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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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HERMANN OERTEL


160 König David, um 1645
von Hans Gieseler.
Zustand
vor der Restaurierung.

Moses, David und die 16 Propheten
Luther hat die prophetischen Bücher des Alten
Testamentes hoch geschätzt. Seine allgemeine Vor-
rede zu den Propheten in der Wittenberger Bibel
von 1534 ermahnt uns: „Wir wollen die Propheten
mit ernst und nutz lesen“ und wirft den „Bapisten
unter uns“ vor, „der propheten nicht groß zu ach-
ten“. Die besonderen Vorreden zu jedem einzelnen
der 16 Propheten zeigen auf, wie die Propheten das
Kommen Christi geweissagt haben. Einige der
12 kleinen Propheten haben sogar bestimmte wich-
tige Ereignisse des Neuen Testaments vorausge-
sagt: Hosea den Opfertod Christi, Joel die Ausgie-
ßung des Heiligen Geistes, Micha die Geburt Chri-
sti in Bethlehem, Zephanja die Aussendung der
Apostel, Sacharja den Einzug Christi auf dem Esel
in Jerusalem, Maleachi die Sendung Johannes des
Täufers. Die hohe Bedeutung, die die Propheten
für Luther haben, zeigt sich schon darin, daß er
jedem der 16 Propheten in seiner Bibel von 1534
einen oder mehrere erzählende Holzschnitte mit-
gibt, während alle gedruckten vorlutherischen
deutschen Bibeln nur das Wirken des Propheten
Daniel für illustrierenswert halten. Die Holz-
schnitte zu den o.a. kleinen Propheten enthalten
im Hintergrund als Bild im Bild das prophezeite
neutestamentliche Ereignis.
Nicht geringer dachte Herzog August d.J. von
den Propheten, wenn er für die 1639 geplante

Drucklegung seiner Bibelübersetzung folgenden
Text entwirft: „Die hochheiligen Bücher, darinnen
die Schriften des heiligen Moses und anderer Got-
tesmänner, der heiligen Weissager... begriffen
seindt“.1-1 Als er am 14. September 1643 in der Wol-
fenbütteler Marienkirche am Dankgottesdienst
teilnahm, hatte diese eine Bildausstattung, die mit
Ausnahme eines Simson-Reliefs am Hochaltar und
kleiner alttestamentlicher Darstellungen an Tür
und Korb der Kanzel nur das Neue Testament be-
rücksichtigte. Die zwölf Apostel standen als Sta-
tuetten am Aufgang und am Becher der Kanzel und
ganzfigurig in Tafelbildern an den Brüstungen der
Prieche neben der Kanzel. Ferner waren die Apo-
stel zusammen mit den Evangelisten als Krönung
der Strebepfeiler am Außenbau vorgesehen. Die
Prophetenbilder fehlten. Das Alte Testament war
am ganzen Bau nur mit einem Jona-Relief am Turm
und mit den Statuen des Moses und des Aaron ver-
treten. Sie standen in den Nischen des Westportals.
Erst zwei Stiftungen des Herzogs schlossen diese
Lücke. Herzog August stiftete 1645 für das West-
portal die sog. schöne Tür mit den geschnitzten Fi-
guren der Propheten Jesaias, Joel, Hosea und Da-
niel. In den letzten Jahren des Dreißigjährigen
Krieges wurde die Südprieche, die sog. Räte- oder 160
Herrenprieche, mit den Bildnissen der 16 Prophe- 161
ten einschließlich der Bildnisse des Moses und Da-
vids geschmückt. Da das Wappen des Herzogs bei-

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