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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0057
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Deutschlands Knustschätze. 27
„Ich versichere Dir, Sanct Christophorus, daß ich selbst diesen Herrn auch erst seit einigen
Stunden kenne. Er aber ist, wenn ich mich ausnehme, die Hauptperson hinsichtlich der „wichtigen"
Arbeit von Meister Mignard... Tritt seitwärts! Sollen wir Dich mit Gewalt durchprügeln?"
Der Portier schloß die Thür und stieg brummend die Treppe hinan, indeß er im Stillen
bedenken mochte, daß es besser sei, wenn er sich von seinem Herrn auszanken lasse, als
wenn sich der Oberintendant die Mühe nehme, den breiten Portierrücken mit der Degenklinge
auszumessen..
Mignard mußte wirklich einer wichtigen Beschäftigung obliegen, denn wie auch der Ober-
intendant ries und mit dem Fuße stampfte — es währte wenigstens zehn Minuten, bis eine Thür
sich össnete und ein kleiner Mann mit freundlichen Zügen erschien, das italienische Barret, nach
Art der Doctorenmützen geformt, von dem geringelten, stark in's Graue fpielendem Haar zog und
die Gäste einlud, uäher zu kommen.
Sie traten in das Atelier des Malers, das mit seinen Gemälden, Studien, Sculpturwerken
und reichem Möbelschmuck einen wirksamen Eindruck machte. Der Oberintendant sah sich um, kam
allgemach aus seinem Aufbrausen zu einer ruhigen Stimmung und siegte dann:
„Wißt Ihr wohl, Meister Mignard, daß ich es mir nicht erlauben würde, Euch anticham-
briren zu lassen, obwohl... obwohl... Nun, es ist gleichgiltig, was ich sagen wollte."
„Obwohl", fuhr Mignard mit feinem Lächeln fort, „obwohl Ihr kein Oberintendant der
königlichen Musik, ja nicht einmal ein gewöhnliches musikalisches Menschenkind, sondern nur ein
Maler seid, ein Künstler, der sich nicht anmaßen darf, mit einem Componisten zu rangiren..."
Lullh lachte
„Da Ihr das selbst sagt, so mag's auch gelteu!" rief er. „In der That, es ist eine eigene
Atmosphäre, die den Maler umfängt. Alles so feierlich taubstumm!"
Er deutete auf die Bilder an der Wand und näherte sich dann der großen, auf der Staffelei
befindlichen Leinwand.
,Freut Euch, guter Mignard, daß Musik und Tanz wenigstens diesen Werken volles Leben
verleihen, die Ihr zu Euren schlechtesten zu rechnen pflegt."
„Ohne Zweifel stehen diese Entwürfe auf der niedrigsten Stufe meiner Kunst", erwiederte
Mignard sehr ernst.
„Das ist gewiß kein unanfechtbares Urtheil, Meister!" sagte Lullst uud betrachtete das Bild
mit großer Aufmerksamkeit.
Dasselbe war sonderbar genug. Die Mitte der leicht und groß behandelten Farbenskizze
nahm eine gefällig angeordnete Gruppe von Figuren antiken Gepräges ein. Ein athletischer
Mann, mit dunkler Hautfarbe, glüheuden Augen und emporgesträubtem Haar, in kurzer, rother
Tuuica, war aus einer von Schlangen und großen Eidechsen umgebenen Felsenhöhle Hervor-
gestiegen, um eine reizende Frau zu führen, die, entzückt die Arme ausbreitend, in eine reiche, mit
blendenden Farben prangende Landschaft blickt. Nstmphen umgaben in anmuthigen Stellungen die
Gruppe, ihre Freude kundgebend und eine hehre Matrone stand bereit, um die schöne Frau in ein
Schiff mit schwellenden Segeln zu geleiten, das die wundervollen, grünen Palmeninseln in der
Ferne zum Ziel zu haben schien.
Düster und warnend zeigte der Mann in rother Tuuica aus den Granatapfel in seiner Hand.

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