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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 4): Denkmäler der neueren Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3504#0023
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Das Grabmal fles Dogen Vandramini in Venedig.

Die Kirche San Giovanni e San Paolo in Venedig ist nicht allein die grösste dieser Stadt sondern auch
eines der merkwürdigsten Bauwerke unter der grossen Zahl derjenigen, die aus Venedig ein wahres archi-
tektonisches Museum machen. Man kennt die Zeit der vollständigen Beendigung des Baues dieser Kirche
nicht, eben so auch nicht den Baumeister, der zu ihr den Entwurf machte. Cicognara hat zu erweisen ge-
sucht, dass dies kein anderer als Nicola Pisano gewesen sein könne, der im dreizehnten Jahrhundert die
Bauarbeiten an der Kirche Dei Frari leitete; es giebt indessen nichts Bestimmtes über diesen Punkt.

In der Kirche San Giovanni e San Paolo befindet sich das Grabmonument des Dogen Vandramini. Er
selber ist wenig berühmt, seine Regierung war nur kurz und bot nichts Merkwürdiges dar. Venedig ver-
dankt ihm nichts als die Erhaltung des Friedens in einer Zeit, wo derselbe schwierig war und Verschwö-
rungen die Nachbarstaaten umwälzten. Er kam im Anfang des Jahres 1476 zur Regierung und starb am
6. Mai 1478. Sein Grabmal, viel berühmter als er selbst, ist das Werk Alessandro Leopardo's, eines Archi-
tekten und Bildhauers, der um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts in Venedig geboren wurde und da-
selbst im Jahre 1510 starb.

Das in der Kirchenmauer eingemauerte Grabmonument wird durch eine Arcade gebildet, die sich auf
einem Unterbau erhebt und von einem Gebälk gekrönt wird. Die Arcade, die den Sarkophag des Dogen
aufnimmt, hat zu jeder Seite eine Flügelwand. Das Ganze bietet nach seiner Breite drei Abtheilungen dar,
eine mittlere etwas vorspringende und zwei Seitenpartieen, jede halb so breit als die mittlere.

Der Unterbau des Monumentes theilt sich der Höhe nach in zwei Theile, in ein erstes und in ein zweites
Stylobat; ersteres ist niedrig und hat ein Fuss- und Krönungsgesims; es erhebt sich auf einem Sockel, der
sich für die mittlere Partie in drei Stufen profilirt; dasselbe ist mit Arabesken und Rosetten verziert. Das
zweite Stylobat springt über dem ersten etwas zurück und ist viel höher als jenes, und bildet das Piedestal
für die Säulenstellung darüber; es folgt dem Vorsprunge der Säulen der Arcade und ist an seinen Enden
durch achteckige Pfeiler begränzt, die zu Piedestalen für Figuren dienen, welche den Statuen römischer
Kaiser ähnlich sehen. Die Wandfläche dieses Stylobats ist mit Sculpturen bedeckt, die sich in Füllungen
befinden, welche letztere mit der Eintheilung des Ganzen correspondiren. In dem Mittelfelde befindet sich
eine Inschrifttafel, die von zwei Engeln gehalten wird. Die Inschrift ist folgende:

AiVDREAE VANDRAMENO DUCI
OPUM SPLENDORE CLARO SED EX MIRA IN PATRIAM
PIETATE OPUIYI ÜSIJ LONGE CLARISSIMO QUI CROIA
TURCARUM OBSIDIONE LIBERATA EVRUNDENIO
IRRIJPT10NE I1V CARNIAM REJECTA FELIX INSIGNI
PROLE IMPLETIS OMNIBUS ET FORTUNAE ET

NATURAE ET VIRTUTIS NIJMERIS PRINCIP ATUS
BREVITATEM SEMPITERNA COELIGLORIA COMPENSAT.

VIXIT ANNOS LXXXV MENSES VIII

OBIIT PRIDIE NONAS MAII

ANNO MCCCCLXXIIX

PRINCIPATUS SUI ANNO SECUNDO.

Die Säulen der Arcade sind von korinthischer Ordnung; der Schaft derselben ist auf ein Drittel seiner
Höhe an der Stelle, wo die Verjüngung des Schaftes beginnt, mit einer Guirlande verziert. Die Säulen
sind zehn untere Durchmesser hoch und haben attische Basen. Dieselben tragen ein vollständiges Gebälk,
dessen Fries mit einer Blumenzierde reich verziert ist. Die Flügelwände sind von Pflastern begränzt, deren
Schäfte mit Arabesken bedeckt sind. Diese Flügelwände haben Nischen, in denen die Statuen Adams und
Evas stehen, ) und über den Nischen befinden sich Medaillons mit Darstellungen aus der Mythologie.

Der Sarkophag ist zwischen den beiden Säulen aufgestellt; er ruht auf einem Untersatz, der mit Pflastern
verziert ist; zwischen diesen Pflastern sind Nischen angebracht, in denen Statuetten stehen, die die sieben
theologischen Tugenden darstellen. Der Sarkophag, auf dem die Statue des Dogen in seiner Amtstracht
ruht, hat die Form eines Bettes, das von Adlern getragen wird. Drei Figuren mit Fackeln in den Händen
scheinen bei ihm zu wachen. In dem Halbkreisfelde, das die Archivolte der Arcade begränzt befindet sich
eine auf den Verstorbenen bezügliche Darstellung: der knieende Doge wird der Jungfrau durch einen Hei-
ligen vorgestellt, in dem man den Apostel Johannes, einen der Schutzpatrone der Kirche, vermuthen kann.
Wenn diese Vermuthung richtig ist, so würde die andere als römischer Krieger gekleidete Figur, die auf
der anderen Seite der Jungfrau steht, der Apostel Paulus, der andere Schutzpatron der Kirche, sein. Wir
wollen bei dieser Auslegung nichts behaupten und nur sagen, was uns wahrscheinlich dünkt, es ist schwierig
sich über die wahre Bedeutung von Sculpturen auszulassen, bei denen der religiöse Charakter so schmäh-
lich travestirt erscheint.

Die Flügel stellen eine Art Attika dar, deren Höhe der der Arcade entspricht. Diese Attika wird von
Pflastern begränzt, die ein vollständiges zweites Gebälk tragen. Auf den Wänden der Attika ist an der

•) An dem Fusse dieser Statuen findet sich der Name des Bildhauers Tullio Lombardo, der sie gearbeitet hat.
Denkmäler der Baukunst. LVI. Lieferung.
 
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