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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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HERMANN OERTEL

freitag folgt in ihren Berichten das Geschehen am
Ostermorgen, nach Matthäus: der Gang der
Frauen zum Grab; das Herabkommen des Engels,
der den Stein vom geschlossenen Grab wälzt und
den Frauen die Auferstehung verkündet; das Er-
schrecken der Grabwächter vor dem Engel, dessen
Erscheinung war wie der Blitz. Entsprechend hat
die christliche Kunst in ihrem ersten Jahrtausend
die Kreuzigung und das Geschehen am Ostermor-
gen, aber nicht die Auferstehung selbst dargestellt.
Ganz anders denkt das Spätmittelalter. Es stellt die
Auferstehung sehr realistisch dar. Christus ent-
steigt dem Grab oder schwebt über ihm; die Wäch-
ter sind Zeugen der Auferstehung, die angesichts
der überirdischen Erscheinung erschrecken, flie-
hen oder sich wehren. Unbiblisch, aber das reli-
giöse Bedürfnis nach Anschauung befriedigend,
wird das Erschrecken der Wächter vor dem Engel
am Ostermorgen in das Auferstehungsbild über-
nommen. Die frühprotestantische Kunst hat diese
Darstellungsform der Auferstehung beibehalten.
Die Bildausstattung der Wolfenbütteler Marien-
kirche ist einst viel reicher gewesen. Wolterecks
„Wolfenbütteler Merkwürdigkeiten“ geben den
Besitzstand von 1729 an. Zu ihm gehören außer
den besprochenen Bildern: ein Brustbild Christi
„als ein herrschender König mit gebietender Hand
und der Weltkugel“, zwei Gemälde „von der Mut-
ter Gottes und dem Christkind“, ein von dem Ge-
lehrten Schottelius gestiftetes „Jüngstes Gericht“
und drei große Sammelbilder mit Szenen zu den
Themen: die Paradiesesgeschichte, die Kindheit
Jesu, die Passion. Von diesen sieben Bildern sind
nur noch das Christus- und das Marienbild erhal-
ten. Eine seltene und kostbare Bereicherung der
Bildausstattung der Marienkirche sind die Engel
unter der Orgelempore, Gemälde des Heinrich
Dedeke von 1623.23) Sie musizieren zur Ehre Got-
tes. Den Betrachter erinnern sie daran, daß die gro-
ßen künstlerischen Leistungen des Protestantismus
auf dem Gebiet der Musik und nicht der bildenden
Künste liegen.24-’
Anmerkungen
Ausstellungskatalog „Sammler, Fürst, Gelehrter Herzog
August zu Braunschweig und Lüneburg, 1579—1666“. Wol-
fenbüttel 1979, Kat.Nr. 396.
2) Corpus Bonorum Bd. I. Kap. 29 § 2 und 5: „Die Tür gegen
Abend... ist schon seit 1657 die Schöne genannt worden.
Diese schöne Tür ist anno 1645 auf Herzogs Augusti Kosten
neu bereitet.“ — Kap. 16 § 4 nennt die Prophetenbilder, aber
keinen Stifter.
Thöne, Geist und Glanz einer alten Residenz (GGR). Wol-
fenbüttel 1963, S. 252. — Auffällig, daß Woltereck, Wolfen-
büttelsche Merkwürdigkeiten, Wolfenbüttel 1729, die Pro-
phetenbilder nicht erwähnt.

