Gewerbeblati
für den
Schwarzwald.
(Erscheint alle 14 Tage einmal. Preis ohne Zustellnngsgebühr 36 Kreuzer für den Jahrgang; Speditionsgebübr der Grofh.
Poffanstalten 6 kr., Zustellnngsgebühr 20 kr. Bestellungen werden in Jurrwangen bei der Uhrenmacherschule oder bei der dorti-
gen Großh. Postcrpedltion, auswärts bei allen Postbehörden und Buchhandlungen entgegengenommen.)
IV. Zal-rgang. Z Furtwangen, den II. Februar I83S.
Die Verbindung von Kunst und .Handwerk
(Rückblick auf die deutsche Industrie-Ausstel-
lung in München.)
(Fortsetzung.)
Vergleichen wir unsere Gegenwart mit solchen Zei-
ten , so wird der voreilig selbstgefällige Stolz, wie wir's
so herrlich weit gebracht, etwas herabgestimmt und ge-
dcmüthigt. Wir haben viele Künstler, aber selbst unter
ihnen wenig Zusammenhang und Zusammenhalt, der
vorwiegende Individualismus, die Herrschaft der Sub-
jektivität lockt sie auf verschiedenartige Bahnen, und die
Meister, welche einen neuen deutschen Styl gegründet
und fortgebildet, fangen schon an einsam zu stehen,
während doch niemals weder in der bildenden, noch in
der redenden Kunst oder in der Wissenschaft der Einzelne
das Höchste für sich allein, sondern immer nur an der
Hand der Tradition erreicht, und die größten Werke
darum auch das gemeinsame Produkt ganzer Jahrhunderte
genannt werden können. Wir sahen im Glaspalast eine
reiche und viel erfreuliche Entwicklung der Industrie
und des Handwerkes, und konnten bei vielen gelungenen
Gegenständen mit vollem Beifall verweilen; im Ganzen
aber lag die unorganische Zerfahrenheit und der Kampf
der Meinungen und Bestrebungen unserer Tage doch in
der bunten Vielseitigkeit, in dem mannigfaltigen Spiel
mit allerlei Formen vor Augen, und es fehlt uns immer
noch, wie dieß Kugler vor beinahe zwanzig Jahren ein-
mal ausdrückte, eine sichere lautere Richtung, das höhere
bestimmende Gesetz eines gemeingültigen Styls, welcher
der Ausdruck eines gemeinen bewußten Formensinnes
wäre, und diesen vor den wankelmüthigen Einflüssen
der Mode schützen könnte.
Der Styl der Tektonik als der Kunst oder des Hand-
werks zur Beschaffung und Herstellung der Geräthe im
Kleinen steht eben im Zusammenhang mit der Baukunst
im Großen, mit der Architektur, und dieselbe plastische
Klarheit, welche im hellenischen Tempel jedes Werkstück
nach seiner baulichen Funetion und nach seinem Zusam-
menhang mit dem andern gestaltete und verzierte, so daß
im Ornament kein müßiger Schmuck, sondern das Wesen
der Sache anmuthig hervortrat, sie herrschte auch in den
kleinsten Thon- und Erzarbciten, die uns übrig geblie-
ben sind; der maurische Styl dagegen, der die Wände
weniger gliedert, als daß er sie mit phantastischen Li-
nienspielen in feinen Arabesken umgibt, zeigt diese Lust
einer reichen äußern Dekoration mit gleichen Formen
auch am Geräth; die Spitzbögen des Gewölbes und der
Fenster an den Domen verpflanzten sich im Mittelalter
nicht bloß auf die Kirchenstühle und Kirchenparamcnte,
sondern sie drangen auch in die Wohnhäuser der Bürger
ein, und umgaben auch den Humpen auf dem Tisch des
Ritters oder das Gebetbuch des Priesters, hier wie dort
Figuren einzurahmen, die wieder die Darstellungsweise
der monumentalen Kunst erkennen lassen; die äußerliche
Uebertragung römischer Formen in der Renaissance, die
Herabsetzung des ursprünglich für die Construktion Be-
deutenden, wie der Säule, zum bloßen Schmuck und
ihre zwecklose Verwendung an Stellen, wo sie weder
raumöffnend noch tragend wirkt; die gebrochenen Bögen,
die Verschnörkelungen, die Muscheln der Zopfarchitektur
zeigen sich auch an den Möbeln jener Tage. Wie in
unserer Poesie das Stadium der großen Dichter der Vor-
zeit und das innige Verständniß, die Aneignung und
Nachahmung derselben durch Klopstock, Voß, Herder,
den originalen Dichtungen Goethe's und Schillers vor-
angingen, die den Geist und die Form der Vorzeit mit
für den
Schwarzwald.
