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G e w e r b e lr l a 1 t
für den
Schwarzwald.

(Erscheint alle 14 Tage einmal. Preis ohne Zustellnngsgebühr 36 Kreuzer für tzcn Jahrgang; Speditionsgebühr der Großh.
Postanstalten 9 kr., ZÜstellungsgebühr 20 kr. Bestellungen werden in Furtwangen bei der Uhrenmacherschule oder bei der dorti-
gen Großh. Posterpedition, auswärts bei allen Postbehörden und Buchhandlungen entgegengenommen.)

IV. Zahl-gang. I>ro 5

Die Verbindung von Kunst und .Handwerk
(Rückblick auf die deutsche Industrie-Ausstel-
lung in München.)
(Fortsetzung und Schluß.)
Wie diele Künstler haben wir, die mit gutem Auge
und fertiger Hand hinreichend ausgerüstet sind, um Mei-
sterwerke zu copiren, und denen in einzelnen Momenten
auch eine innere Anschauung zu Thcil wird, die sie frei
und selbstständig in jenen gewonnenen Formen ausprä-
gen können, die aber jetzt in falschem Originalitätsstre-
ben sich abmühcn, unbedeutende oder verkebrte Stoffe
ergreifen, an großen Aufgaben scheitern, und eine Menge
von Bildern zu Tag fordern, die sehr wenig geeignet
sind, im Zimmer eines wahrhaft gebildete» Mannes zu
hängen, und als fortwährender, stets lieberer Gegenstand
der Anschauung Trost, Freude und Erhebung zu ge-
währen! So ließen die Alten Fußboden und Wände mit
der Wiederholung der berühmtesten Kompositionen durch
Mosaikarbeitcr und Stubenmaler schmücken, und die
griechische Kunst erhielt sich länger als ein halbes Jahr-
tausend in Blüthe, weil stets die ersten großen Muster
gegenwärtig blieben. Wenn ich die Namen Schäffer,
Thäter, Merz, Keller, Steinla, Eichens nenne, so be-
zeichnen solche uns auch in Deutschland unter den mit-
lebenden Künstlern eine Schaar trefflicher Männer, die
ihre Kraft lieber an die Vervielfältigung wahrer Mei-
sterwerke auf eine selbst meisterhafte Weise setzen, als
nach einer secundären Rolle im Fach der erfindenden
Komposition streben wollten, und denen wir einen blei-
benden wahren Kunstgenuß, einen bedeutenden Einfluß
auf die Geschmacksvercdlung unter uns verdanken. Wie
aber der Kupferstich durch die mechanische Vervielfälti-
gung mittelst des Drucks sich an das Handwerk anschließt,
und dieß selbst wieder in den Kreis künstlerischer Thä-

Furtwangc», den ri. März L85S.

tigkeit hcranzicht — wieviel auf den Drucker einer Platte
ankommt, bewiesen auf der Ausstellung einige gewöhn-
liche neben andern mit besonderem Geschick und Fleiß
gemachten Abdrücken von Fclstng in Darmstadt — so
mochten wir den Erfindungsgcist der Talente auf die
zweckvoll anmuthige Gestaltung und den sinnreichen
Schmuck der Dinge wenden, die zur Befriedigung un-
serer Lebensbedürfnisse gehören, und zugleich die Hand-
werker, die Fabrikanten daran mahnen, daß sie durch
die Verbindung mit solchen Künstlern den Werth ihrer
Produkte erhöhen. In den nationalökonomischen Erörte-
rungen, die sich in diesen Blättern an die Industrie-
Ausstellung knüpften, ist einmal dargethan worden, daß
jetzt der Franzose durch Geschmack, der Engländer durch
Solidität, der Deutsche durch Wohlfeilheit auf dem
Weltmarkt sich auszeichne; bedenken wir, daß es in
Frankreich nicht die Fabrikanten sind, welche ihre Mu-
ster und Modelle selbst verfertigen, sondern daß dieß
Künstler thun, die ihren Formen- und Farbensinn dar-
auf richten, und die dadurch eine nicht bloß gesicherte,
sondern eine glänzende Lebensstellung haben im Vergleich
zu der Eristenz so mancher deutscher Maler oder Bild-
hauer, die nicht einmal einen Ersatz im Verkehr mit den
Idealen einer höheren Welt finden, sondern statt derselben
doch mit der Abbildung der Natur und des gewöhnlichen
Lebens sich beschäftigen. Der Beginn der Künstlerlaus-
bahn, vor dem man jetzt vielleicht mit Besorgnis; warnen
muß, hört auf gefährlich zu sei», sobald sie so in den
gewinnreichen Bezirk der Gewerbe einmünden kann, und
die an kunstreiche Arbeit gewöhnten Handwerker können
im Fall einer höheren Begabung leicht wieder sich in den
Aether der freien Kunst erheben. Ihre gesellschaftliche
Stellung selbst wird dadurch eine bessere, wie dieß und
manches damit Verwandte Tieck schon längst in seiner so
 
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