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Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Hrsg.]; Württembergischer Altertumsverein [Hrsg.]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Hrsg.]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Hrsg.]
Fundberichte aus Schwaben — N.F. 3.1926

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Fundberichte
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Jüngere Steinzeit
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Krämer, Augustin: Die "Pfahlbauten" vom Federsee in Oberschwaben in ethnographischer Beleuchtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.43774#0037

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25

Die „Pfahlbauten“ vom Federsee in Oberschwaben
in ethnographischer Beleuchtung.
Von Augustin Krämer.
In der Januarsitzung 1926 des Württembergischen Anthropologischen
Vereins berichtete Oberförster Staudache r-Buchau über seine Unter-
suchungen im Federseegebiet. Hinsichtlich der Hausformen betonte er, daß
es sich hier nicht um Pfahlbauten, sondern um Moorbauten gehandelt habe.
Prof. Dr. R. R. Schmid t-Tübingen hingegen hielt an seiner Ansicht fest,
daß er neben 40 Moorbauten 5 Pfahlbauhäuser ausgegraben habe, die einst
etwa % m über dem Moor standen.
Was man bei uns gemeinhin unter Pfahlhäusern versteht, ist, daß bei
einem Holzbau der Hausboden von der Erde oder vom Wasser durch einen
offenen Zwischenraum getrennt ist, durch den der Wind hindurchstreichen
kann.
Es scheint mir nötig, auch die Ethnologie für die Frage des Vor-
kommens solcher Pfahlbauten in unseren Breiten heranzuziehen. Vor allem
das indisch-indonesische Gebiet und Neu-Guinea sind
für diesen Zweck der Betrachtung wert, da Pfahlhäuser heute noch dort am
vielseitigsten und verbreitetsten sind. Gerade hier findet man ja auch noch
Vertreter der frühesten Kultur, nämlich die S e m a n g auf Malakka, die
Andamanesen, die Aeta auf den Philippinen, und zahlreiche Pygmäen-
stämme im Innern von Neu-Guinea. In der Hauptsache handelt es sich näm-
lich um Pygmäen oder wenigstens kleinwüchsige negritische Stämme.
Ihr stoffliches Gut ist heute noch sehr einfach: statt Häuser haben sie Wind-
schirme oder kümmerliche Schutzdächer, als Boote den Einbaum in Trog-
form, als Waffen den Pfeilbogen, Spieße und Keulen in einfachster Form;
die Körbe (und Töpfe) sind kegelförmig, unten spitz; die Matten sind in Roll-
ladenform, als Schmuck dient Bemalung. Merkwürdig ist, daß meist geschliffene
Steinwerkzeuge fehlen, natürlich auch Eisen; wo solches vorhanden ist, wird
es durch den stummen Handel erworben, wie bei den Wedda auf Ceylon
und bei den afrikanischen Pygmäen. So konnten ursprünglich
auch keine vollkommeneren Häuser gebaut werden; man begnügte sich mit
dem einfachsten Unterschlupf unter Schutzdächer, Felsüberhänge usw.
Der Schießbogen bedarf ja neben dem Prügel wenig Bearbeitung.
Deshalb ist diese Waffe in der Primärkultur so verbreitet. Für die
Pfeile genügt ein Stück Schilfrohr mit aufgesetzter, gehärteter Spitze.
Der Pfeilbogen dient bei vielen Völkern heute noch in der Hauptsache zur
Jagd und Fischerei, seltener als Kriegswaffe. Vergiftete Pfeile mit
Bogen und Blasrohr entsandt, waren neben Schlingen und Fallgruben für
die Primitiven die einzigen Möglichkeiten, sich der wilden Tiere, im indischen
Gebiet vornehmlich Tiger, Nashorn und Elefant, zu erwehren oder zu be-
mächtigen. So wird es begreiflich, daß Reste von Pygmäen, wie die Anda-
manesen, nur noch auf der Westinselkette von Sumatra nachzuweisen sind,
während sie auf Sumatra und Java, wo der Tiger eben noch vorkommt,
vielleicht überhaupt nicht vorhanden waren. In der ihnen zusagenden, ab-
geschlossenen Umgebung blieb die Kultur dieser Primitiven äußerst starr,
ohne Entwicklung. Erst die freiwillige oder erzwungene Uebersiedelung in
die Gebiete größerer Gefahren und wertvollerer Rohstoffe, kurz günstiger
 
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