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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 4): Denkmäler der neueren Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3504#0085
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Das Grabmal der Cardinäle Amboise zu Rone«.

Georg von Amboise, Erzbischof von Rouen, Cardinal und Legat des Pabstes wurde 1460 auf dein
Schlosse Chaumont geboren. Sein Vater war Peter von Amboise, Herr von Chaumont und von Meillan,
Kammerherr Karls VJI und Ludwigs XI, seine Mutter war Anna von Bueil, eine Tochter des Grossmeisters
der Armbrustschützen. Georg war erst vierzehn Jahr alt, als er durch den Einfluss seiner alten und mäch-
tigen Familie das Bisthum Montauban erhielt. Spater wurde er auf den erzhischöflichen Stuhl von Narbonne
erhoben, den er gegen den von Rouen vertauschte, um dem Herzog von Orleans, dem Generalstatthalter
der Normandie nahe zu sein, dessen Gunst er besass. Er war diesem Fürsten ganz ergeben und iheilte
nach der Schlacht von Saint- Aubin dessen Misgeschick. Als nach dem Tode Carls VIII der Herzog von
Orleans den Thron bestieg, ernannte ihn dieser zu seinem ersten Minister und hörte nicht auf ihm sein
ganzes Vertrauen zu schenken. Der tugendhafte Praelat zeigte sich desselben vollkommen würdig: er be-

wies grosse Geschicklichkeit in der Leitung der Staatsangelegenheiten und brachte es durch gute Verwal-
tung des Staatsvermögens dahin, dass die Auflagen, die das Volk drückten, verringert werden konnten.
So verdiente er denn dem guten Beinamen, der das Gedächtniss Ludwigs XII ewig ehren wird, beigesellt
zu werden.

Georg von Amboise liebte leidenschaftlich die Künste wie alle Glieder seiner Familie, die Dusommerard
deshalb „die französischen Mediceer" genannt hat. Unermesslich reich wie er war Hess er eine beträcht-
liche Menge von Bauwerken errichten, deren berühmtestes das Schloss Gaillon ist, in dem er eine ausser-
ordentliche Pracht entfaltete. Von Natur freigebig bewies er sich besonders gegen die Stadt Rouen generös,
die ihm ausser mehreren Fontainen auch die Vollendung des berühmten Butterthurms, *) so wie das west-
liche Portal der Kathedrale, das Justizpalais und das Bureau der Finanzen verdankt, schöne Bauwerke,
die eben so von der Munificenz des Praelaten als von seiner besonderen Vorliebe für diese Stadt Zeugniss
ablegen, in der sein Name noch heute unter dem Volke fortlebt.

Nach einem wohl angewendeten Leben, das bekanntlich der Geschichte angehört, starb Georg von
Amboise am 25. Mai 1510 zu Lyon. Sein Leichenbegängniss, das 30,000 Livres kostete, war prachtvoll.
Fürsten von Geblüt, so wie mehrere Gesandte und eine unzählige Menge von Praelaten, Geistlichen und
Edelleuten wohnten demselben bei. Seine sterblichen Reste wurden auf einem Leichenwagen, den hundert
Kerzenträger umgaben, nach Rouen gebracht, wo sie am 29. Juni ankamen; überall auf dem Wege waren
ihnen königliche Ehren erwiesen worden und sie wurden nach neuen und kostbaren Feierlichkeiten in der
Kapelle der h. Jungfrau in der Kathedrale beigesetzt, wie es in seinem Testamente in folgenden Worten
bestimmt war: „SHl plait ä Messieurs du chapitre, ils feront mettre mon corps devant Nostre-Dame, en la
qrande chapelle, ou sont enterres mes predeeesseurs; et pour faire ma tombe, je ordonne deux mitte e'cus au
soleil, et je entends qiCelle soit de marbre."

Dem normannischen Alterthumsforscher Deville verdankt man es, dass wir den lange Zeit unbekannten
Namen des Künstlers kennen, der diesen letzten Willen Georgs von Amboise verwirklicht hat. Wir ent-
nehmen die nachfolgenden interessanten Details seinem Werke, "*) in dem er die glücklichen Resultate
seiner in dem Archive der Kathedrale angestellten Nachforschungen niedergelegt hat. Dergleichen For-
schungen können nicht genug angestellt werden, sie Averden uns aller Wahrscheinlichkeit nach zahlreiche
Entdeckungen über die Baumeister des Mittelalters und über die so wenig bekannte damals gebräuchliche
Terminologie zuführen.

Im Jahre 1513 beklagten sich die Mitglieder des Capitels, dass man ihrem alten Erzbischof noch kein
Denkmal gesetzt habe. Die drei folgenden Jahre verstrichen indessen ohne dass man dasselbe begann.
Doch wurde während dieser Zeit der Entwurf zu dem Grabmal von dem Capitel berathen und endlich an-
genommen. Zu seiner Ausführung war die Wahl anfangs auf einen gewissen Pierre Valence gefallen, einem
maitre magon der Stadt Tours, dessen Geschicklichkeit sich bei dem Bau des Schlosses Gaillon gezeigt
hatte. Man sandte daher nach Tours einen Boten, ,.pour avoir son opinion sur le faict de la d. sepulture,
et pour sgavoir sHl voudroit entreprendre Pouvrage d'icelle avec ses compagnons." Pierre Valence nahm in-
dessen diesen Auftrag nicht an, wie es scheint, denn man übertrug dem Baumeister der Kathedrale von
Rouen zuletzt die Ausführung des Denkmals. Derselbe nannte sich Roullant le Roux und muss gewiss
zu den grössten Künstlern des XVI Jahrhunderts gezählt werden. Er erhielt als Honorar in zwei Zahlungen
die Summe von achtzig Livres.

*) Tour de Beurre wird dieser Thurm deshalb genannt, weil er von dem Gelde erbaut wurde, das für die Erlaubniss, während

der Fasten sich der Butter bei Bereitung der Speisen bedienen zu dürfen, gezahlt wurde,
'*) Man sehe die Literatur am Ende dieses Aufsatzes.
Denkmäler der Baukunst. I.XXVIII. Lieferung.
 
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