Deutschlands Kunstschätze. 115
Puffen an den Schlitzärmeln. Die schönste Straußenfeder, welche gestern in Lehden auszutreiben
gewesen war, schwankte auf seinem großen Barret.
^Neben diesem Meisterschüler stand Kaspar Netscher, dreiundzwanzig Jahre alt, eine schlanke
Cavaliergestalt mit langem Haar, in schwarzer Kleidung — gutmüthig und freundlich um sich
blickend. Dann zeigte sich ein breitschulteriger Riese, eine echte Küraßfigur, laut sprechend und den
Knebelbart drehend: Schalken von Dordrecht, in rothem Wamms mit weißen Puffen, ganz alt-
friesisch bis auf das Schlachtschwert an seiner Seite. Die anderen Maler trugen seidene Strümpfe
und Schuhe — Schalken Hatte Reiterstiefel angethan und durch seine langen Sporen eine deut-
liche Hinweisung darauf gegeben, daß er der Besitzer eines alten wallonischen Schimmels sei,
welcher, wie Schalken sagte, seines feurigen, bösartigen Temperaments wegen anstatt mit Hafer,
nur mit Stroh gefüttert werden durfte.
Ein vierter Schüler erschien als ein zarter, schlanker Jüngling mit mädchenhaftem Gesicht
und einer Fülle von dunklen, lang herabwallenden Locken. Er war etwa zweiundzwanzig Jahre
alt, älter als Schalken, ließ sich aber von dem Renommisten, wie es schien, als ein Bevormundeter
behandeln. Die Kleidung dieses jungen Malers war überaus einfach: von braunem Tuch, ohne
weitern Zierrath. Auf dem Barret steckte eine kleine rothe Feder. Dies war Peter van Slinge-
land, mit tiefem Sinn für seine Kunst begabt, höchst aufmerksam und fast ängstlich arbeitend, aber
gedrückt durch seine ärmlichen Verhältnisse. Man sah es ihm an, daß er an jedem andern Platze
sich wohler befunden Haben würde, als hier, am Kirchhofsthor, wo er als Genosse lebenslustiger,
verschwenderischer Jünglinge sich einer Menge von Leuten zeigen mußte, denen die Armuth seiner
Familie nur zu wohl bekannt war. Auch Slingeland hielt einen Blumenstrauß in der Hand; aber
er schien sehr geneigt zu sein, denselben einem der kleinen Schulmädchen zu schenken, anstatt einer
der schönen Damen Lehdens damit seine Huldigung zu erweisen.
Wir Haben die Hauptperson der Gruppe am Kirchhofsthor bis zuletzt aufgespart. Dies war
ein wohlbeleibter Jüngling mit einer dicken, goldenen Kette um den Hals, in der Tracht eines
Kaufherrn. Das hochblickende, bartlose Gesicht ward durch glänzende, frech blickende Augen belebt
— er sprach mit den Malern in dem Tone eines Gönners, eines ihnen Ueberlegenen, und selbst
Schalken schien dagegen keine Verwahrung einlegen zu wollen. Dies war Lukas Mangolden,
welcher bereits Student und sodann Maler gewesen war, schließlich aber, als für beide Lebens-
bahnen nicht besonders tauglich, von seinem Vater, einem reichen Gewürzhändler, auf die Beschäfti-
gung mit Pfeffer- und Gewürznägeleinsäcken angewiesen wurde. Lukas hatte aus seinen früheren
Studien den Vortheil gezogen, daß er wußte: die Wissenschaften wie die Malerei könnten höchstens
dazu dienen, einen gescheidten Kopf zu verdummen — weshalb er sich Mühe gab, seine malenden
Freunde so viel wie möglich von der Staffelei zurückzuhalten. Mit Mieris und Schalken gelang
ihm dies vortrefflich; schwieriger schon war Netscher zu behandeln und auf Pieter van Slingeland
machte die beredteste Anpreisung irgend eines neu angesteckten Fasses voll wunderbaren Trauben-
saftes gar keinen Eindruck.
Slingeland sah ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen in sauberer, aber ärmlicher Kleidung
schüchtern durch die Reihen der jungen Männer schreiten, die Augen fest auf das Gebetbuch in
ihren Händen gerichtet. Die Mädchen, welche vor ihr gingen und mit strahlenden Blicken ihr
nachsolgten, wurden bewundert und der Einen unv der Andern flog ein Sträußchen zu — das
Puffen an den Schlitzärmeln. Die schönste Straußenfeder, welche gestern in Lehden auszutreiben
gewesen war, schwankte auf seinem großen Barret.
