416
3.B Das archaische Ephesos und die keramische Kultur ionisch geprägter Zentren
3.B DAS ARCHAISCHE EPHESOS UND DIE KERAMISCHE KULTUR IONISCH
GEPRÄGTER ZENTREN AM SCHWARZEN MEER UND IN ÄGYPTEN
Neben den benachbarten Zentren im ionischen Kerngebiet der westkleinasiatischen Küstenregion
ist in archaischen Fundplätzen mit kolonialem Hintergrund1595 ein zweiter wichtiger Vergleichs-
horizont für das archaische Ephesos gegeben. Dabei sind vor allem die ostgriechischen Grün-
dungen im Schwarzmeerraum und das im Nildelta gelegene Naukratis, nicht zuletzt aufgrund
ihrer forschungsgeschichtlichen Dimension, für das Verständnis der archaisch ostgriechischen
Keramik besonders hervorzuheben.
3.B.1 Istros und die ionischen Niederlassungen im Schwarzmeerraum
Innerhalb der ionischen Schwarzmeerkolonien stellt die milesische Gründung von Istros den in
seinem Materialbestand am umfassendsten publizierten Fundplatz dar1596. Die archaische Fund-
keramik reicht typologisch vom ausgehenden 7. bis in das beginnende 5. Jahrhundert hinab und
greift damit über den Zeitraum, den die archaischen Siedlungsbefunde unter der Tetragonos
Agora abdecken, bis in die späte Archaik aus. In Ephesos wird dieser spätarchaische Horizont
erst im Materialbestand des Theaters und der Keil-Grabungen deutlich (s. o. Kap. 2)1597.
Das Repertoire der ostgriechischen Trinkgefäße ist in Istros anders als in Ephesos auf zwei
wesentliche Formen, Kalottenschalen und Knickrandschalen, beschränkt. Innerhalb der domi-
nierenden Kalottenschalen herrschen die entwickelten und späten Kalottenschalen (Rosetten-,
Reifen-, Augen- und Lotusschalen) vor, während die durchwegs späten Vogelschalen weniger
häufig belegt sind. Dies stimmt in Ephesos vor allem mit der Fundevidenz der Keil-Grabungen
überein, wo die Kalottenschalen wie in Istros stärker vertreten sind als die Knickrandschalen
des 6. Jahrhunderts, während sich das Verhältnis im Materialbestand aus dem Theater umgekehrt
darstellt. Für beide Fundplätze, Istros und Ephesos, prägen innerhalb der Knickrandschalen die
Gefäße vom Typ 9 und 10 das Repertoire, und besonders die zahlreichen Vertreter der jüngeren
Varianten vom Typ 9, allen voran die Varianten Typ 9.7 (Kat. 1951. Kat. 2175. Kat. 2176) und
Typ 9.8 (Kat. 2177), bestätigen die chronologische Reichweite im Theater und an den nordwest-
lichen Ausläufern des Panayirdag über das mittlere 6. Jahrhundert hinaus. Die vielen Altstücke
geometrischer, subgeometrischer und früharchaischer Tradition (Randfalzkotylen, Knickrand-
schalen der Typen 5 und 6, Tassen), die noch in der AG Phase IV der ersten Hälfte des 6. Jahr-
hunderts für die ephesischen Befunde bezeichnend sind, fallen in Istros kaum ins Gewicht. Als
weitere Fundgruppe hat Istros mit Ephesos die chiotischen Kelche (Kat. 2065) gemeinsam,
während das am nordwestlichen Ausläufer des Panayirdag prominente lydische Element in den
istrischen Befunden fehlt.
Die gebrauchskeramischen Alltagswaren zeigen in Istros eine Vorliebe für einerseits mit Rei-
fen und Wellenbändern verzierte Oberflächen, andererseits ist die Gattung der Grauen Ware, die
sich in den ephesischen Befunden abseits des Artemisions auf nur wenige Gefäße beschränkt, im
Aphroditeheiligtum von Istros stärker vertreten1598. Gerade die Riefelkannen, die in Ephesos der
unbemalten Ware angehören (Kat. 1171-Kat. 1173), zählen in Istros zu den typischen Vertretern
der Grauen Ware. Der für das 6. Jahrhundert vor allem für die Serviergefäße so bezeichnende
1595 Der Koloniebegriff wird hier sehr weit gefasst und ist allgemein im Sinne einer von außen initiierten Niederlas-
sung und ungeachtet seiner näheren funktionalen Spezifikation, wie er in den Begriffen Emporion, Apoikia etc.
zum Ausdruck kommt, zu verstehen. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Koloniebegriff erfolgte zuletzt
bei Donnellan 2016, bes. 109—111 mit Lit.
1596 s. dazu Lambrino 1938; Condurachi 1966; Alexandrescu 1978; Alexandrescu 2005b; Dupont 2005a; Dupont
2005b; Bfrzescu 2012a.
1597 In den Befunden an der Nordostterrasse des Panayirdag ist dieser Zeithorizont auch stratigrafisch nachgewiesen.
Speziell zur vorklassischen Keramik vgl. von Miller 2013 sowie von Miller 2015.
1598 Vgl. Alexandrescu 2005b, 353-355 Nr. C.135. C.136 Abb. 45. 46; 354 f. Nr. C.140. C.142. C.145. C.146 Abb.
46; 357 f. Nr. C.158. C. 159 Abb. 47.
