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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0056
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26 Deutschlands Kunstschütze.
zweispitzigem, enormem Hut und silberbesetzter Livroe, ein Würdenträger, der sich, ganz unerwartet,
wie ein Komet, mit seinem rothen Gesicht zuweilen aus dem Ooin cl'or sehen ließ, um langsam um
den Brunnen herum zu marschiren und die eine der beiden blanken Scheiben seines Joujous tact-
mäßig auf- und abtanzen zu lassen. Vor diesem Hause hielten oft glänzende Sänften mit Läufern
und galonnirten Trägern, zuweilen sogar große Carrossen vom Hofe, die Straße fast völlig
versperrend.
Hier wohnte der berühmteste Maler von Paris, Peter Mignard, in der Tisseranderie nur
mit seinem Beinamen „le Romain", der Römer, genannt, weil er länger in Rom weilte und der
Malweise der Italiener huldigte, bis ihn Paris auf andere Gedanken brachte.
Mignard hatte lange im Schlosse gewohnt, bevor er das seiner Frau gehörende Häuschen in
der Tisseranderiestraße bezog. Der jüngere Meister, Lebrun, sollte ihn aus den Tuilerien verdrängt
Haben. Einige Nachbarn aber, die mit dem Portier eine Prise zu wechseln die Ehre gehabt Hatten,
machten Andeutungen darüber, daß die eine Tochter des Malers, eine treffliche Künstlerin, zu schön
und zu lebhaft gewesen sei, um länger ohne Gefahr in der nächsten Nähe der glänzendsten Cava-
liere von ganz Frankreich im Schlosse verweilen zu können.
Der Portier öffnet die Thür und zwei junge Männer in hofmäßiger Tracht treten ein.
Der Voranschreitende ist wohlgenährt, trägt ein kleines Bärtchen, das wohl zu seinem run-
den, dunkelfarbigen Gesicht steht, und schaut mit den blitzenden, kleinen Augen, tiefschwarz gleich
seinem langen, schlichten Haar, gebieterisch, ja übermüthig um sich Er war ganz in Hellblau
gekleidet, mit breitkrämpigem Federhut und einem etwa zwei Fuß langen, höchst kostbaren Hof-
degen versehen.
Der zweite Cavalier war etwa acht Jahre jünger als dieser und zählte kaum zweiundzwanzig
Jahre. Sein Anzug hatte trotz des französischen Schnittes etwas Fremdartiges, denn er war
durchaus von schwarzem Sammet. Weiß wie die kleine Halskrause war der Nacken des Jünglings
und frisch und blühend strahlten seine Wangen, einen scharfen Gegensatz zu den kurzen schwarzen
Locken und den großen, geistvollen, dunklen Augen bildend. Er führte einen langen römischen
Stoßdegen, ohne Bügel am Griff, auf welchem die zarte, aber kräftige linke Hand ruhte, da sonst
die Spitze der Waffe auf den Boden gestoßen wäre.
„Nun, Signor Giacomo", sagte der Blaue mit stark italienischem Accent, „was habe ich denn
Heute so Sonderbares, daß Du mich angaffst und den Mund aufsperrst, als wolltest Du, behüt'
mich Gott, das hohe „0" singen?"
„Herr Obermdentant, mein Herr ist bei einer sehr wichtigen Arbeit und er hat strengstens
befohlen, daß er ungestört bleibe .. ."
„O, wir wissen schon, Du gezähmter Cerberus! Wir kommen eben, um an dieser Arbeit auch
noch ein wenig Herumzupfuschen ... Sag' das Deinem Herrn."
„Ich darf nicht!",
„Geh' doch zur Seite — Lully läßt sich selbst von des Königs Mousquetaires nicht abweisen,
viel weniger von einer betreßten Vogelscheuche aus der Auvergne."
„Herr Oberintendant", antwortete der Thürhüter, immer noch den Weg zu der schmalen
Treppe durch seine breite Person versperrend, „wenn ich Euch nun auch durchließe, so ist da der
andere Herr, den ich noch gar nicht gesehen habe . . ."
 
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