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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0113
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Deutschlands Kunkschatze. 71
„Ich habe den Schlüssel gefunden!" ries Schwinv aufspringend und triumphirend umher-
slampfend. „Für Mayrhofer sowohl, wie für Dich, Franz!"
„Nun?" fragte der Dichter sehr erregt.
„Ihr werdet mein Geheimniß heute Abend nicht erfahren", sagte Schwind. „Es ist noth-
wendig, daß Ihr überrascht werdet, um mit frischer Empfiuduugssähigkeit Euch an's Werk zu
machen. Aber so viel will ich Euch sagen, daß Ihr anerkennen werdet: die Malerei könne sich au
Bestimmtheit uud Kraft der Eindrücke sehr wohl mit den stolzen, lauten Schwestern, Dichtkunst
und Musik, auf eine Stufe stellen!"
Vergebens bot Mayrhofer feine derbe Kauftik und Skepsis auf, vergebens bat Schubert —
Schwind legte sich für die Nacht auf dem Sopha zurecht und disputirte noch abwehrend in die
kleine Kammer hinein, wo Schubert und Mayrhofer sich gebettet Hatten.
Am andern Morgen kündigte Moritz Schwind den Frennden eine „große Tour" an. Der
Maler war im „Belvedere" mit dem Copiren eines Tizian beschäftigt und lud die Freunde ein,
ihm das Geleit zu geben.
„Aber was sollen wir um acht Uhr im Belvedere?" sragte Mayrhofer. „Ich habe das
Durchwaudelu einer Masse von Sälen, die mit den verschiedensten Bildern gefüllt sind, stets als
eine den Geist niederdrückende und verwirrende Arbeit betrachtet. Mehr, als einige Bilder, in
denen entweder seelische Harmonie oder Contraste sich manifestiren, sollte man nicht zu derselben
Zeit betrachten wollen."
„Ich verlange allerdings von Euch ein Opfer, für welches Ihr indeß durch noch Besseres, als
durch das Frühstück entschädigt werden sollt, das ich auf dem Rennweg zu geben gedenke!"
„Aber keinen Oesterreicher, sondern Bordeaux!" brummte Mayrhofer.
„Gut, Ihr werdet französischen Rothwein haben, wenn kein italienischer Wein zu haben
fein wird."
„Wie kommst Du auf Italiener, Schwindl?" fragte Schubert verwundert.
„Nun, weil wir einen Italiener sehen werden."
„Einen solchen, der singt? Dann laß mich aber aus, Schwindl!" bemerkte Schubert.
„Er singt wohl, freilich, aber nicht gar laut."
„Aber wo bleibt Deiu Geheimniß von gestern Abend?" sragte Mayrhofer, das Papier mit
dem Anfang des Gedichts von der Andromeda, das noch zwischen den Kaffeetassen der Olea lag,
durchsetzend.
„Das findet sich nachher Alles!" meinte Schwind.
Die Freunde machten sich auf, um den Weg von der Carolskirche nach dem Belvedere zu
durchmessen. Endlich lag das majestätische Gebäude vor ihnen. Sie schritten vor der mit ungari-
schen Grenadieren besetzten Wache vorbei und kamen in's Oberbelvedere, wo Schwind den Weg in
den Copirsaal einschlug, der sich hinter einem der Säle für Sculpturen befand.
Der alte Galeriediener, wegen seiner fast wunderbaren Aehnlichkeit mit dem wunderbaren,
miniaturmäßig gearbeiteten männlichen Bildniß von Denner „der Denner" genannt, erhielt von
Schwind einen Wink und der Maler raunte ihm einige Worte zu.
„O, warum sollt's nit sau können?" antwortete der Denner. „Aber freilich wird nachher in den
Sälen geputzt und da müßten Euer Gnaden weichen, wenn die Befen kommen und der Staub."
 
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