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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0156
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100 Deutschlands Kunstschätzk.
„Was sollten sie sagen, wenn Ihr wegen Unwohlseins einige Tage die Arbeiten einstellt?"
sagte Godefroh.
„Gott sei gedankt!" antwortete Carracci mit einem schweren Seufzer. „Ich erhole mich wieder;
ich sehe wieder klar! Herr Marchese, Ihr habt mir soeben einen großen Dienst geleistet — ein
Brigante, wer ihn vergessen wollte! Ich glaube fest, daß Ihr Euren Einfluß anwenden werdet,
damit Eure Voraussetzungen sich erfüllen ..."
Godefroy nahm eine vornehme, diplomatische Miene an und sagte ernst:
„Monsieur, wenn es darauf ankommt, den Befehl unseres gnädigsten Herrn, daß Sie diesen
Palast verlassen, oder besser meiden sollen, rückgängig zu machen, so dürfen Sie auf sichern Erfolg
rechnen ... Aber es wird, sage ich Ihnen im Vertrauen, sehr nothwendig werden, in Zukunft
Zerwürfnisse ernsterer Natur zu vermeiden, welche beizulegen ganz außer meiner Kraft liegen
würde..."
„Herr Minister, ich gestehe, daß ich Euch nicht verstanden habe .."
„LÜ dien, dann muß ich leider deutlicher reden, Signor Carracci! Es ist mir außer Zweifel,
daß Eure allerdings höchst brillauten Gemälde schließlich Seiner Hoheit nicht gefallen ...
Was dann?"
„Warum ist Euch das so unzweifelhaft, mein Herr?" fragte Annibale Carracci fast keuchend
vor innerm Zornesmuthe.
„Mein theurer Meister", sagte Godefroy vertraulich scheinend, „es ist Ihnen bekannt, daß
Seine Hoheit ein entschiedener Bewunderer nicht nur, sondern auch ein feiner Kenner von Frauen-
schönheit ist..."
„Nun?"
„Ja, nun kommt für mich die Schwierigkeit, mein Herr! Seine Hoheit hat Ihre Ariadne
und die anderen Damen in der Galerie sehr genau gemustert und er hat keine, aber auch keine der
weiblichen Figuren schön und anziehend gefunden. Sein Urtheil lautete: Gemalte Statuen in
Bewegung, denen der Pulsschlag mangelt!"
Carracci antwortete nichts.
„Da ist nirgend das Leben atrappirt", fuhr Godefroy fort, „und durch die leuchtendste Färbung
zieht es sich wie ein frostiger Hauch .."
„Sagt Ihr das, Marchese, oder der Herzog?"
„Das sagen wir Beide, wenn Sie erlauben! Ihr solltet Euch nach schönen, attractiven
Modellen — aber keine von Marmor — umsehen und ich dächte, die Wirkung könnte bei Ihrem
eminenten Kunstvermögeu nicht ausbleiben..."
Carracci schwieg
„Aber es ist ein böses Ding, einem Künstler rathen wollen, Monsieur! Aber an einem Ver-
trauensworte wird bekanntlich nicht herumgekrittelt! Ihr wißt, daß es mir daran gelegen Hat,
Euch vor späteren schweren Unannehmlichkeiten zu bewahren ... Und nun Addio! Mich ruft der
Dienst! Ich hoffe Euch bald wieder holen lassen zu dürfen!"
Carracci murmelte etwas von Dank; aber in seinen Augen blitzte tiefer Groll eines beleidigten
stolzen Künstlergemüths.
Er ging nach der Via di Paolo in Trastevere, wo er in ein altes, verfallenes Haus eintrat,
 
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