Gew erbe blatt
für Ven
Schwarzwald.
(Erscheint alle 14 Tage einmal. Preis ohne Zustellungsgebühr 36 Kreuzer für den Jahrgang; Sveditionsgebühr der Großh.
Postanstalten 9 kr., Zustellungsgebühr 20 kr. Bestellungen werden in Furtwangen bei der Ührenmacherschule oder bei der dorti-
gen Großh. Postcrpedttion, auswärts bei allen Postbchörden und Buchhandlungen entgcgengenommen.)
I V. Jahrgang, ^0- Furtwangen, den 8. April I83S.
Bedingungen der Industrie.
(Fortsetzung und Schluß.)
Ein weiterer begünstigender Umstand für die Entfal-
tung der Lokalgewerbe lag ferner b. in der günstigen
Lage an Handelswegen, setzen es Land- oder Wasser-
straßen. Diese Ursache ist im Mittelalter von ganz be-
sonderer Wichtigkeit gewesen, wo die Verkehrsmittel so
beschränkt waren, daß sie mit den jetzigen gar nicht z»
vergleichen sind. Der großen Handelsader, welche sich
von Italien durch Deutschland über Augsburg und
Nürnberg nach dem Norden zog, haben ohne Zweifel
die genannten Städte hauptsächlich ihren gewerblichen
Flor zu danken, denn abgesehen davon, daß mit der
günstigen Lage an einer Handelsstraße Versandt und
Absatz ungemein erleichtert war, so machte auch der
Weltverkehr, welcher solcher Städtebevolkerung nahe ge-
legt wurde, die Leute gewandter, gebildeter, erfindungs-
reicher, lurusliebcnder nnd betriebsamer.
Wir begegnen indessen auch mancherlei ursprünglich
aus Lokalgewcrben entwickelten bedeutenden Industrie-
zweigen, bei denen die beiden erwähnten Begünstigun-
gen, — Rcichthum des Bodens an irgend einem Rohstoff
und günstige Lage, — nicht zur Entfaltung mitgewirkt
haben. Der Jura ist eine der abgelegensten und -ärmsten
Gegenden gewesen, und doch ist dort die Fabrikation
von Uhren, Bijouterien, Stahlbrillen u. dgl. zu größtem
Flor gelangt; der Drechsler in Dieppe, Ruhla nnd
Weißlingen, der Vogtländer Weber, die obermeißnischc
und Schweizer Spitzenklöpplerin, der Hanauer, Pforz-
heimer und Gmünder Bijouteriearbeiter, der Offenbacher
Portefeuillicr u. dgl. m., sie alle sind weder durch be-
sondere Bodenschätze, noch Lage begünstigt, und doch hat
sich ihr Gewerbe einen Namen gemacht. Es ist nächst
der Noth, — diesem gewaltigen Hebel, — daß Genie,
das Erfindungs- nnd Unternehmungstalcnt Einzelner
gewesen, welche die Bahn gebrochen haben, auf welcher
Andere dann folgten und sich anschloffen; cs ist nament-
lich auch in vielen Fällen dem Spekulationsgeist rühri-
ger, verständiger Kaufleute zu danken, daß einzelne
Gewerbe örtlich eine solche erfreuliche Ausdehnung ge-
wonnen haben.
2) Außer der aus Lokalgewerben allmählig entwickel-
ten Handelsindustrie bestehen aber auch Gewerbe, welche
ursprünglich fremd, durch Verpflanzung von Außen in
schon vervollkommnetem Zustande Boden und Flor ge-
wonnen haben. Diese Verpflanzungen sind theils durch
Einwanderung, theils absichtlich durch Berufung aus-
ländischer Gewerbtreibender bewirkt worden. So haben
z. B. die aus Frankreich vertriebenen Hugenotten die
Uhren-, Handschuh-, Hut- w. Fabrikation nach Deutsch-
land und England gebracht, und mancher blühende Jn-
dustrieort dankt ihnen einen großen Theil seines Flores.
Wilhelm der Eroberer berief friesische Wollenweber nach
England nnd legte dadurch den ersten Grund zur eng-
lischen Tuchmanufaktur, welche später noch weitere Ver-
vollkommnung durch die aus Brügge hinüber berufenen
Färber und Appretirer erhielt. Der Engländer W. Lee
hat den Strumpfwirkerstuhl nach Frankreich gebracht,
England hat von uns die Nadclfabrikation, den Mes-
singguß, von den Franzosen die Spiegelgußglasfabri-
kation und dgl. m. — Deutschland, Frankreich nnd
England — diese drei Großmächte der Industrie, stehen
seit Jahrhunderten in einem steten Tauschverhältniß und
Deutschland ist in diesem Verkehr gewiß nicht der ge-
wesen, der am wenigsten gegeben, eher vielleicht der,
welcher am mindesten profitirt hat, obgleich wir nach-
weislich für manchen hie und da blühenden Industrie-
für Ven
Schwarzwald.
