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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0069
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Deutschlands Kunstschätze. 39
„Nun, nach Euren Cellen dann!"
Duchambeau schellte und Gherardesca ward von den verbrecherhaft aussehenden Huissiers
abgeführt, nachdem ihn Lully verzweifelnd in die Arme geschlossen Hatte.
„Er geht in die Bastille!" rief Lully.
„Dann wißt Ihr mehr als ich!" sagte Duchambeau, gleichmüthig eine Prise nehmend.
„Ja, und auf Nimmerwiederkehr! Denn wer weiß, wenn der Schleier von diesem düstern
Geheimnisse gehoben wird, bei welchem ganz andere Leute betheiligt zu sein scheinen, als mein
armer, unglücklicher Dichter, der kaum einige Straßen von Paris betreten bat."
„Herr Ober-Intendant, Ihr seid sehr offenherzig und bei mir hat das für Euch keine Gefahr.
Jndeß kann Euch ein warnender Wink nicht schaden, mein' ich... Ihr seid entlassen . .. Herr
Mignard, Ihr werdet mir auf Ehre und Gewissen durch Handschlag versprechen, daß Ihr nicht
versuchen werdet, Euch meiner etwaigen Ladung zu entziehen, so gewiß Ihr sonst mit Eurem ganzen
Vermögen und mit Eurer Person haftbar seid!"
Mignard leistete das Versprechen und ging mit Lully aus der düstern Psorte des Chütelet
hinaus.
„Hört, Mignard", sagte der Musiker, „ich hatte mich vorhin entschlossen, nie wieder ein Wort
mit Euch zu wechseln; aber Ihr seid doch stets ein so treuer, aufrichtiger und liebevoller Menfch
gewesen, ein wahrer Römer, daß ich's nicht über's Herz bringen kann, Euch zu zürnen . .. Habt
Ihr keinerlei Ahnung, wer sonst, als Gherardesca, Euch dies Bild gestohlen hat, oder hat rauben
lassen?"
„Nein, bei Gott, nein! Und der Format sieht Eurem Freunde so ähnlich — nur die Stimme
war durchaus anders."
„Er war's nicht, der Euch bestahl und mißhandelte. Ich setze mein Leben zum Pfände. Aber
auf jeden Fall malt das Bild noch ein Mal . .. Die Dame wird Euch sitzen, wenn sie hört, daß
sie einen Unschuldigen der Bastille entreißen kann... Ist das Bild fertig, so wird es Mittel
geben, dasselbe dem alten Montbarrey zuzusenden, ohne daß er den Absender entdeckt — und
Gherardesca ist entlastet."
„Ich wage es nicht, der Dame den Vorschlag zu machen, denn sie schien sich nur einem unab-
wendbaren Zwange zu fügen, als sie sich malen ließ . . ."
„Nun, dann gehe ich und mache die Sache!" rief Lully, „und zwar gleich Heute Abend noch,
damit Ihr Morgen schon malen könnt . . ."
In diesem Augenblicke kamen dicht hinter einander zwei Kutschen an mit Läufern voran, die
große vergoldete Laternen auf langen Stangen trugen. Neben den Schlägen ritten Soldaten der
Marechaussee. Glänzende Wappen zierten die Schläge der Wagen.
Mignard hatte sich entfernt, um athemlos seinem geliebten Ooiu ä'or zuzueilen; der Musiker
blieb stehen und musterte die Aussteigenden.
Zuerst kam ein zierlicher Mann, in dunkle Farben gekleidet, aus seinem Wagen. Er hielt
das Taschentuch vor das Gesicht; Lully's scharfes Auge erkannte aber doch Las Hagere, ledergelbe
Gesicht des römischen Prinzen von Colonna, des Verlobten der reizenden Maria Mancini.
„Er auch hier?" sagte Lully zu sich. „Da ist kein anderes, als Mignard's Bild, die Ursache."
Aus der zweite» Carrosse stieg der Graf von St. Paul, welcher an dem Prinzen vorüber schritt
 
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