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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 4): Denkmäler der neueren Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3504#0126
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Die Kirche Saint-Etienne du Mont in Paris.

Gegen den Anfang des VI Jahrhunderts Hess Chlodewig auf dem Mons Lucotitius eine kleine Basilika
bauen, die zuerst den Aposteln Petrus und Paulus, sodann der heiligen Genofeva geweiht war. Diese
Stiftung zog, so sagt man, eine Zahl von Parisern und von Landleuten aus der Umgegend nach diesem
Orte, die Verehrer der Jungfrau von Nanterre waren. So entstanden nach und nach um die Kirche Wohn-
häuser, und die Bevölkerung des Ortes stieg bald zu einer Höhe an, dass man daran denken musste,
ihr einen geistlichen Hirten zu geben. Aber es möchte scheinen, dass anfangs und während einiger Zeit
nur ein einziger Priester die Sacramente verwaltete, und dass der Ort der religiösen Versammlungen
damals die Krypta der erwähnten Basilika war. Der Ursprung dieser Kirche war also wie der vieler
anderen eine bescheidene Kapelle oder Oratorium. Die Dinge blieben wahrscheinlich so während der
Herrschaft der Merovinger und der der Carolinger, und die Krypta genügte während dieser Zeit für die
kleine Zahl von Christen, die den Berg bewohnten. Dieses Factum erklärt sich übrigens aus den unglück-
lichen Einfällen der Normannen, die zu wiederholten Malen während des XI Jahrhunderts die Abtei der
heiligen Genofeva plünderten und in Brand steckten. Aber jedesmal siedelten sich die Bewohner wieder
von Neuem an dem verlassenen Orte an, sobald sie sich durch Verträge vor der Beraubung durch die
Normannen geschützt sahen, und der Gottesdienst begann wieder in der Krypta der Abteikirche. Dies
währte so bis zu dem Ende des XII Jahrhunderts Ql 190), in welcher Zeit Philipp August die neue Stadt-
mauer von Paris bauen Hess. Im Schutze dieser Mauer siedelten sich nun die Pariser in Menge auf dem
noch unbebauten Theil des Berges an. Die Vermehrung der Bewohner dieses Ortes ging mit einem Mal

in so beträchtlichem Verhältniss vor sich, dass man sich gezwungen sah,

für das religiöse Bedürfniss

derselben eine besondere Kirche zu erbauen. In diese Zeit fällt ohne Zweifel die Gründung der jetzigen
Kirche. Unter diesen Umständen ging man die Mönche des Klosters der heiligen Genofeva um den Grund
und Boden zu dieser Kirche an. Der Abt trat ein Stück Land, das in der Nähe der Klosterkirche lag,
zu diesem Zwecke ab, und man erbaute auf demselben eine kleine dem heiligen Stephan geweihte Kapelle.
Die Geschichtschreiber stimmen aber nicht überein in Bezug auf das genaue Datum dieses Baues, der
um das Jahr 1220 statt gefunden zu haben scheint. Genug, diese Kapelle befand sich vermöge ihrer
Lage in vollständiger Abhängigkeit von der Abtei und innerhalb ihrer Ringmauer, und man konnte zu ihr
nur durch eine Pforte gelangen, die in die Mauer der Abtei gebrochen war. Die Kapelle des heiligen
Stephan blieb mehrere hundert Jahre unter der Autorität des Klosters. Aber alle Theile des Berges waren
in Folge der hier angelegten Schulen, der Sorbonne, der maisons princieres":) so stark bebaut und bevölkert
worden, dass die Kapelle nicht mehr für das religiöse Bedürfniss genügte und die ganze Bevölkerung nach
einer grösseren Kirche verlangte. Im Jahre 1491 überreichten die Kirchenvorsteher den Mönchen der Abtei
ein Einschreiben, worin sie um das nöthige Terrain zur Vergrösserung der Kapelle baten; sie baten ferner
noch um die Erlaubniss einen besonderen Eingang zu ihrer Kirche und einen Glockenthurm mit Geläute
anlegen zu dürfen. Ein Theil ihrer Bitten wurde ihnen gewährt: das Capitel gab das Terrain her, es
erlaubte auch ein eigenes Geläute und den Bau eines Glockenthurms unter der Bedingung, dass derselbe
ohne Spitze endigte; aber der besondere Eingang wurde mit Bestimmtheit abgeschlagen. Dagegen
verpflichtete sich der Kirchenvorstand von St. Stephan, an das Kloster eine jährliche Rente von zehn
Livres zu zahlen, die Kirchengemeine aber alljährlich dem Abte am Festtage ihres Kirchenschutzheiligen
eine gelbe Wachskerze von einem Pfunde Gewicht darzubringen. Nachdem der Kirchen vorstand die
Erlaubniss zum Bau erhalten hatte, wollte man Hand ans Werk legen, als man wahrscheinlich einsah,
dass es um Vieles besser sei, gleich eine neue Kirche zu bauen als sich mit der projeetirten Vergrösserung
zu begnügen. Aber fehlte es nun an Geld oder kam sonst etwas dazwischen, der Bau wurde erst einige
Jahre später, nämlich in den ersten Jahren der Regierung Franz des Ersten begonnen. Zu dieser Zeit
fing man zuerst mit der Ostseite der Kirche an d. h. mit dem Chore; sodann baute man einen grossen
Theil des nördlichen Seitenschiffs und die daran gelegenen Kapellen; endlich um die Mitte des XVI Jahr-
hunderts wurde der Bau mit solcher Thätigkeit betrieben, dass der Bischof von Paris im Jahre 1541 den
Bischof von Megara mit der Weihung der Altäre des fertigen Theils der Kirche beauftragen konnte. Indessen
war die Kirche erst zum Theil fertig, als es schon an Geld zur Fortsetzung des Baues fehlte. Da kam
der Bischof von Paris dadurch dem Werk zu Hülfe, dass er dem Kirchenvorstande zur beschleunigteren
Vollendung der neuen Kirche den Werth der Opfergaben überwies, die die Gemeindeglieder für den frei
gegebenen Gebrauch der Milch und Butter während der Fasten darbrachten; eine Gewährung, die er zu

Diese Daten geben, mit den verschiedenen Theilen

demselben Zweck im Jahre 1552 und 1563 wiederholte.

*) Von gewissen Abgaben befreite Häuser.
Denkmäler der Baukunst. LXVIII. Lieferung.
 
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