3.B Das archaische Ephesos und die keramische Kultur ionisch geprägter Zentren
3.B DAS ARCHAISCHE EPHESOS UND DIE KERAMISCHE KULTUR IONISCH
GEPRÄGTER ZENTREN AM SCHWARZEN MEER UND IN ÄGYPTEN
Neben den benachbarten Zentren im ionischen Kerngebiet der westkleinasiatischen Küstenregion
ist in archaischen Fundplätzen mit kolonialem Hintergrund1595 ein zweiter wichtiger Vergleichs-
horizont für das archaische Ephesos gegeben. Dabei sind vor allem die ostgriechischen Grün-
dungen im Schwarzmeerraum und das im Nildelta gelegene Naukratis, nicht zuletzt aufgrund
ihrer forschungsgeschichtlichen Dimension, für das Verständnis der archaisch ostgriechischen
Keramik besonders hervorzuheben.
3.B.1 Istros und die ionischen Niederlassungen im Schwarzmeerraum
Innerhalb der ionischen Schwarzmeerkolonien stellt die milesische Gründung von Istros den in
seinem Materialbestand am umfassendsten publizierten Fundplatz dar1596. Die archaische Fund-
keramik reicht typologisch vom ausgehenden 7. bis in das beginnende 5. Jahrhundert hinab und
greift damit über den Zeitraum, den die archaischen Siedlungsbefunde unter der Tetragonos
Agora abdecken, bis in die späte Archaik aus. In Ephesos wird dieser spätarchaische Horizont
erst im Materialbestand des Theaters und der Keil-Grabungen deutlich (s. o. Kap. 2)1597.
Das Repertoire der ostgriechischen Trinkgefäße ist in Istros anders als in Ephesos auf zwei
wesentliche Formen, Kalottenschalen und Knickrandschalen, beschränkt. Innerhalb der domi-
nierenden Kalottenschalen herrschen die entwickelten und späten Kalottenschalen (Rosetten-,
Reifen-, Augen- und Lotusschalen) vor, während die durchwegs späten Vogelschalen weniger
häufig belegt sind. Dies stimmt in Ephesos vor allem mit der Fundevidenz der Keil-Grabungen
überein, wo die Kalottenschalen wie in Istros stärker vertreten sind als die Knickrandschalen
des 6. Jahrhunderts, während sich das Verhältnis im Materialbestand aus dem Theater umgekehrt
darstellt. Für beide Fundplätze, Istros und Ephesos, prägen innerhalb der Knickrandschalen die
Gefäße vom Typ 9 und 10 das Repertoire, und besonders die zahlreichen Vertreter der jüngeren
Varianten vom Typ 9, allen voran die Varianten Typ 9.7 (Kat. 1951. Kat. 2175. Kat. 2176) und
Typ 9.8 (Kat. 2177), bestätigen die chronologische Reichweite im Theater und an den nordwest-
lichen Ausläufern des Panayirdag über das mittlere 6. Jahrhundert hinaus. Die vielen Altstücke
geometrischer, subgeometrischer und früharchaischer Tradition (Randfalzkotylen, Knickrand-
schalen der Typen 5 und 6, Tassen), die noch in der AG Phase IV der ersten Hälfte des 6. Jahr-
hunderts für die ephesischen Befunde bezeichnend sind, fallen in Istros kaum ins Gewicht. Als
weitere Fundgruppe hat Istros mit Ephesos die chiotischen Kelche (Kat. 2065) gemeinsam,
während das am nordwestlichen Ausläufer des Panayirdag prominente lydische Element in den
istrischen Befunden fehlt.
Die gebrauchskeramischen Alltagswaren zeigen in Istros eine Vorliebe für einerseits mit Rei-
fen und Wellenbändern verzierte Oberflächen, andererseits ist die Gattung der Grauen Ware, die
sich in den ephesischen Befunden abseits des Artemisions auf nur wenige Gefäße beschränkt, im
Aphroditeheiligtum von Istros stärker vertreten1598. Gerade die Riefelkannen, die in Ephesos der
unbemalten Ware angehören (Kat. 1171-Kat. 1173), zählen in Istros zu den typischen Vertretern
der Grauen Ware. Der für das 6. Jahrhundert vor allem für die Serviergefäße so bezeichnende
1595 Der Koloniebegriff wird hier sehr weit gefasst und ist allgemein im Sinne einer von außen initiierten Niederlas-
sung und ungeachtet seiner näheren funktionalen Spezifikation, wie er in den Begriffen Emporion, Apoikia etc.
zum Ausdruck kommt, zu verstehen. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Koloniebegriff erfolgte zuletzt
bei Donnellan 2016, bes. 109—111 mit Lit.
1596 s. dazu Lambrino 1938; Condurachi 1966; Alexandrescu 1978; Alexandrescu 2005b; Dupont 2005a; Dupont
2005b; Bfrzescu 2012a.
1597 In den Befunden an der Nordostterrasse des Panayirdag ist dieser Zeithorizont auch stratigrafisch nachgewiesen.
Speziell zur vorklassischen Keramik vgl. von Miller 2013 sowie von Miller 2015.
1598 Vgl. Alexandrescu 2005b, 353-355 Nr. C.135. C.136 Abb. 45. 46; 354 f. Nr. C.140. C.142. C.145. C.146 Abb.
46; 357 f. Nr. C.158. C. 159 Abb. 47.