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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0092
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Deutschlands Kunstschätze. 55
Büscheln weißen Haars umgebenes Gesicht wie eigens dazu geschaffen schien, nm unter eine effect-
volle Kerzenbeleuchtung gebracht zu werden.
„Wo ist denn der Junge, Sigbrit ?" fragte Honthorst. „Ich habe es gar nicht bemerkt, daß
er sich Hinausgeschlichen hat."
„Er sagte, daß Ihr ihm aufgetragen hättet, nach dem Markte zu laufen und zu sehen, was
Herrn Domine Boddema widerfahren sei", antwortete die Alte mit einer Grabesstimme.
Eben erging sich der Maler in Klagen über das nach seiner Meinung unabwendbare
Schicksal des leichtsinnigen Kunstjüngers, als an die Fensterladen geklopft wurde.
„Es ist, glaube ich, gerathen, daß wir nach unseren Degen schauen", sagte Joyce, stand auf
und machte sich kampffertig. Der Rundkopf vertheidigt den Cavalier und der Cavalier den Rnnd-
kopf, je nach Lage der Dinge. Sigbrit öffnete die Hausthür und die beiden Kriegsleute nahmen
ihre Position seitwärts der geöffneten Stubenthür, durch welche hinreichendes Licht auf die Flur
fiel, um etwa Eindringende genau zu sehen.
Willem war's, welcher eintrat, triumphirend einen alten, zitternden Mann an der Hand führend,
der einen schwarzen Talar und eine viereckige Priester- oder Professormütze trug.
„Es ist Doctor Boddema selbst!" rief Honthorst mit weinerlicher Stimme, die Arme aus-
breitend.
Der Rector bedurfte einiger Zeit, um sich zu fassen; dann erzählte er seine Erlebnisse. Man
war Hart mit ihm nmgegangen, die Musensöhne hatten sich nicht entblödet, den alten Mann mit
ihren Rappieren zu schlagen. Es waren halbflache Hiebe von denen der Talar an den Schultern
zerschnitten worden war; aber es war noch die Frage, ob die Studenten nicht scharfe Hiebe hatten
austheilen wollen.
„Ich habe mein Amt als Rector niedergelegt und meinen Rücktritt unterzeichnen müssen",
sagte der Geistliche.
„Das kann schlimme Folgen für Euch haben", sagte der aus Aengstlichkeit sehr umsichtige Hont-
horst. „Ihr habt Euch einem privilegirten Gerichtsstände entzogen, um Euch unter Seine Ge-
strengen den Oberbürgermeister zu stellen, dem Niemand den Vorwurf machen kann, ein Republicanisch-
gesinnter zu sein. Crandiö, dieser katholische Lütticher, braucht blos zu wissen, daß er Euch in
seiner Gewalt hat, so wird er nicht säumen, Euch klar zu machen, was Eure Predigt am Ehrentage
der Lohgerber in der Universitätskirche über den allerdings sehr verfänglichen Text von den Ochsen
von Basan zu bedeuten gehabt hat."
„Es sind die Ochsen von Basan, diese unechten Anhänger der Oranier, die sich auch seit deu
großen Zeiten des Dneiturui Oulislini bedeutend verändert haben", sagte Boddema mit Festigkeit,
„Und es sind Ochsentreiber und keine Musensöhne, welche gegen mich abgesendet wurden, um mich
zum Märtyrer zu machen ... Alles in meinem Hause ist zerstört — der Herr hat's gegeben, der
Herr hat's genommen; aber welchen Namen verdienen Studenten, welche es vermögen, eine Biblio-
thek zu zerstören, wie es der meinigen ergangen ist ?"
Noch aber waren die Begebenheiten dieser Nacht nicht erschöpft. Im wüsten Chor tönte es
draußen durch Sturm und Regen:
„Nidi sst proposituni
In tadelns, inori — — "
 
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