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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 4): Denkmäler der neueren Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3504#0031
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Sanct Marcus-Bibliothek zn Venedig.

(Der Text nach Jules Gailhabaud.)

Im Jahr 1300 schenkte Francesco Petrarca, so wie hundert Jahr später der Cardinal Bessarion,
Patriarch von Constantinopel, früher Erzbischof von Nicea, der Republik Venedig eine Sammlung von
seltenen und merkwürdigen Büchern. Der letztere wollte sich durch diese Schenkung für die Ehre dankbar
erweisen, die ihm die Stadt durch seine Einschreibung unter ihre Nobili erwiesen hatte; auch soll ihm
kein Ort passender und sicherer als Venedig erschienen sein, um den von ihm mit grossen Mühen und
Kosten gesammelten Schatz so vieler griechischer Werke aus allen Wissenschaften aufzubewahren. Diese
Sammlung war Anfangs lange Zeit in einem vorläufigen Locale aufgestellt, als im .1. 1530 die Republik
beschloss, ein Gebäude zu errichten, das würdig sei, eine so kostbare Büchersammlung aufzunehmen und
sich für dasselbe nach einem Architekten umsah, dem man den Bau übertragen könnte. Die Wahl fiel
auf Jacopo Sansovino-), dessen Ruf damals in Aufnahme war, und dem man schon früher die bauliche

Jacopo Tatti, genannt Sansovino, ward zu Florenz im Jahr 1479 geboren. Von seiner frühesten Jugend an zeigte er eine
so entschiedene Neigung zur Zeichnenkunst, dass sein Vater, um Alles zur Ausbildung seiner glücklichen Anlagen zu thun,
ihn zu dem ausgezeichnetsten Bildhauer der Zeit, dem Andrea Contucci, der nach seinem Geburtsorte den Beinamen
Sansovino erhalten hatte, in die Lehre brachte. Der Meister bedachte den Ruhm, der auf ihn selbst zurückfallen musste,
wenn er ein so unverkennbares Talent ausbildete, und widmete demselben die unablässigste Sorgfalt; so ents.tand zwischen
Andrea Contucci und Jacopo Tatti ein so inniges Verhältniss wie zwischen Vater und Sohn. Dasselbe blieb nicht unbe-
merkt; die öffentliche Stimme heiligte es, indem sie dem Familiennamen Jacopos den Beinamen seines Meisters substituirte.
Enge Freundschaft vereinigte bald den Maler Andrea del Sarto mit Sansovino; mit angestrengtem Fleiss arbeiteten beide
Freunde zusammen, von gleichem Eifer beseelt, obgleich verschiedenen Künsten sich widmend.

Es kann hier nicht unsre Absicht sein die zahlreichen Sculpturvverke aufzuführen, die Sansovino in seiner Jugend
schuf, und die ihm einen ersten Rang unter den Künstlern seiner Zeit anwiesen; wir wollen nur in wenigen Zügen die
hauptsächlichsten Thatsachen zusammenstellen, die das Leben und die Arbeiten dieses berühmten Mannes betreffen, die wir
dem vortrefflichen Werke von Quatremere de Quincy entlehnen.

Die grosse Uebung im Zeichnen, die so viel zu den Fortschritten Sansovino's in der Bildhauerkunst beitrug, flösste
ihm auch Neigung zur Architektur ein. Diese Neigung musste sich noch vermehren durch die Verbindung, in die er mit
Giuliano da San Gallo kam, der sich damals gerade in Florenz aufhielt. Dieser zog ihn nach Rom, wo Bramante, dessen
Freund er wurde, ihm häufige Gelegenheit gab, die Antike zu studiren und Arbeiten verschiedener Art zu übernehmen.
Durch Krankheit, die ihm sein zu grosser Fleiss zugezogen hatte, ward er genöthigt, nach Florenz zurück zu kehren, wo
er in der heimathlichen Luft wieder genas.

Im J. 1515 wurde der Einzug Leo's X. in Florenz für die dortigen Künstler Veranlassung zu einer Menge Decorations-
arbeiten; Sansovino verdankte dieser Begebenheit die Veranlassung zu seinen ersten architektonischen Erfindungen. Man beauf-
tragte ihn, die Zeichnungen zu den Triumphbögen für den päpstlichen Einzug zu entwerfen; besonders aber zeichnete er
sich durch ein noch bedeutenderes decoratives Werk aus, welches er mit seinem Freunde Andrea del Sarto gemeinschaft-
lich ausführte; es war eine temporäre Facade der Kirche Santa Maria dei Fiori, die man in Holz ausführte. Diese Arbeit
gefiel dem Papste so sehr, dass er ihm den Auftrag gab, sein Talent von neuem in einem Entwurf zu einer Facade für
die Kirche des H. Laurentius zu üben; die Eifersucht des Michel Angelo vereitelte die Ausführung derselben. Sansovino
hielt sich nun mehrere Jahre in Rom auf, arbeitete mehrere Statuen, und befestigte sich in der Architektur durch Arbeiten,
die seinen Ruf als Architekten auszubreiten begannen. Die Sorge um die Herstellung seiner Gesundheit nöthigte ihn, noch
ein Mal nach Florenz zurückzukehren, das er nur verliess, um nach Venedig zu gehen. Hier trafen besonders zwei Um-
stände zusammen, ihn in dieser Stadt festzuhalten, die nun seine zweite Vaterstadt wurde, die hohe Protection des Dogen
Gritti und seine Verbindung mit Pietro Aretino und mit dem berühmten Tizian.

