmer, Hofkirche und Rathaus in Neuburg/Donau,
ebenda 1971; J. Habich, Die künstlerische Gestaltung der
Residenz Bückeburg durch Fürst Ernst 1601 — 1622
(Schaumburger Studien, Heft 26), Bückeburg 1969.
25) Hitchcock 1981, S.328ff.
26' T. Breuer, Die Stadt Augsburg, München 1958; I. Büchner-
Suchland, Hans Hieber, München 1962; Hitchcock 1981, S.
20 ff.
27) Augsburg und Nürnberg sind hier zu nennen: Hitchcock
1981, S. 309 ff., stellt die Bauten von Heintz, Holl und Wolf
sogar unter den Titel „The academic turn against manne-
rism“.
2S' I. Büchner-Suchland 1962.
29) Hitchcock 1981, S. 309 ff.
30’ Hitchcock 1981, S. 94ff. (Landshut) und S. 111 ff. (Jülich);
H. Neumann, Die Zitadelle Jülich, Jülich 1971.
3I; Beispiele: Hans Hiebers Regensburger Bauten, die Alte
Hofhaltung in Bamberg, Schloß und Kirche Ahrensburg,
Heinrich Schickhardts Stadtkirche in Freudenstadt, Elias
Holls Wertachbruckertor in Augsburg; Abbildungen in:
Hitchcock 1981.
32' Erik Forssman, Säule und Ornament, Studien zum Problem
des Manierismus in den nordischen Säulenbüchern und Vor-
lageblättern des 16. und 17. Jh., Stockholm 1956.
33; P. J. Meier, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises
Helmstedt, Wolfenbüttel 1896, S. 83ff.; Hans Herbert Möl-
ler, Das Juleum in Helmstedt, in: Niedersächsische Denk-
malpflege, Bd. 6 (1970), S. 208ff.
34-' Hitchcock 1981, S. 202; Joakim A. Skovgaard, A King’s
Architecture, Christian IV and his Buildings, London 1973,
S. 51.
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