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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0185
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Deutschlands Kunstschätze. 123
meine Schwester von der drückendsten Armuth zu befreien vermag — vielleicht thut sie am ersten
Ostertage ein frommes Werk und gewährt mir den Kuß, auf welchen Alles ankommt."
„Ja, auf den Kuß kam's freilich an! Das ist richtig! Alles Andere sind Lügen!" sagte Aldert
Mangolden. „Das ganz Ehrlose an der Sache ist, daß Lukas van Mangolden nie daran gedacht
Hat, Euch fünftausend Gulden zahlbar zu machen; daß Ihr wußtet, dies werde nie geschehen; daß
Ihr aber den Vorwand nahmt, Gescha glauben zu machen, sie werde ein christliches Werk erfüllen,
wenn sie Eurem Begehr willfahre. Weil sie ein edles Gemüth besitzt, ist es Euch gelungen, sie
mit Eurer Bettellüge anzuführen und zu einer lächerlichen Person zu machen. Man sollte bersten,
wenn man sich diesen bübischen Knabenstreich durchdenkt!"
„Mynheer", antwortete Pieter Slingeland, „kein Wort, kein Urtheil wäre hart genug, für
mich, wenn Eure Voraussetzung richtig wäre. Aber sie ist's eben nicht! Das Einzige, was ich zu-
geben kann, ist Das, daß Lukas Mangolden nicht die Absicht gehabt Haben mag, wirklich fünftau-
send Gulden zu zahlen; daß er, um genauer zu fein, nicht die Idee hatte, er könne in den Fall
kommen, beim Wort genommen zu werden. Ich bin von schüchterner Gemüthsart und ich weiß,
daß Mangolden, würde er befragt, fest überzeugt gewesen ist, daß ich selbst nicht dazu den Muth
finden würde, der Jeoffrouw Gescha den Blumenstrauß anzubieten."
„Hat Lukas van Mangolden Zahlung geleistet?" fragte der Bürgermeister, ohne aus diese
Aussagen genauer einzugehen.
„Nein, bis jetzt nicht!"
„O, es hat auch damit gute Wege!" murmelte der Vater der Stadt.
„Er ist, wie ich höre, verreist und ich glaube, daß er nur deshalb Leyden verlassen hat, um
einer von mir anzustellenden Klage zu entgehen . . ."
„O, der wird schon wiederkommen! Auf wen stützt Ihr Euch bei Eurer Klagestellung?"
„Auf Netscher, Schalken und Mieris, meine Collegen, die genau die Auslobung angehört
Haben! Meister Dow aber meint, daß ich nicht gewinnen würde, wenn ich einen Proceß gegen Lukas
van Mangolden anstellte . . ."
„Liegt die Sache genau, aber auch ganz genau so, wie Ihr sagt, Slingeland, so wird Euch
jeder Advocat sagen, daß Mangolden zahlen muß! Er besitzt eigenes Geschäft, eigenes großes Ver-
mögen und disponirt darüber in eigenem Namen und Rechte!" brummte der Bürgermeister, jetzt
erst den jungen Mann, dessen Anblick ihm vorher ein Gräuel gewesen zu sein schien, mit einer Art
von Wohlwollen betrachtend. „Ihr möget gehen! Sorgt, daß Ihr kein Gerede von dem macht,
was hier verhandelt wurde! Vielleicht wird die Sache auf eine Weise geschlichtet, daß Gescha Rs-
parutioueni llonoris findet!"
Pieter verbeugte sich und wollte gehen.
„He, noch ein Wort!" rief Mangolden. „Aber merkt auf, jetzt noch viel mehr als vorher ist es
für Euch unerläßlich, daß Ihr die Wahrheit sagt. Habt Ihr je vor jener Scene auf dem Martini-
kirchhofe meine Tochter gesehen?"
„Ja, öfter, obwohl nicht sehr oft, da ich an Wochentagen im Atelier meines Meisters arbeiten
muß und am Sonntage, nachdem ich mit meiner Schwester zur Kirche gewesen, bei meiner
Mutter zu Hause bin, um ihr aus der Postille vorzulefen."
„Hat Eure Kirche etwa ein Schild und einen Kranz?"

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