Deutschlands Kunstschütze. 29
desca improvisiren zu Hören ... Und einen noch größern, wenn Ihr ihn seine Verse auf der Bühne
sprechen hört."
„Ihr seid der neue Director der Italiens du Roi?" fragte Mignard erstaunt. „Und so jung?
Ich hatte bisher immer nur den Namen Niccolo gehört . . ."
„Ich bin Schauspieler, mein Herr", sagte Gherardesca, „ein Arlecchino, der zuweilen gut ge-
wesen ist, und ich schreibe alles Das, was wir aufführen, weil ich weiß, wie die Sachen beschaffen
sein müssen, damit der Schauspieler sich leicht und sicher hineinfindet. Und außerdem habe ich das
Arrangement der Tänze des Ballets du Roi übernommen, zu denen der Herr Oberintendant die
Musik macht. Ihr seht, Herr Mignard, daß ich alle Ursache habe, mich Eurem Wohlwollen zu
empfehlen, da ich zu den Entwürfen der Festspiele — wie dort einer auf der Staffelei steht —
den Text liefern und den Figuren die Tanzformen vorschreiben und leider auch einüben muß ..."
„Gott behüte mich!" rief Mignard sehr erschrocken, „wenn Ihr mir eben mehr gesagt habt,
als ein Compliment. Bezeugt Ihr es mir, Lullst, daß ich mich nie zu etwas Weiterem verbindlich
gemacht habe, als in meinen Entwürfen die Costüme der Darsteller anzugeben und höchstens meine
Idee über eine gute, effectvolle Gruppirung der Personen bei einer und der andern Hauptscene
vorzuschlagen."
„Ich finde, daß Ihr mehr gebt, als Ihr behauptet", sagte Gherardesca, unbeschreiblich an-
muthig lächelnd, „denn in Eurem Entwurf dort steckt jeder Vers des Festballets: „Pluton und
Proserpina", das ich soeben im Kopfe fertig gemacht habe .. ."
„Gebt den Nymphen nur einen Hauptpart, mein bester Gherardesca", bemerkte Lullst sehr
erregt, „denn diese Dummköpfe mit den Bockshörnern wollen immer noch nicht einsehen, daß ich
Recht habe, weibliche Rollen mit Frauenstimmen zu besetzen, und daß kein Discantist jemals den
Herzenszanber ausüben kann, welcher in jedem Tone einer gut geschulten Frauenkehle liegt . ..
Die Weiberchöre sind mir die Hauptsache und dann der gemischte Gesang für das Minuetto se-
condo, für mein Toco ..."
„Ein Minuetto läßt sich hier schwer anbringen", sagte Gherardesca, das Bild betrachtend.
„Diese mstthischen Personen können nicht wohl als Zuschauer des Tanzes dastehen .. ."
„Nun, dann Werst sie in irgend eine Versenkungsklappe!" rief Lullst, bereits keuchend bei
diesem Widerspruch. „Wenn ich ein Minuetto für nöthig halte, so wird's da sein. Oder sollen die
Schäfer etwa eine Sarabande aufführen?"
„Die Pas des Menuets", entgegnete Gherardesca, „welche der seitlichen Bewegung angehören,
kann ich für das Ballet der Schäfer allenfalls beibehalten ... Es muß eine Art griechischen Chor-
reigens gebildet werden, dessen Hauptbewegung eine kreisförmige ist, die den Mittelpunkt — wo
die mstthischen Personen sich befinden — unberührt läßt. Das Menuet mit seinen beiden Parallel-
linien aber setzt quer über . . ."
Lullst war ebenso rechthaberisch, wie jähzornig und rücksichtslos, so daß er selbst nicht im
Stande war, sich dem König gegenüber zu fügen, um andere Ideen, als die seinigen, gelten zu
lassen. Es war aber eine so ungezwungene Art, in welcher Gherardesca seine Meinung vorbrachte,
daß der Componist rief:
„Ihr werdet mich hoffentlich später mit Euren Sentenzen nicht ermorden wollen, deshalb
lasset uns Frieden Halten. Ich mache meine Menuet, wie ich will, und Ihr lasset ihn abtanzen,
desca improvisiren zu Hören ... Und einen noch größern, wenn Ihr ihn seine Verse auf der Bühne
sprechen hört."