(Erscheint alle 14 Tage einmal. Preis ohne Zustellnngsgebühr 36 Kreuzer für den Jahrgang; Speditionsgebübr der Grofh.
Poffanstalten 6 kr., Zustellnngsgebühr 20 kr. Bestellungen werden in Jurrwangen bei der Uhrenmacherschule oder bei der dorti-
gen Großh. Postcrpedltion, auswärts bei allen Postbehörden und Buchhandlungen entgegengenommen.)
IV. Zal-rgang. Z Furtwangen, den II. Februar I83S.
Die Verbindung von Kunst und .Handwerk
(Rückblick auf die deutsche Industrie-Ausstel-
lung in München.)
(Fortsetzung.)
Vergleichen wir unsere Gegenwart mit solchen Zei-
ten , so wird der voreilig selbstgefällige Stolz, wie wir's
so herrlich weit gebracht, etwas herabgestimmt und ge-
dcmüthigt. Wir haben viele Künstler, aber selbst unter
ihnen wenig Zusammenhang und Zusammenhalt, der
vorwiegende Individualismus, die Herrschaft der Sub-
jektivität lockt sie auf verschiedenartige Bahnen, und die
Meister, welche einen neuen deutschen Styl gegründet
und fortgebildet, fangen schon an einsam zu stehen,
während doch niemals weder in der bildenden, noch in
der redenden Kunst oder in der Wissenschaft der Einzelne
das Höchste für sich allein, sondern immer nur an der
Hand der Tradition erreicht, und die größten Werke
darum auch das gemeinsame Produkt ganzer Jahrhunderte
genannt werden können. Wir sahen im Glaspalast eine
reiche und viel erfreuliche Entwicklung der Industrie
und des Handwerkes, und konnten bei vielen gelungenen
Gegenständen mit vollem Beifall verweilen; im Ganzen
aber lag die unorganische Zerfahrenheit und der Kampf
der Meinungen und Bestrebungen unserer Tage doch in
der bunten Vielseitigkeit, in dem mannigfaltigen Spiel
mit allerlei Formen vor Augen, und es fehlt uns immer
noch, wie dieß Kugler vor beinahe zwanzig Jahren ein-
mal ausdrückte, eine sichere lautere Richtung, das höhere
bestimmende Gesetz eines gemeingültigen Styls, welcher
der Ausdruck eines gemeinen bewußten Formensinnes
wäre, und diesen vor den wankelmüthigen Einflüssen
der Mode schützen könnte.
Der Styl der Tektonik als der Kunst oder des Hand-
werks zur Beschaffung und Herstellung der Geräthe im
Kleinen steht eben im Zusammenhang mit der Baukunst
im Großen, mit der Architektur, und dieselbe plastische
Klarheit, welche im hellenischen Tempel jedes Werkstück
nach seiner baulichen Funetion und nach seinem Zusam-
menhang mit dem andern gestaltete und verzierte, so daß
im Ornament kein müßiger Schmuck, sondern das Wesen
der Sache anmuthig hervortrat, sie herrschte auch in den
kleinsten Thon- und Erzarbciten, die uns übrig geblie-
ben sind; der maurische Styl dagegen, der die Wände
weniger gliedert, als daß er sie mit phantastischen Li-
nienspielen in feinen Arabesken umgibt, zeigt diese Lust
einer reichen äußern Dekoration mit gleichen Formen
auch am Geräth; die Spitzbögen des Gewölbes und der
Fenster an den Domen verpflanzten sich im Mittelalter
nicht bloß auf die Kirchenstühle und Kirchenparamcnte,
sondern sie drangen auch in die Wohnhäuser der Bürger
ein, und umgaben auch den Humpen auf dem Tisch des
Ritters oder das Gebetbuch des Priesters, hier wie dort
Figuren einzurahmen, die wieder die Darstellungsweise
der monumentalen Kunst erkennen lassen; die äußerliche
Uebertragung römischer Formen in der Renaissance, die
Herabsetzung des ursprünglich für die Construktion Be-
deutenden, wie der Säule, zum bloßen Schmuck und
ihre zwecklose Verwendung an Stellen, wo sie weder
raumöffnend noch tragend wirkt; die gebrochenen Bögen,
die Verschnörkelungen, die Muscheln der Zopfarchitektur
zeigen sich auch an den Möbeln jener Tage. Wie in
unserer Poesie das Stadium der großen Dichter der Vor-
zeit und das innige Verständniß, die Aneignung und
Nachahmung derselben durch Klopstock, Voß, Herder,
den originalen Dichtungen Goethe's und Schillers vor-
angingen, die den Geist und die Form der Vorzeit mit