^Neben diesem Meisterschüler stand Kaspar Netscher, dreiundzwanzig Jahre alt, eine schlanke
Cavaliergestalt mit langem Haar, in schwarzer Kleidung — gutmüthig und freundlich um sich
blickend. Dann zeigte sich ein breitschulteriger Riese, eine echte Küraßfigur, laut sprechend und den
Knebelbart drehend: Schalken von Dordrecht, in rothem Wamms mit weißen Puffen, ganz alt-
friesisch bis auf das Schlachtschwert an seiner Seite. Die anderen Maler trugen seidene Strümpfe
und Schuhe — Schalken Hatte Reiterstiefel angethan und durch seine langen Sporen eine deut-
liche Hinweisung darauf gegeben, daß er der Besitzer eines alten wallonischen Schimmels sei,
welcher, wie Schalken sagte, seines feurigen, bösartigen Temperaments wegen anstatt mit Hafer,
nur mit Stroh gefüttert werden durfte.
Ein vierter Schüler erschien als ein zarter, schlanker Jüngling mit mädchenhaftem Gesicht
und einer Fülle von dunklen, lang herabwallenden Locken. Er war etwa zweiundzwanzig Jahre
alt, älter als Schalken, ließ sich aber von dem Renommisten, wie es schien, als ein Bevormundeter
behandeln. Die Kleidung dieses jungen Malers war überaus einfach: von braunem Tuch, ohne
weitern Zierrath. Auf dem Barret steckte eine kleine rothe Feder. Dies war Peter van Slinge-
land, mit tiefem Sinn für seine Kunst begabt, höchst aufmerksam und fast ängstlich arbeitend, aber
gedrückt durch seine ärmlichen Verhältnisse. Man sah es ihm an, daß er an jedem andern Platze
sich wohler befunden Haben würde, als hier, am Kirchhofsthor, wo er als Genosse lebenslustiger,
verschwenderischer Jünglinge sich einer Menge von Leuten zeigen mußte, denen die Armuth seiner
Familie nur zu wohl bekannt war. Auch Slingeland hielt einen Blumenstrauß in der Hand; aber
er schien sehr geneigt zu sein, denselben einem der kleinen Schulmädchen zu schenken, anstatt einer
der schönen Damen Lehdens damit seine Huldigung zu erweisen.
Wir Haben die Hauptperson der Gruppe am Kirchhofsthor bis zuletzt aufgespart. Dies war
ein wohlbeleibter Jüngling mit einer dicken, goldenen Kette um den Hals, in der Tracht eines
Kaufherrn. Das hochblickende, bartlose Gesicht ward durch glänzende, frech blickende Augen belebt
— er sprach mit den Malern in dem Tone eines Gönners, eines ihnen Ueberlegenen, und selbst
Schalken schien dagegen keine Verwahrung einlegen zu wollen. Dies war Lukas Mangolden,
welcher bereits Student und sodann Maler gewesen war, schließlich aber, als für beide Lebens-
bahnen nicht besonders tauglich, von seinem Vater, einem reichen Gewürzhändler, auf die Beschäfti-
gung mit Pfeffer- und Gewürznägeleinsäcken angewiesen wurde. Lukas hatte aus seinen früheren
Studien den Vortheil gezogen, daß er wußte: die Wissenschaften wie die Malerei könnten höchstens
dazu dienen, einen gescheidten Kopf zu verdummen — weshalb er sich Mühe gab, seine malenden
Freunde so viel wie möglich von der Staffelei zurückzuhalten. Mit Mieris und Schalken gelang
ihm dies vortrefflich; schwieriger schon war Netscher zu behandeln und auf Pieter van Slingeland
machte die beredteste Anpreisung irgend eines neu angesteckten Fasses voll wunderbaren Trauben-
saftes gar keinen Eindruck.
Slingeland sah ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen in sauberer, aber ärmlicher Kleidung
schüchtern durch die Reihen der jungen Männer schreiten, die Augen fest auf das Gebetbuch in
ihren Händen gerichtet. Die Mädchen, welche vor ihr gingen und mit strahlenden Blicken ihr
nachsolgten, wurden bewundert und der Einen unv der Andern flog ein Sträußchen zu — das