„Ihr seid der neue Director der Italiens du Roi?" fragte Mignard erstaunt. „Und so jung?
Ich hatte bisher immer nur den Namen Niccolo gehört . . ."
„Ich bin Schauspieler, mein Herr", sagte Gherardesca, „ein Arlecchino, der zuweilen gut ge-
wesen ist, und ich schreibe alles Das, was wir aufführen, weil ich weiß, wie die Sachen beschaffen
sein müssen, damit der Schauspieler sich leicht und sicher hineinfindet. Und außerdem habe ich das
Arrangement der Tänze des Ballets du Roi übernommen, zu denen der Herr Oberintendant die
Musik macht. Ihr seht, Herr Mignard, daß ich alle Ursache habe, mich Eurem Wohlwollen zu
empfehlen, da ich zu den Entwürfen der Festspiele — wie dort einer auf der Staffelei steht —
den Text liefern und den Figuren die Tanzformen vorschreiben und leider auch einüben muß ..."
„Gott behüte mich!" rief Mignard sehr erschrocken, „wenn Ihr mir eben mehr gesagt habt,
als ein Compliment. Bezeugt Ihr es mir, Lullst, daß ich mich nie zu etwas Weiterem verbindlich
gemacht habe, als in meinen Entwürfen die Costüme der Darsteller anzugeben und höchstens meine
Idee über eine gute, effectvolle Gruppirung der Personen bei einer und der andern Hauptscene
vorzuschlagen."
„Ich finde, daß Ihr mehr gebt, als Ihr behauptet", sagte Gherardesca, unbeschreiblich an-
muthig lächelnd, „denn in Eurem Entwurf dort steckt jeder Vers des Festballets: „Pluton und
Proserpina", das ich soeben im Kopfe fertig gemacht habe .. ."
„Gebt den Nymphen nur einen Hauptpart, mein bester Gherardesca", bemerkte Lullst sehr
erregt, „denn diese Dummköpfe mit den Bockshörnern wollen immer noch nicht einsehen, daß ich
Recht habe, weibliche Rollen mit Frauenstimmen zu besetzen, und daß kein Discantist jemals den
Herzenszanber ausüben kann, welcher in jedem Tone einer gut geschulten Frauenkehle liegt . ..
Die Weiberchöre sind mir die Hauptsache und dann der gemischte Gesang für das Minuetto se-
condo, für mein Toco ..."
„Ein Minuetto läßt sich hier schwer anbringen", sagte Gherardesca, das Bild betrachtend.
„Diese mstthischen Personen können nicht wohl als Zuschauer des Tanzes dastehen .. ."
„Nun, dann Werst sie in irgend eine Versenkungsklappe!" rief Lullst, bereits keuchend bei
diesem Widerspruch. „Wenn ich ein Minuetto für nöthig halte, so wird's da sein. Oder sollen die
Schäfer etwa eine Sarabande aufführen?"
„Die Pas des Menuets", entgegnete Gherardesca, „welche der seitlichen Bewegung angehören,
kann ich für das Ballet der Schäfer allenfalls beibehalten ... Es muß eine Art griechischen Chor-
reigens gebildet werden, dessen Hauptbewegung eine kreisförmige ist, die den Mittelpunkt — wo
die mstthischen Personen sich befinden — unberührt läßt. Das Menuet mit seinen beiden Parallel-
linien aber setzt quer über . . ."
Lullst war ebenso rechthaberisch, wie jähzornig und rücksichtslos, so daß er selbst nicht im
Stande war, sich dem König gegenüber zu fügen, um andere Ideen, als die seinigen, gelten zu
lassen. Es war aber eine so ungezwungene Art, in welcher Gherardesca seine Meinung vorbrachte,
daß der Componist rief:
„Ihr werdet mich hoffentlich später mit Euren Sentenzen nicht ermorden wollen, deshalb
lasset uns Frieden Halten. Ich mache meine Menuet, wie ich will, und Ihr lasset ihn abtanzen,