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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 4): Denkmäler der neueren Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3504#0018
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Die Kirche St. Zacharias zu Venedig.

Einige Jahre vor Gründung des Klosters St. Zacharias durch die Dogen Angelo und Giustiniano
(809 — 827) war nahe bei demselben eine Kirche erbaut worden, die ebenfalls dem Vater des Vorläufers
Christi geweiht war und für deren Gründer man den Bischoff Magnus hält. Die Geschichtsschreiber
Venedigs erzählen hierüber Folgendes: Im Anfange des IX. Jahrhunderts war dieser fromme Priester
gezwungen worden mit seiner Gemeine die Stadt Uderzo zu verlassen, die damals von Rothari, dem
Longobarden-Fürsten, mit Zerstörung bedroht wurde; er zog sich in die Lagunen zurück und gründete
daselbst nach und nach vier Kirchen. Nachdem dies geschehen, erschien ihm der heilige Johannes, der
Täufer, und trug ihm auf noch zwei neue Kirchen an den von ihm bezeichneten Orten zu erbauen, deren

eine den Namen des Vorläufers Christi, die andere den seines Vaters tragen sollte.

Einige Schrift-

steller wollen gar die Gründung des Klosters und der Kirche St. Zacharias in die Zeit Innocenz's I. CPapst
von 402 — 417) zurückdatiren, was aber nicht wahrscheinlich ist, da sonst die Erbauung dieses Klosters
und dieser Kirche um vieles früher als die der Kirche St. Jacobus des Aelteren, des Apostels, auf dem
Rialto fallen würde, welche letztere alle Geschichtsschreiber Venedigs für die erste und älteste Kirche
ihrer Stadt halten. Nach aller Wahrscheinlichkeit wurde die dem St. Zacharias geweihte Kirche gegen
das Jahr 817 unter dem Dogat des Giustiniano Participazio erbaut. Der byzantinische Kaiser Leo III., der
um diese Zeit (Kaiser von 813 — 820) lebte, soll, so sagt man, zu dem Bau dieser Kirche beigesteuert haben.,
was aus einem Documente, das von Giustiniano selber ausging, hervorgeht, wenn man sich auf das stützen
kann, was Sansovino *~) darüber in dem ersten Buche seiner Geschichte der Stadt Venedig gesammelt und
publicirt hat. — Zwei Jahrhunderte später, im J. 1105 wurde diese erste Kirche ein Raub der Flammen;
wieder aufgebaut dauerte sie bis zur Mitte des XV. Jahrhunderts, wo sie, vom Zahn der Zeit sehr ange-
griffen, in Ruinen verfiel. Die Nonnen fassten den Entschluss eine neue geräumigere und prächtigere
Kirche zu erbauen, auf ihr Geheiss wurde seltenes und kostbares Marmormaterial gesammelt, und im
J. 1456, als Foscari Doge war, begann der Bau. Nach den venetianischen Geschichtsschreibern soll der
Papst Calixtus III. im J. 1456, Papst Pius II. im J. 1458 und Papst Innocenz VIII. im J. 1485 einen
Ablass für diejenigen ertheilt haben, die durch freiwillige Spenden zur Vollendung dieses Baues beitrügen.
Auch der Senat Venedigs, in dankbarer Erinnerung daran, dass einst die Nonnen dieses Klosters die Stadt
mit ihren Geldern unterstützt hatten, als diese mit den Lombarden Krieg führte, förderte dies fromme
Unternehmen durch ein Geschenk von 2000 Ducaten, und Hess es hierbei nicht bewenden; er beauftragte
seine Gesandten beim päpstlichen Hofe in Rom, den Papst um neue Indulgenzen zu Gunsten dieser
Kirche zu bitten, in der, fügte er bei, eine grosse Zahl heiliger Gebeine ruhten, und die nach einem
alten und ehrwürdigen Brauche alljährlich am Österfeiertage von dem Dogen und dem Senate besucht würde.

Was diesen Besuch anbetrifft, der alljährlich in pomphaftester Weise abgestattet werden musste, so
sind über den Ursprung und die Veranlassung zu demselben die Geschichtsschreiber Venedigs verschie-
dener Meinung. Einige datiren ihn zurück bis in die Zeit des Dogen Giustiniano, den Gründer des Klosters;
andere schreiben ihn aus der Zeit Benedictus III. (Papst von 855 - 85S) her, der, nachdem er auf den
päpstlichen Stuhl gelangt war, der Aebtissin Morosini die Gebeine des heil. Pancratius und der heil. Sabina
als Geschenk übersandte, welche Translocation zu einem Decrete Veranlassung gab, nach dem der Doge
jährlich einmal diese Kirche besuchen und den Gräbern dieser Heiligen seine Verehrung bezeigen musste.
Noch Andere endlich schreiben diesen Besuch aus dem Anfang der Regierung des Dogen Sebastian
Ziani (1173) her, und nach ihnen wurde dieser Besuch feierlich decretirt, um den Nonnen für die Ueberlassung
eines Theils ihres Gartens zu danken, wodurch der Dogenpallast vergrössert und der öffentliche Platz
(der später den Namen von S. Marco erhielt) erweitert werden konnte; eine Meinung übrigens, die sich
vollständig durch alte Documente, die noch existiren, unterstützt findet. Es sei uns gestattet noch einige
Details über diesen Besuch hier beizubringen. Alljährlich am Österfeiertage (mehrere Geschichtsschreiber
sagen am Festtage des Heiligen) machte der Doge, nachdem er die Predigt in der St. Marcus - Kirche
gehört hatte, in Begleitung der Gesandten der fremden Höfe und der Senatoren der Republik den oben
erwähnten Besuch und begrüsste die Aebtissin dieses Klosters. Bei Gelegenheit eines solchen Besuchs
soll, so erzählt man, der Doge Pietro Gradenigo (1289) von der Aebtissin jenen Kopfschmuck zum Ge-
schenk erhalten haben, der in der Folge die Dogen-Krone, das sogenannte corne ducale wurde. Man
erzählt weiter, dass dieser selbe Doge, der, indem er alle politische Parteien schonen wollte, allen ein
Aergerniss war, an der Thüre dieser Kirche niedergemacht wurde, als er dem jährlichen Feste beiwohnen

*) Der Sohn des berühmten Architecten.
Denkmäler der Baukunst. LV. Lieferung.
 
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