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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 4): Denkmäler der neueren Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3504#0192
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Die Markthalle Saint-trermain zw Paris

und andere Marktgebäude alter und neuer Zeit.

(Der Text nach Ernest Breton und Jules Gailhabdud.)

Mit der Ausbildung städtischer Gemeinwesen musste das Bedürfniss schon früh darauf führen, beson-
dre Räumlichkeiten, bedeckte oder offne, zum Verkauf der Nahrungsmittel und andrer täglicher Bedürf-
nisse aufzuführen. Bei den Völkern des classischen Alterthums, bei denen öffentliches Leben und Ge-
meinsinn überhaupt einen so charakteristischen Grundzug ausmachen, erhielten die Marktplätze eine Bedeu-
tung, die den Neueren fast unbekannt ist. Hier waren sie nicht blos für den Handels - Verkehr bestimmt,
sondern für fast alle Angelegenheiten, die das öffentliche Leben betrafen, Versammlungsorte, in denen
neben Kauf und Verkauf zugleich auch über die städtischen wie über die staatlichen Verhältnisse ver-
handelt ward. Die Märkte waren recht eigentlich das Herz der Städte des Alterthums und wurden künst-
lerisch zu ihrem vorzüglichsten Schmucke ausgebildet. Ihr griechischer Name war: Agora, der römische:
Forum (d. h. etwa: der öffentliche Platz). Die heutigen Namen, das deutsche Markt, das englische
Market, das französische Marche, das italienische Mercato, das spanische Mercado, u. s.w. stehen
mit dem lateinischen Mercatus in Verbindung, welches Wort sich ausschliesslich auf den Begriff des
Handels und des Handelsplatzes beschränkt.

Die griechische Agora war gewöhnlich im Mittelpunkte der Stadt belegen, falls nicht etwa die
Verbindung mit einem Hafen oder mit einem Flusse hierin eine Veränderung hervorbrachte. Die Agora
war viereckig und insgemein mit Portiken umgeben, unter denen Verkäufer und Käufer ihren Platz fanden.
Die Portiken waren jezuweilen durch öffentliche Gebäude, städtische oder religiöse, unterbrochen. Oft
schmückten zahlreiche Statuen den Platz, wie es zu Sparta, zu Megalopolis, Korinth, Argos u. s. w. der
Fall war. Auch in den Städten zweiten Ranges war dieser Luxus nicht ungewöhnlich. In Cicero's vier-
ter verriniseber Rede wird uns dasselbe von Sicilien berichtet. Athen hatte, nach der gewöhnlichen
Annahme, zwei Haupt-Märkte. Der erste und wichtigste, die Archaia Agora, im Ceramicus belegen, war
mit einer Menge von Prachtbauten geschmückt; hier fanden die Volksversammlungen statt und die Ge-
genstände des Handels hatten hier ein jeder seinen ausschliesslich bestimmten Platz; hier waren die
Statuen der um das Vaterland vorzüglichst verdienten Bürger aufgestellt. Der zweite Markt war die
Agora Eretria, in der Nähe von dem Portikus des Zenon. Ausser diesen beiden Märkten führen die
griechischen Schriftsteller in Athen noch einen Bäckermarkt, einen Fischmarkt, einen Fleischmarkt, einen
Weibermarkt (vielleicht so genannt, weil dort Gegenstände der weiblichen Toilette feil standen), einen
Weinmarkt, einen Oelmarkt u. s. w. an.*)

Das Forum bei den Römern, und soweit sich römische Herrschaft und Sitte erstreckte, bildete ein
längliches Viereck; seine Breite betrug zwei Drittheile seiner Länge. Es war, wie die Agora, mit Por-
tiken umgeben, die zum Theil zwei Geschosse hatten; wenigstens schreibt Vitruv vor, dass die Säulen
der oberen Reihe ein Viertel niedriger sein sollten als die der unteren. Die Fläche des Forums diente
zuweilen zu Gladiatorenspielen; Vitruv schlägt deshalb vor, die Zwischenweiten zwischen den Säulen
möglichst weit zu nehmen, damit die Zuschauer möglichst wenig behindert würden. Unter diesen Portiken

fanden sich Kaufläden vor, meist jedoch nur von Geldwechslern, Goldschmieden u.

dgl.

Die übrigen
Verkäufer boten ihre Sachen auf dem offnen Platze feil, hinter Tischen und sonstigen beweglichen Vor-
richtungen. Die Ausdehnung des Forums stand durchweg in angemessenem Verhältniss zu den umgebenden
Prachtgebäuden, Tempeln, Curien, Basiliken, dem Schatzhause u. s. w. Das Forum von Pompeji zeigt
uns diese Disposition in bester Anschaulichkeit. — Rom hatte sehr zahlreiche Fora. Sie dienten, je
nach ihrer besondern Bestimmung, den mannigfaltigsten Zwecken. Die für den Handel bestimmten waren
die Fora venalia. Unter ihnen werden das Forum boarium, piscarlum, p/storium, suarium, vmarium, equarium,
olitorhim u. s. w. unterschieden. Auf dem letzteren, das in der Nähe des Capitols lag, fanden auch die
Versteigerungen, die Verkäufe „sub hasta", statt. Für die Garküchen, die Pastetenbäckereien, die Con-
ditoreien gab es ein besonderes Forum cupedinarium.**}

Im Mittelalter rinden wir wenig eigentliche Marktgebäude. Das älteste, das wir anzuführen wüssten,
ist das in Paris, welches gegenwärtig durch die Halles ersetzt ist. Ludwig der Dicke erbaute dasselbe
im 12. Jahrhundert an einem Orte, welcher den Namen der Champeaux führte; Philipp August umgab es
mit Mauern und liess in seinem weiten Umkreise bedeckte Gallerien für die Verkäufer aufführen. Später
finden wir in Florenz den Mercato nuovo, den Cosmus I. im Jahre 1548 nach dem Entwürfe des Bernardo
Tarso erbauen liess. Dies ist eine weite Halle von viereckiger Gestalt, minder bequem als geschmackvoll,
offen von allen Seiten, überwölbt und auf korinthischen Säulen ruhend; auf ihren Ecken sind vier starke
Massen zum festen Zusammenhalt des Ganzen angeordnet. Im Mittelpunkt bezeichnet ein Stein den Ort,

*) Es scheint jedoch, dass mit diesen Benennungen nicht verschiedene Marktplätze, sondern die einzelnen Abtheilungen der
Archaia Agora bezeichnet wurden. F. K.

*) Ueber die verschiedenen römischen Foren, ihre Geschichte, ihre Bestimmung, ihre räumliche und architektonische Be-
schaffenheit wäre noch mancherlei hinzuzufügen. Besonders wichtig ist u. a. die Anlage des Macellum's, das unter den
Markthallen des Alterthums wohl die ausgebildetste Gestalt empfing. In andrer Beziehung sind sodann die Prachtforen
Cäsar's und der Kaiser wieder als eigenthümlich merkwürdige Anlagen anzuführen. Ueber alles dieses findet man in der
„Beschreibung der Stadt Rom" von Platner, Bimsen etc., besonders im zweiten Abschnitt des dritten Theiles, die gründ-
lichste Auskunft. F. K.

Denkmäler der Baukunst. XXIV. Lieferung.
 
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