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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 4): Denkmäler der neueren Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3504#0198
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Die Docks in London.

In England, das alle Nachtheile aber eben so auch alle Vortheile einer wesentlich commerciellen
Organisation geniesst, hat man den grössten Theil der unzähligen Vervollkommnungen zu suchen, die seit
dem Anfang dieses Jahrhunderts in der Industrie gemacht worden sind. Die Engländer haben uns gelehrt
das Leinengarn auf Maschinen zu spinnen, Eisenbahnen zu bauen, die Maschinen der Dampfschiffe ein-
zurichten u. s. w.; und dies nicht etwa wie sie selbst gestehen, weil der Geist der Erfindung mehr bei
ihnen als bei den anderen Völkern entwickelt ist, sondern allein deshalb, weil sie mit seltener Klugheit
die glücklichen Gedanken, die an den vier Enden der Welt aufschiessen, zu nutzen wissen und stets
darauf sinnen sie nutzbar zu machen, indem sie ihre Entwickelung und die Verbesserungen, deren sie
fähig sind, veranlassen. Ausserdem können geschickte Combinationen, und die Engländer glänzen in
solchen, zu wirklichen Erfindungen werden. So sind zum Beispiel die Grund-Bestandteile eines Docks
d. h. ein Bassin, das immer eine bestimmte Wassermenge enthält, verschlossene Magazine für Kaufmanns-
güter, und eine Ringmauer an sich gewiss nicht viel Neues, nicht sehr Unerwartetes; aber die geschickte
Vereinigung dieser Elemente bildet ein Ganzes, das mit Klugheit verwaltet zu einer wahren Erfindung
und zu einer der fruchtbarsten wird.

Man benennt mit dem Namen Docks Etablissements, die hauptsächlich bei Seehäfen angelegt ein oder
mehrere grosse schiffbare Bassins, Magazine für Kaufmannsgüter, und Maschinen zum Laden und Ausladen
der Schiffe enthalten und von einer Mauer umschlossen werden, dass Nichts ohne Ueberwachung weder
eingehen noch ausgehen kann, eine Ueberwachung, die leicht auszuüben und nichtsdestoweniger doch
nicht minder kräftig, als nothwendig ist.

Die Vortheile, welche aus der Anlage der Docks dem Seehandel erwachsen, sind unermesslich; sie
genügen zu gleicher Zeit dem materiellen Bedürfniss desselben und erleichtern den ihm nöthigen Credit.

Die Docks sichern zu gleicher Zeit — und dies hat ohne Zweifel zuerst auf ihre Anlage geführt — die
Erhaltung der Schiffe und der von ihnen geladenen Waaren. Sie sorgen für die Sicherheit der Schiffe, indem
sie sie den Unfällen entziehen, die entweder aus der Anhäufung derselben in den Meeres- oder Flusshäfen
oder bei dem Rücktritt des Meeres für sie entstehen können, wenn sie während der Ebbe auf den Sand
oder Grund gerathen, Gefahren, die nur vermieden werden können, wenn die Schiffe an einem Orte unter-
gebracht werden, wo keine Ueberfüllung geduldet wird und wo Ebbe und Fluth dispensirt ist. Die Docks
sorgen ferner auch für die gute Erhaltung der Waaren, indem sie einerseits den Diebstahl') unmöglich
machen, andererseits in den Magazinen alle Vorsichtsmaassregeln getroffen sind um dem Verderben der
Waaren vorzubeugen, das bei einigen djurch schlechte Witterung oder durch den Wechsel der Temperatur
herbeigeführt werden kann. Die bewundernswerthe Schnelligkeit, mit welcher mittelst der vervollkommneten
Maschinen, deren man sich in den Docks bedient, sich Schiffe laden und ausladen lassen, schafft für die
Kaufleute dreifache Vortheile: Ersparung an Zeit, Ersparung an Kosten für das Laden und Ausladen der
Schiffe und eine Verringerung der Verluste, die aus Havarie jeder Art entstehen.

Aber wodurch die Docks hauptsächlich den grössten Einfluss auf die Entwickelung der Handels-
industrie üben, ist, dass sie besonders den Entrepöt-Handel begünstigen und gewisse finanzielle Combina-
tionen möglich machen, die zur unmittelbaren Folge eine beträchtliche Ausdehnung des kaufmännischen
Credits haben. Dieser Punkt scheint uns von so hoher Wichtigkeit zu sein, dass wir uns nicht enthalten
können eine Stelle aus einem Aufsatze Blanqui's hier mitzutheilen, in dem dieser Oekonomist das System
von Geschäften analysirt, das in England durch die Niederlage der Waaren in den Docks hervorgerufen
wird. „Die Engländer haben das Mittel gefunden ihren Docks eine eigenthümliche Nützlichkeit zu geben,
die vielleicht höher anzuschlagen ist als die materiellen Vortheile, die sie aus ihnen ziehen. Sobald eine
Waare in dem Speicher eines Docks niedergelegt ist, übergiebt die Direction dieses Docks dem Depo-
nenten oder Disponenten eine Bescheinigung oder Warrant des Inhalts, dass für seine Rechnung die und
die Waare von dem und dem Gewicht, von der und der Beschaffenheit magazinirt worden sei. Diese
Bescheinigung dient ihm als Besitztitel; sie ist übertragbar durch Indossement, und dieses Indossement,
wenn es regelmässig ist, beweist allein das Factum des Verkaufs. Diese Warrants sind theilbar und
werden den Maklern übergeben, die damit die wichtigsten Handelsoperationen vornehmen, ohne dass die
Waare den Platz wechselt und daher nicht weiter mit Transportkosten beschwert wird. Wenn der Eigen-
tümer der Waare sie gegen Geld umtauschen oder sie einfach unter Gewährleistung eines bestimmten
Preises verwahrlich niederlegen will, so Übermacht er den Warrant darüber einem Banquier, der ihm darauf

*) Diese Diebstähle belaufen sich in dem Hafen von London bis zu der enormen Summe von über zwei und eine halbe
Million Thaler jährlich.

Denkmäler der Baukunst. Cl. Lieferung.
 
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