(Erscheint alle 14 Tage einmal. Preis ohne Zustellungsgebühr 36 Kreuzer für den Jahrgang; Sveditionsgebühr der Großh.
Postanstalten 9 kr., Zustellungsgebühr 20 kr. Bestellungen werden in Furtwangen bei der Ührenmacherschule oder bei der dorti-
gen Großh. Postcrpedttion, auswärts bei allen Postbchörden und Buchhandlungen entgcgengenommen.)
I V. Jahrgang, ^0- Furtwangen, den 8. April I83S.
Bedingungen der Industrie.
(Fortsetzung und Schluß.)
Ein weiterer begünstigender Umstand für die Entfal-
tung der Lokalgewerbe lag ferner b. in der günstigen
Lage an Handelswegen, setzen es Land- oder Wasser-
straßen. Diese Ursache ist im Mittelalter von ganz be-
sonderer Wichtigkeit gewesen, wo die Verkehrsmittel so
beschränkt waren, daß sie mit den jetzigen gar nicht z»
vergleichen sind. Der großen Handelsader, welche sich
von Italien durch Deutschland über Augsburg und
Nürnberg nach dem Norden zog, haben ohne Zweifel
die genannten Städte hauptsächlich ihren gewerblichen
Flor zu danken, denn abgesehen davon, daß mit der
günstigen Lage an einer Handelsstraße Versandt und
Absatz ungemein erleichtert war, so machte auch der
Weltverkehr, welcher solcher Städtebevolkerung nahe ge-
legt wurde, die Leute gewandter, gebildeter, erfindungs-
reicher, lurusliebcnder nnd betriebsamer.
Wir begegnen indessen auch mancherlei ursprünglich
aus Lokalgewcrben entwickelten bedeutenden Industrie-
zweigen, bei denen die beiden erwähnten Begünstigun-
gen, — Rcichthum des Bodens an irgend einem Rohstoff
und günstige Lage, — nicht zur Entfaltung mitgewirkt
haben. Der Jura ist eine der abgelegensten und -ärmsten
Gegenden gewesen, und doch ist dort die Fabrikation
von Uhren, Bijouterien, Stahlbrillen u. dgl. zu größtem
Flor gelangt; der Drechsler in Dieppe, Ruhla nnd
Weißlingen, der Vogtländer Weber, die obermeißnischc
und Schweizer Spitzenklöpplerin, der Hanauer, Pforz-
heimer und Gmünder Bijouteriearbeiter, der Offenbacher
Portefeuillicr u. dgl. m., sie alle sind weder durch be-
sondere Bodenschätze, noch Lage begünstigt, und doch hat
sich ihr Gewerbe einen Namen gemacht. Es ist nächst
der Noth, — diesem gewaltigen Hebel, — daß Genie,
das Erfindungs- nnd Unternehmungstalcnt Einzelner
gewesen, welche die Bahn gebrochen haben, auf welcher
Andere dann folgten und sich anschloffen; cs ist nament-
lich auch in vielen Fällen dem Spekulationsgeist rühri-
ger, verständiger Kaufleute zu danken, daß einzelne
Gewerbe örtlich eine solche erfreuliche Ausdehnung ge-
wonnen haben.
2) Außer der aus Lokalgewerben allmählig entwickel-
ten Handelsindustrie bestehen aber auch Gewerbe, welche
ursprünglich fremd, durch Verpflanzung von Außen in
schon vervollkommnetem Zustande Boden und Flor ge-
wonnen haben. Diese Verpflanzungen sind theils durch
Einwanderung, theils absichtlich durch Berufung aus-
ländischer Gewerbtreibender bewirkt worden. So haben
z. B. die aus Frankreich vertriebenen Hugenotten die
Uhren-, Handschuh-, Hut- w. Fabrikation nach Deutsch-
land und England gebracht, und mancher blühende Jn-
dustrieort dankt ihnen einen großen Theil seines Flores.
Wilhelm der Eroberer berief friesische Wollenweber nach
England nnd legte dadurch den ersten Grund zur eng-
lischen Tuchmanufaktur, welche später noch weitere Ver-
vollkommnung durch die aus Brügge hinüber berufenen
Färber und Appretirer erhielt. Der Engländer W. Lee
hat den Strumpfwirkerstuhl nach Frankreich gebracht,
England hat von uns die Nadclfabrikation, den Mes-
singguß, von den Franzosen die Spiegelgußglasfabri-
kation und dgl. m. — Deutschland, Frankreich nnd
England — diese drei Großmächte der Industrie, stehen
seit Jahrhunderten in einem steten Tauschverhältniß und
Deutschland ist in diesem Verkehr gewiß nicht der ge-
wesen, der am wenigsten gegeben, eher vielleicht der,
welcher am mindesten profitirt hat, obgleich wir nach-
weislich für manchen hie und da blühenden Industrie-