4> K. Rosen, Heimatbuch der Salzstadt Schöningen, 7. Teil
1950, S. 152. — Festschrift 660 Jahre Stadtkirche Celle, 1968,
S. 47ff.
5) Lexikon der christlichen Ikonographie. Herder, Freiburg
1968, Bd. 1, Sp. 155 — 161, 462; Reklams Lexikon der Heili-
gen und der biblischen Gestalten. Stuttgart 1968, S. 50, An-
merkung.
9 Festschrift „Hülsede 1059—1959. Erhardt, Springe 1959,
S. 124. — Festschrift „St. Martinskirche Greene“. Eder-
Kastner, Braunschweig-Wenden 1980. S. 14 und 19ff.
71 Zu dem verlorengegangenen Bildnis des Apostels Thomas
siehe die Hypothese von Christoph Römer in: Späthumanis-
mus und Landeserneuerung. Die Gründungsepoche der
Universität Helmstedt 1576 — 1613. S. 13, Nr. 17.
8’ Thöne, a.a.O., S. 250ff.
9) Woltereck, Wolfenbüttelsche Merkwürdigkeiten, Wolfen-
büttel 1729, S. 87ff.
10’ Thöne, a.a.O., S. 251.
111 F. W. Hollstein, Dutch and Flemish Engravings. Etchings
and Woodcuts, Amsterdam o.L, Bd. 5, S. 257, Nr. 13 mit
Abb. des Stiches.
12’ Woltereck, a.a.O., S. 87ff.
13' G. Schiller, Ikonographie der christlichen Kunst, Gütersloh,
Bd. 2,1983 (2. Auflage), S. 189.
14) Aufschlußreich ist ein Vergleich des Wolfenbütteler Gemäl-
des mit dem themagleichen, in der Komposition ähnlichen
Gemälde von Andrea del Sarto, gemalt um 1525: Pieta, Ma-
ria mit den Heiligen Johannes, Maria Magdalena, Katharina,
Petrus und Paulus. Abb. in Propyläen-Kunstgeschichte,
Berlin 1984, Bd. 8, Abb. Nr. 15.
151 Thöne, a.a.O., S. 74, 232ff. — Thöne, Hans Vredeman de
Vries. In: Braunschweigisches Jahrbuch Bd. 41/1960, S.
63—65. — Fink/Appuhn, Die Marienkirche, Hauptkirche
BMV, in Wolfenbüttel, 1965, 4. Auflage, S. 28.
16) O. Thulin, Cranachaltäre der Reformation, Berlin 1955,
S. 54ff. und S. 126 ff. Abb. Nr. 64—66: Weimarer Altarbild
Abb. Nr. 161: Rechtfertigungsbild von 1529.
I7' Thöne, a.a.O., S. 242ff.
’8’ H. Oertel, Die protestantischen Bilderzyklen im niedersäch-
sischen Raum und ihre Vorbilder. In: Niederdeutsche Bei-
träge zur Kunstgeschichte Bd. 17/1978, S. 102—132.
Woltereck, a.a.O. Kap. 3 § 11.
2=' P. J. Meier/K. Steinacker, Die Bau- und Kunstdenkmäler
des Herzogtumes Braunschweig II, 1, Stadt Wolfenbüttel,
Wolfenbüttel 1904, S. 64. — Abb. des Goltzius-Passionszy-
klus von 1596/99 bei: Hollstein, Dutch and Flemish Et-
chings, Engravings and Woodcuts c. 1450—1700, Amster-
dam 1949 ff., Bd. VIII, S. 10/11. — Zur Vorlage der „Kreuzi-
gung“ siehe auch: H. Oertel, Das barocke Altarbild im
Kreise Helmstedt. In: Jb. d. Gesellschaft f. niedersächs. Kir-
chengeschichte, Bd. 49/1951, S. 106—109.
21) Thöne, a.a.O., S. 251.
22) M. Luther, Auslegung des 111. Psalms 1530: „Wir hie Lust
hätte, Tafeln auf den Altar zu setzen der sollte lassen das
Abendmahl Christi malen... Denn weil der Altar dazu ver-
ordnet ist, daß man das Sakrament darauf handeln solle, so
könnte man kein besseres Gemälde daran machen“ (Weima-
rer Ausgabe Bd. XXXI1, S. 415).
23' Corpus Bonorum, Kap. 21 (von der Orgel), § 11 (S. 574).
24) Die Arbeit ist Herrn Kirchenvogt Dieter Menzel für stän-
dige Hilfe und sachkundige Hinweise vielfach verpflichtet.
Der Verfasser spricht ihm auch an dieser Stelle seinen Dank
aus.

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