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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 4): Denkmäler der neueren Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3504#0139
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Das Rathhaus von Cöln.

Wie viele Städte Deutschlands hat auch Cöln noch sein altes Rathhaus bewahrt. Dasselbe steht
aber nicht wie in den meisten Städten isolirt, sondern es ist von einer Gruppe von Häusern eingeschlossen,
und zeigt daher nur zwei Facaden; die eine, die Haupt- und Westfacade, in der sich der Eingang befindet,
liegt an dem Rathhausplatze, die andere, die Ostfacade sieht auf den Altmarkt, einen länglich viereckigen
und mit Acazien bepflanzten Platz.

Das Rathhaus von Cöln liegt im Mittelpunkt der Stadt, nicht fern vom Rheine und dem Orte, wo
das alte Prätorium der römischen Colonia Agrippina stand. Die Keller und das ebenerdige Geschoss zeigen
noch Reste von Mauern aus dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert. An der Hauptfacade sieht man
einen schönen aus Marmor im Renaissancestyl erbauten Porticus, dessen Bau im Jahre 1569 begonnen
und 1571 beendigt wurde.

Fünf zierliche Arcaden bilden das ebenerdige und eben so viel das zweite Stockwerk darüber. Die
Halbkreisbogen dieser Arcaden werden von Pflastern und isolirt stehenden Säulen korinthischer Ordnung
getragen, die zierlich profilirten Archivolten haben vorspringende consolenförmig gebildete Schlusssteine.
Ein wenig vorspringendes Risalith bezeichnet die Mitte dieser Facade und wird durch eine Art Porticus
mit Giebel und Nische gekrönt, die fast das Ansehen eines Dachfensters hat. In dieser Nische befindet
sich die Statue einer Justitia. Der Fries über den fünf unteren Arcaden so wie der über den beiden
Arcaden an den Seiten des Porticus ist mit Medaillons, die Köpfe römischer Kaiser zeigen, geziert.

Die Brüstung über dem oberen Porticus oder dem zweiten Stockwerk ist nicht durchbrochen, sondern
voll; sie zeigt an ihrer Aussenseite hübsche Basreliefs und Inschriften zu Ehren des Julius Cäsar, des
Augustus, des Agrippa, des Kaiser Constantin, des Justinian und des deutschen Kaisers Maximilian. Das
Basrelief in dem etwas vorspringenden Mittelbau zeigt den Kampf eines Mannes mit einem Löwen. Wir
müssen hier nicht an Hercules oder an Simson denken; es ist eine Begebenheit, die sich im Mittelalter
in Cöln zugetragen haben soll, die in diesem Basrelief dargestellt wird. Wir wollen die Geschichte hier
kurz erzählen. Erzbischof Engelbert II war in Streit mit der Bürgerschaft Cölns. Eines Tages lud er
den Bürgermeister Gryn zu sich in seinen Palast unter dem Vorgeben, mit ihm die Grundlagen eines
Vertrages zu besprechen. Gryn sollte aber dem feigen Verrath des wüthenden Erzbischofs fallen. Er
wurde von zwei Geistlichen durch eine kleine Pforte, die nahe bei der sogenannten Priesterthür lag, in
einen engen Hof geführt, wo er sich plötzlich einem Löwen gegenüber befand. Wie gross auch die
Ueberraschung unsers Bürgermeisters war, so verlor er doch nicht den Kopf; er ging muthig auf seinen
furchtbaren Gegner los und überwältigte ihn im Kampfe. Auf die Nachricht von der Gefahr, der ihr
Bürgermeister so eben entronnen, liefen seine Mitbürger herzu, ihn aus seiner augenblicklichen Haft zu
befreien. Der Ursprung dieser Sage, die wir mittheilen, ohne für ihre Wahrheit einstehen zu wollen,
dürfte sich bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts verfolgen lassen. Engelbert II ist in der Geschichte
Cölns durch seine heftigen und blutigen Streitigkeiten mit der Bürgerschaft bekannt. Es war daher na-
türlich, dass bei dem Bau des schönen Porticus des Rathhauses gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts
der Baumeister desselben auf den glücklichen und patriotischen Einfall kam, ein glänzendes Factum aus
der Geschichte Cölns, das einem der ersten und ältesten Bürgermeister der Stadt zur Ehre gereichte, an
dem Rathhause durch den Bildhauer zu verewigen. Der Kampf Gryns mit dem Löwen findet sich noch
ein Mal in einem Basrelief über der Eingangsthür des Zeughausthurmes von Cöln dargestellt. .

Der dicke Thurm des Rathhauses zur Linken desselben, wenn man vor der Westfacade steht, wurde
im Jahre 1407 begonnen und 1414 vollendet. Er hat fünf Stockwerke; unten ist derselbe viereckig, seine
beiden oberen Stockwerke sind dagegen achteckig. Die Statuen so wie das obere Geländer, die ihn einst
zierten, sind verschwunden; sie mussten wegen ihres Alters entfernt werden. Die schöne Eingangspforte
des Thurmes so wie seine reich und zierlich verzierten Fenster kündigen genügend die Zeit seiner Er-
bauung, den Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts an. Sein Ganzes sowohl wie besonders seine Details
zeugen von der Kunstbildung und dem guten Geschmack seines Meisters, und er verdiente von einem
geschickten Architekten speciell aufgenommen und in einem grösseren Maasstabe gezeichnet zu weiden,
als das Format unseres Werkes dies erlaubt.

Es wäre überhaupt zu wünschen, dass wir ein Werk besässen, dass die interessantesten noch jetzt
vorhandenen alten Rathhäuser deutscher Städte umfasste. Man könnte eine schöne und vollständige Reihe
von Gebäuden dieser Gattung aufstellen, von denen wir hier nur die wichtigsten nennen wollen, als:
das Rathhaus von Brunn, von Olmütz, von Prag, von Leitmeritz, von Brieg, von Breslau, von Regensburg,
von Nürnberg, von Ulm, von Frankfurt am Main, von Aachen, von Hannover, von Braunschweig, von
Lübeck etc.

Denkmäler der Baukunst. XXXIII.* Lieferung.
 
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