Bald darauf erfolgte der Tod Buono's. Sansovino erhielt seine Stelle und mit ihr die Vortheile, deren der Baumeister
der alten Procuratien sich erfreut hatte. In diese Zeit muss man seine Ausbesserung der Kuppeln der St. Marcus-Kirche
setzen. Von diesem Augenblick an gaben ihm die grossen Unternehmungen der Regierung Gelegenheit, sein ganzes Talent
zu entwickeln. Man beauftragte ihn im J. 1532 das Gebäude für die barmherzigen Brüder zu vollenden; dann fing er
unter den Auspicien des Dogen Gritti den Bau der Kirche S. Francesco della Vigna an. Das alte Gebäude der Münze
drohte den Einsturz, und musste von neuem erbaut werden, und auf Sansovino fiel die Wahl des Rathes, diesen Bau aus-
zuführen. Im Laufe des Jahres 1532 zerstörte ein Brand einen Theil des Pallastes des Procurators Cornaro: und bald
erhob sich unter Sansovino's Leitung an der Stelle dieser Ruinen ein grosses und prächtiges Bauwerk. Endlich kam jener
Beschluss für den Bau einer Bibliothek, um die kostbare Büchersammlung aufzubewahren, die der Republik von Francesco
Petrarca und von dem Cardinal Bessarion geschenkt worden war; der Senat, der dem Architekten der Münze seine Zu-
friedenheit bezeugen wollte, beauftragte ihn, einen Entwurf zu der Bibliothek vorzulegen, den er genehmigte. Der ver-
ständigen Anordnung seines Grundrisses, der Schönheit seiner Zeichnungen und der genialen Conception des Ganzen ver-
dankt Sansovino die Ehre der Errichtung dieses Bauwerkes, das man von nun an als sein Meisterstück betrachtete.

Mit des Meisters sich immer mehr verbreitendem Buhme hätten nun Rom und Florenz ihn gern wieder besessen;
allein Sansovino, der an die begonnenen grossen Bauunternehmungen die letzte Hand anlegen wollte, widerstand den
dringenden Anforderungen seiner Vaterstadt und Roms. Dazu kamen noch neue Aufträge, um ihn zurückzuhalten; so über-
nahm er nach einander den Bau eines prächtigen Pallastes für Zuan Delfino, so wie den der reizenden Loggia, welche
den Fuss des Campanile ziert, dann die Vollendung der Kirche S. Spirito und der von S. Fantino.

Das Glück wollte jedoch dem Sansovino nicht immer lächeln. Ein unglücklicher Einsturz, der sich ereignete, als er
mit den letzten Arbeiten an der Bibliothek beschäftigt war, brachte ihn in's Gefängniss, aus dem er nur mit Mühe durch
die Fürsprache eines Gesandten und die Ergebenheit seiner Freunde befreit wurde.

Da wir uns unmöglich in eine lange Aufzählung der von diesem Architekten errichteten Bauwerke einlassen können,
die alle mehr oder weniger ihr besonderes Verdienst haben, so begnügen wir uns, hier noch die Schule San Giovanni
degli Schiavoni, die Kirche des H. Martin bei dem Zeughause und die der Unheilbaren anzuführen, so wie die Fabbriche
Nuove am grossen Canal und die Kirche S. Geminiano im Hintergrunde des St. Marcus-Platzes.

Noch viele andere, nicht minder bedeutende Werke verdankt man dem Sansovino: so unter den Mausoleen, die er
ausführte, das Grabmal des Erzbischofs von Cypern in der Kirche S. Sebastiano, und das des Dogen Veniero in der Kirche
San Salvatore; endlich müssen wir noch die schönen bronzenen Thüren der Sacristei von San Marco erwähnen, zu denen
er die Zeichnungen lieferte.

Sansovino starb in einem Alter von 91 Jahren, den 27. November 1570.

Denkmäler der Baukunst. XXXIX. Lieferung.
 
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