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Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

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KLAUS RENNER

Schäden verursacht. Ein Vorrücken der Platten
und die Aufstellung auf einem neuen Sockel mit all-
seitiger Luftzirkulation sollen vor einer weiteren
Zerstörung bewahren. Die lebensnahe plastische
Gestaltung der Reliefs war durch eine differen-
zierte Farbgebung unterstützt. Hiervon sind Spu-
ren vorhanden, die eine spätere Nachfassung erlau-
ben.
233 Die Bildersteine des Baumeisters Paul Francke
und des Hofjunkers Dietrich vom Tal (f 1620) hin-
gen ursprünglich ein wenig versteckt im Bereich
des südlichen Windfanges. Zur Beseitigung der
Schäden mußten sie abgenommen werden. Über-
raschend trat an den Wandflächen hinter dem
Grabstein von Paul Francke der Farbton der
Wände mit aufgemaltem Fugenbild zutage, der als
erste Farbfassung des Gesamtraumes bestätigt wer-
den konnte. Dieser Befund bedeutete ebenso wie
die Farbfunde hinter den Holzteilen der abgebau-
ten Chorpriechen eine wesentliche Hilfe für die
Festlegung der Neufassung des Raumes an Wänden
und Pfeilern. Die beiden Epitaphien erhielten nach
ihrer Restaurierung einen neuen Platz am west-
lichen Wandpfeiler des südlichen Seitenschiffes.
Anfang des Jahres 1985 konnte der an das Wol-
fenbütteler Heimatmuseum ausgeliehene Wappen-
stein von 1554 zurückgeführt und zwischen den
beiden vorgenannten Epitaphien aufgehängt wer-
den. Von Jürgen Spinnrad geschaffen, wurde er
wahrscheinlich von Herzog Heinrich dem Jünge-
ren an einen Kanonenbauer verliehen.
Der Aufarbeitung bedürfen noch die beiden Epi-
taphien aus Marmor und Alabaster über den
Längsemporen. Das südliche erinnert an Marga-
rete Engelbrecht, geborene Stisser (f 1629) und das
nördliche an Ernst von Steinberg (f wahrscheinlich
1650). Auch die im Kirchenfußboden gefundenen
und in den neuen Fußboden eingefügten bzw. an
den Wänden des Schiffes, der Turmvorhalle, der
Gruftkapelle und der Sakristei aufgehängten etwa
HO Grabplatten sind zu einem großen Teil noch
nicht ergänzt und restauriert.
Im Zusammenhang mit den Wiederherstellungs-
und Erneuerungsarbeiten an der Orgel, die in
einem Festgottesdienst am 23. November, dem
Ewigkeitssonntag des Jahres 1986, erstmalig wie-
der zu hören war, wurden die angrenzenden Teile
der Westempore überholt und für die Aufstellung
von Sänger- und Instrumentalchören hergerichtet.
Als letzte Restaurierung von geschlossenen
Raumteilen stehen Sakristei und Gruftkapelle noch
aus, nachdem in der neueren herzoglichen Gruft
unter dem Chor im Jahre 1981 die Gewölbe gesi-
chert und verschlemmt sowie raumgemäße Be-
leuchtungskörper an den Wänden eingebaut wur-
den. In der Gruftkapelle ist die Konservierung und
Aufarbeitung der reichen Ausmalung des 19. Jahr-
hunderts geplant. Dieser Raum soll zukünftig in

Verbindung mit dem Zugang zur Grablege als
Museumsraum Einblicke in die bau- und zeitge-
schichtliche Entwicklung der Kirche geben.
Für die künstliche Ausleuchtung des restaurier-
ten Innenraumes war der historische Kronleuchter 228
in der Mitte des Kirchenschiffes vorgegeben. Er
hing bis zum Jahre 1939 im ersten Gewölbefeld vor
der Orgel an der Stelle, unter der bis zum Jahre
1666 die Sophientaufe gestanden hatte. Im Evange-
lischen Gemeindeblatt 29. Jahrgang, Nr. 7 vom Juli
1939 ist nachzulesen:
„Im Verlauf der Arbeiten an der Beleuchtungs-
anlage in der Marienkirche ist auch der Kronleuch-
ter herabgenommen, um einmal gründlich nachge-
sehen und gereinigt zu werden. Mit diesem Kron-
leuchter hat es ja eine besondere Bewandtnis. Er ist
eigentlich eine Art von Sühnegabe. Er sollte die
Gemeinde damit versöhnen, daß man bei der Be-
stattung des Herzogs August des Jüngeren, die mit
acht Pferden vor sich ging und mitten durch die
Kirche erfolgte, die kostbare ,Taufe“ beiseite
räumte, die dort im Mittelgange gestanden hatte.
Es mag die Bevölkerung in arge Unruhe gebracht
haben, solch ein wertvolles Stück, wie jene Taufe,
ein Geschenk der Herzogin Anna Sophie, ,von po-
liertem Alabaster, Marmor und Malerei und ande-
ren Zierat so prächtig ausgeführt, daß sie wenige
ihresgleichen in Deutschland gehabt und noch in
den übrigen Stücken bewundernswert war“, fort-
zunehmen, nur damit ein pomphafter Trauerzug
durch die Kirche geführt werden konnte. Aber es
war geschehen. Nun hieß es, die Sache wieder gut-
zumachen. Und da kam der Herzog Rudolph Au-
gust auf den Gedanken, der Marienkirche eine
schöne ,Messingkrone“ zu schenken, die über der
Stelle, wo etwa die alte kostbare Taufe gestanden
hatte, aufgehängt wurde. Bei besonderen Gelegen-
heiten strahlt sie im Kerzenlicht, zuletzt am Heili-
gen Abend vorigen Jahres.“
Am 6. Juli des Jahres 1939 wurde die Krone an
der jetzigen Stelle aufgehängt. Von einer letzten
Elektrifizierung wird am 10. August 1955 berich-
tet. Die neuerliche Renovierung des Gesamtrau-
mes gab den Anlaß, auch dieses kostbare Ausstat-
tungsstück zu restaurieren und über seine Ge-
schichte Nachforschungen anzustellen. Paul Oehl-
mann aus Bielefeld übernahm den Auftrag und trug
folgenden Bericht hierzu bei:
„Der Kronleuchter der Hauptkirche Beatae Ma-
riae Virginis weicht in wesentlichen Formmerkma-
len von dem Typ des flämischen Lüsters ab, der in
Deutschland etwa in der 2. Hälfte des 16. Jahrhun-
derts auftaucht (Lüneburg, St. Johannis, 1587).
Zum Formenkanon gehört bei diesem Leuchter-
typ als unterer Abschluß eine kräftige Kugel, dar-
über ein förmlich stark differenzierter Baluster, in
dessen ,Räder“ die s-förmig geschwungenen Arme
eingehängt sind.

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